Kommentar
07:45 Uhr, 18.11.2015

China: Wirtschaftliches Strohfeuer schon wieder vorbei

Die Chinasorgen des Marktes sind in den Hintergrund gerückt. Das ist ein Fehler, denn die neuesten Daten sind ernüchternd.

Im September konnte die chinesische Wirtschaft noch eine Wiederauferstehung feiern. Die Geldmenge wuchs in hohem Tempo. Es wurden so viele Kredite vergeben wie nur ein einziges Mal zuvor. Unternehmen durften wieder Eigenkapital einsammeln (Peking hatte die Ausgabe neuer Aktien stark eingeschränkt, um die Kurse nicht weiter fallen zu lassen) und die Aktienkurse steigen wieder. Das war ein schöner Befreiungsschlag. Nur: der Befreiungsschlag stellt sich als Strohfeuer heraus.

Das Geldmengenwachstum dürfte gegen Jahresende seinen Abwärtstrend wieder fortsetzen. Nach einer Stagnation in den vergangenen 2 Monaten und den neusten Daten zur Kreditvergabe wäre alles andere als ein Rückgang des Geldmengenwachstums eine große Überraschung.

Die Kreditvergabe verlangsamte sich im Oktober auf den tiefsten Stand des Jahres. Grafik 2 zeigt die monatliche Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf. Es wurde mit 513 Mrd. Yuan (ca. 75 Mrd. Euro) so wenig neuer Kredit vergeben wie noch nie in diesem Jahr. Seit der plötzlichen Abwertung des Yuan zahlten chinesische Unternehmen im großen Stil Auslandskredite zurück. Der Trend hat sich im Oktober wahrscheinlich fortgesetzt. Die endgültigen Daten sind noch nicht bekannt.

Unternehmen nahmen zuletzt vermehrt Schulden über den Anleihemarkt auf. Doch auch hier war der Trend im Vergleich zu den Vormonaten negativ. Die Ausgabe von Eigenkapital über die Börse zog im Oktober wieder ein klein wenig an, bleibt aber weit hinter den Monaten bis zum Höhepunkt der Spekulationsblase im Juni zurück.

Die nachlassende Kreditvergabe gegen Jahresende ist ein normaler Prozess. Banken haben bestimmte Kreditquoten, die sie nicht überschreiten dürfen. Gegen Jahresende können Banken nicht mehr ungezügelt Kredite vergeben. Im Oktober wirkten diese Quoten noch nicht. Banken hätten Schätzungen zufolge problemlos 800 Mrd. Yuan an neuen Krediten vergeben können.

Die geldpolitische Lockerung in Form von niedrigeren Zinsen und geringeren Reserveanforderungen der Banken haben nur ein Strohfeuer ausgelöst. Grundsätzlich ist das gar nicht so schlecht, weil die chinesische Wirtschaft ohnehin überschuldet ist. Die Regierung hält jedoch an ihrem Wachstumsziel fest und ändert die Regulierung dahingehend, dass mehr Kredit vergeben wird. Das trägt kurzfristig zu mehr Wachstum bei, langfristig ist das kein nachhaltiger Plan. Eine übermäßig vom Kreditwachstum abhängige wirtschaftliche Entwicklung führt früher oder später dazu, dass sich Unternehmen und Haushalte entschulden müssen. Die Konsequenz einer solchen Entschuldung ist eine Rezession.

Trotzdem: am Wachstumsziel wird nicht gerüttelt. Obwohl Unternehmen und Bürger nicht so viel Kredit aufnehmen wie gewünscht, tut die Führung in Peking alles, um das Wachstum zu stimulieren. Nachdem die geldpolitische Lockerung nur kurzfristig gewirkt hat, werden nun die Staatsausgaben nach oben geschraubt. Die Zentralregierung hat im Jahresvergleich ihre Ausgaben um mehr als ein Drittel erhöht.

Nimmt China nicht bald niedrigeres Wachstum in Kauf, dann drohen viele Probleme. Nicht nur Unternehmen sind zu hoch verschuldet, sondern bald auch der Staat. Die Provinzregierungen sind bereits am Limit angelangt. Eigentlich ist nur noch die Zentralregierung in der Lage überhaupt Ausgaben auf Kredit zu finanzieren. Geht das in diesem Tempo weiter, dann ist die bisher niedrige Staatsverschuldung von 40% der Wirtschaftsleistung bald nur noch eine Erinnerung.

Die Zentralregierung ist derzeit die einzige Instanz, die noch in der Lage ist, die Wirtschaft zu stützen. Ohne große Not wird diese Möglichkeit verschenkt, falls es wirklich zu einem Abschwung kommen sollte. Die Ausgabensteigerungen führen zu hohen Defiziten und minimieren die Fähigkeit in Zukunft neue Schulden aufnehmen zu können.
Aus meiner ganz persönlichen Sicht wäre es besser langsameres Wachstum in Kauf zu nehmen. Es hilft wenig, wenn das Wachstum noch ein oder zwei Jahre hochgehalten werden kann, dann aber keiner mehr kreditfähig ist und im Ernstfall die Wirtschaft stützen kann. Das, was dort gerade geschieht, schreit nach einer zukünftigen Katastrophe.

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2 Kommentare

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  • Kaputtnick
    Kaputtnick

    Hi

    Obwohl Unternehmen und Bürger nicht so viel Kredit aufnehmen wie gewünscht, tut die Führung in Peking alles, um das Wachstum zu stimulieren. Ist ja wie bei uns.....

    Danke Meister Draghi, überall die gleichen Trolle

    14:02 Uhr, 18.11.2015
  • Ragazzo
    Ragazzo

    Hilfreich fände ich eine Differenzierung nach Branchen. Nicht alle Unternehmungen in China sind notleidend. Der Bauboom mit hohen Fehlinvestitionen und übergroßer Verschuldung ist bekanntermaßen vorbei. Wo liegen jetzt die Zukunftschancen ? Ich habe niemals angenommen , dass China ständig 7% Wachstum und mehr generieren wird. Aber 3% Wachstum sind auch noch ein sehr schöner Zuwachs.

    09:33 Uhr, 18.11.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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