Comeback für Anleihen?
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Die letzten zwei Wochen wurden vom Tod der britischen ‚Queen‘ geprägt. Die Ära ihrer Souveränität, eine Ära für das Vereinigte Königreich endet. Doch in der Weltwirtschaft und den Finanzmärkten beginnt eine Neue. Die Zinssätze werden weiter erhöht, weil die Inflation hartnäckig hoch bleibt. Es ist ein schwieriges Investitionsumfeld, da Vermögensverluste neben höheren Lebenshaltungskosten weh tun. Eine gute Nachricht ist, dass festverzinsliche Anlagen künftig ein besseres Risiko-Rendite-Profil aufweisen. Anleihen können wieder eine gute Absicherung sein.
Langwierige Rückkehr zur Normalität
Wie die britische Monarchie wird uns auch der Anleihemarkt alle überleben. Dennoch stellen einige Analysten die Rolle von Anleihen in einem Portfolio im aktuellen Inflationsumfeld in Frage. Es stimmt, dass die Renditen von festverzinslichen Wertpapieren in diesem Jahr bislang nicht gut waren. Allerdings sind die Renditen von Anleihen negativ, weil die Zinssätze von einem Niveau gestiegen sind, von dem wir alle wussten, dass es niemals aufrechterhalten werden kann. Wenn man eine außergewöhnliche Phase an den Märkten durchlebt – die durch beispiellose Interventionen der Zentralbanken gekennzeichnet ist – dann ist es unmöglich, eine sofortige Rückkehr zur Normalität zu erwarten.
Sechs Prozent Kerninflation sind nicht akzeptabel
Laut dem US-Verbraucherpreis-Report lag die annualisierte Rate der Kerninflation in den vergangenen sechs Monaten bei über sechs Prozent. Das ist für die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) inakzeptabel. Die Inflation beschränkt sich nicht mehr nur auf den Energiesektor, auch das Tempo der Preissteigerungen bei vielen Gütern und Dienstleistungen außerhalb des Energiesektors ist hoch. Zugleich ist der Arbeitsmarkt sehr angespannt. Die Fed wird daher die Zinsen so lange anheben, bis sie feinfühliger wird oder es Anzeichen dafür gibt, dass etwas zusammenbricht – Arbeitsplätze, Wachstum, Immobilien oder die Märkte. Der Markt sieht derzeit 4,5 Prozent als Höchststand an, und einige Wirtschaftswissenschaftler haben ihre Prognosen entsprechend angehoben. Aber es könnten auch fünf oder sechs Prozent sein. Ein Teil der Motivation für weitere Zinserhöhungen ist die Angst vor einem Glaubwürdigkeitsverlust.
Zinserhöhungen beenden Konjunkturaufschwung
Es ist die Ungewissheit, die die Anlageperformance beeinträchtigt. Die Geldpolitik wirkt mit langer und variabler Verzögerung auf die Realwirtschaft, und wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen die bisherigen Zinserhöhungen haben werden – eine Aussage, die nicht nur für die USA, sondern auch für das Vereinigte Königreich, den Euroraum und alle Volkswirtschaften gilt, die in diesem Jahr die Zinsen erhöht haben. Die globalen monetären Bedingungen haben sich verschärft, die Realeinkommen sind weltweit unter Druck geraten. Eine weltweite Rezession scheint immer wahrscheinlicher zu werden.
Comeback der Anleihen?
Offensichtlich funktioniert das 60/40-Anlagemodell im Moment nicht, denn Anleihen und Aktien sind in der ersten Jahreshälfte gemeinsam gesunken. Lassen Sie mich einen Moment bei den Anleihen verweilen. Wir haben höhere Renditen. Aus diesem Grund hat sich das hypothetische Renditeprofil geändert. Es liegt auf der Hand, dass bei höheren Renditen – heute im Vergleich zu einem beliebigen Zeitraum der vergangenen zehn Jahre auf dem US-Schatzmarkt – das Risiko-Ertrags-Profil besser ist. Dies wurde durch eine Straffung der Geldpolitik erreicht. Meines Erachtens spricht dies für Multi-Asset-Investitionen. Anleihen neben Aktien bieten heute eine bessere Diversifizierung als noch vor zwei oder drei Jahren. Geht man davon aus, dass sich die Zinssätze einem Niveau nähern, bei dem man davon ausgeht, dass sie in einem wirtschaftlichen Abschwung gesenkt werden könnten, könnte die Anleihe-Allokation einen großen Teil der Verluste bei Aktien in einem solchen Abschwung absichern.
Renditekurven im Fokus
Wenn die Zentralbanken die Zinsen weiter anheben, verkürzt sich die Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Das bedeutet, dass sich die Renditekurven weiter abflachen oder umkehren werden, es sei denn, die mittelfristigen Inflationserwartungen sind nicht mehr stabil. Flachere oder umgekehrte Kurven bedeuten, dass die Anleiherenditen weniger stark steigen als die Tagesgeldzinsen. Die Fed könnte also den Leitzins auf fünf oder sechs Prozent anheben, aber werden die Renditen der Staatsanleihen um weitere 300 Basispunkte (BP) steigen? Ich bezweifle das. Wenn sie es täten, wären die Aussichten für Aktien noch schlechter. Und wenn dies die Botschaft der Fed wäre, wäre ein Engagement in festverzinslichen Wertpapieren mit kurzer Laufzeit, um den erhöhten Carry zu nutzen, die einzig sinnvolle Strategie, bis die Zinsen ihren Höhepunkt erreichen. Wenn der Markt jedoch Recht hat und 4,5 Prozent der Höchststand ist, werden festverzinsliche Anlagen mit längerer Laufzeit in einem diversifizierten Anlageportfolio attraktiver.
Attraktiver Carry
Unternehmensanleihen haben ein ähnliches Risiko-Rendite-Profil mit dem zusätzlichen Risiko, dass die Erträge durch die positive Korrelation zwischen Spreads und Aktien beeinträchtigt werden könnten. Dennoch glaube ich, dass Credits ein schwierigeres Umfeld eingepreist haben als Aktien, vor allem in den USA, wo die Spreads bei Investment-Grade-Anleihen am oberen Ende der Handelsspanne der vergangenen zehn Jahre liegen. Man könnte argumentieren, dass die Creditspreads nur mit einer sanften Landung und nicht mit einer scharfen Rezession vereinbar sind, aber die US-Aktien preisen kaum eine Unterbrechung des Wachstums oder der Gewinne ein. Auch bei Unternehmensanleihen ist der Carry mit Renditen von über fünf Prozent für Investment Grade und rund 8,5 Prozent für High Yield attraktiv.
Signale der Fed erwartet
Die Anleiherenditen können noch deutlich steigen und das nächste Ereignis ist die Fed-Sitzung am 21. September. Der Umfang der Zinsanpassung und die Kommentare von US-Notenbankchef Jerome Powell werden die Handelsstimmung beeinflussen. Wenn die Zinssätze um 75 BP steigen, wären das bisher kumulierte 300 BP an Zinserhöhungen. Das ist im Vergleich zu früheren Zyklen in einem relativ kurzen Zeitraum sehr aggressiv. Nach einer Anhebung um 75 BP gab es seit Mitte der 1980er Jahre nur zwei Zyklen, in denen die Zinsen stärker angehoben wurden – 88/89 und 04/07. Beide führten zu Rezessionen. In den letzten Jahren dieser Zyklen lagen die Renditen der Staatsanleihen bei 14 beziehungsweise neun Prozent.
Britische Schnäppchen?
Zum Schluss noch einmal zurück zum Vereinigten Königreich und eine Bemerkung zu britischen Aktien. Es gibt zwar eine politische Ungewissheit, da eine neue Regierung an die Macht kommen wird und die Wirtschaft derzeit schwächelt. Aber die Politik wird das Wachstum wahrscheinlich anheizen, und wir werden bald Einzelheiten über den Umfang des geplanten Steuerpakets erfahren. Die interessanten Aktien sind nicht in den Top 100 zu finden, sondern in den Small- und Mid-Cap-Bereichen, in denen weiterhin Fusionen und Übernahmen getätigt werden. Wenn das Wachstum durch fiskalische Anreize der Regierung angekurbelt werden kann, sind möglicherweise weitere Schnäppchen zu machen.
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