Kommentar
10:53 Uhr, 24.03.2016

China ohne klare Perspektive

Um China ist es zuletzt wieder still geworden. Der Yuan wertet nicht weiter ab und der Markt ignoriert schlechte Wirtschaftsdaten. Das täuscht darüber hinweg, dass China nach wie vor stark um Wachstum kämpfen muss.

Das neue Jahr hat für China nur sehr verhalten begonnen. Die Lage ist nicht dramatisch, denn die Wirtschaft wächst nach wie vor. Sie wächst jedoch sehr viel langsamer als angenommen. Die Industrieproduktion kommt nicht vom Fleck. Das ist nicht katastrophal, denn China will ja mehr auf Konsum und Dienstleistungen setzen. Das scheint allerdings nach wie vor mehr eine Vision als die Realität zu sein.

Zu Jahresbeginn (entweder Januar oder Februar) findet das chinesische Neujahrsfest statt. Eine Woche lang steht das Land in dieser Zeit praktisch still. Die Feiertage sind jedoch für den Konsum extrem wichtig. Rund um das Neujahrsfest wird viel Geld ausgegeben.

In diesem Jahr blieb der Konsumrausch aus. Das ist unerfreulich, denn wenn die Industrie kein hohes Wachstum mehr liefern kann und der Konsum dies nicht ausgleicht, dann sind die Wachstumsziele kaum erreichbar. Aktuell wird dies durch Ausgaben der Regierung abgefedert. Sie investiert in Infrastruktur.

Die Investitionen in Infrastruktur und Gebäude stiegen zu Jahresbeginn schneller als im Jahr 2015. Das ist einerseits schön, weil es das Wachstum stützt, andererseits aber auch kein nachhaltiges Modell. Ein Großteil der hohen Investitionen entfällt auf den Immobilienmarkt, der ohnehin schon als überhitzt gilt.

Nachdem der Immobilienmarkt bis Mitte 2015 abkühlte wurde er durch Zinssenkungen wiederbelebt. Die Folge: es wird wieder wie wild gebaut. In Ballungszentren finden die Immobilien Abnehmer. Hausverkäufe stiegen zu Beginn dieses Jahres um fast 50 % im Vergleich zum Vorjahr. Das sagt schon viel über die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung aus.

Die geldpolitische Lockerung der Zentralbank hilft aktuell vor allem dem Immobilienmarkt. Das ist letztlich nicht das alleinige Ziel gewesen, doch in anderen Sektoren kommt das billige Geld nicht an. Die Wiederbelebung des Wachstums fußt derzeit auf den altbekannten Hausmitteln, in Infrastruktur und Immobilien zu investieren. Auf Dauer ist das zu wenig, insbesondere, wenn man die hohen Schuldenberge berücksichtigt.

Die Schätzungen über die Verschuldung gehen teils weit auseinander. Die Grafik zeigt die Verschuldung einzelner Akteure im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Privathaushalte sind vergleichsweise gering verschuldet. Von Unternehmen kann man das nicht behaupten. Deren Verschuldung (Gewerbe und Banken zusammen) liegt irgendwo im Bereich von 160-180 % der Wirtschaftsleistung. Mehr als die Hälfte davon entfällt auf Staatsbetriebe.

Die Schuldenberge sind definitiv zu hoch, insbesondere in einer Zeit, in der die Wirtschaft langsamer wächst und Inflation rückläufig ist. Bisher war Chinas Geheimrezept hohes nominelles Wachstum. Die Schulden wuchsen in den letzten Jahren mit 10-15 % pro Jahr. Das ist kein Problem, wenn die Wirtschaft nominell ebenfalls um mehr als 10 % wächst. Das nominelle Wachstum liegt derzeit bei 9 %. Die Schuldenberge wachsen also überproportional. Eine höhere Inflationsrate bei konstantem Schuldenwachstum wäre ein Segen.

Inzwischen sind die Schulden so hoch, dass auch höhere Inflation das Problem nicht beseitigt. Die Zahl notleidender Kredite wächst deutlich an. Nach offiziellen Angaben liegt das Volumen dieser Kredite bei 200 Mrd. Viele Analysten gehen davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen sehr viel höher sind.

Ein Großteil der notleidenden Kredite entfällt auf Staatsunternehmen. Da diesen eine Staatsgarantie unterstellt wird (diese Garantie gibt es offiziell nicht), werden viele Kredite nicht als notleidend deklariert. Berücksichtigt man diese Kredite, dann dürfte das Volumen im Bereich von 400 bis 600 Mrd. liegen.
Die großen chinesischen Banken (Industrial and Commercial Bank, China Construction Bank, Agricultral Bank of China, Bank of Communications, China Merchants Bank) haben knapp 8 Billionen Dollar an Krediten in ihren Büchern. Einige Analysten gehen davon aus, dass der Prozentsatz notleidender Kredite von derzeit 1,5 % auf 7 % steigen könnte. Das würde allein für diese Banken zusätzliche, notleidende Kredite von 420 Mrd. bedeuten.

Für notleidende Kredite müssen Rückstellungen gebildet werden. Üblich sind Rückstellungen in der Höhe von 50 % der Kreditsumme, in diesem Fall also 200 Mrd. Das Kapital dieser Banken (knapp 1 Billionen), würden dann um 20 % sinken. Das ist verkraftbar, lässt die Eigenkapitalquote jedoch in extrem tiefe Bereiche fallen.

China muss das Kreditproblem angehen. Es gibt Bestrebungen dies zu tun. So sollen Banken ihre faulen Kredite bündeln und verkaufen können. Damit ist natürlich nicht das Problem an sich beseitigt, sondern wird lediglich von Banken auf andere Unternehmen oder Investoren übergewälzt.

Ebenso wird darüber nachgedacht Schulden von Unternehmen in Eigenkapital zu tauschen. Anstatt einen Kredit hätten dann Banken Aktien in den Büchern. Ob nun Eigenkapital so viel besser ist, sei dahingestellt. Es ist auch nicht gerade beruhigend, wenn Banken plötzlich Anteil an der Hälfte aller Unternehmen halten. Das ist die Mutter aller Interessenskonflikte.

Aktuell lässt sich noch nicht erkennen wie China das Schuldenproblem effektiv angehen wird. Solange dieser große Stolperstein für die Wirtschaft nicht aus dem Weg geräumt ist, ist China auch noch nicht über den Berg. Derzeit fällt China in alte Muster zurück. Der Immobilienmarkt treibt die Wirtschaft ebenso wie staatliche Investitionen. Damit kann auf Sicht von Monaten das Wachstum gestützt werden. Mittelfristig dürfte die Überhitzung des Immobilienmarktes das Wachstum dämpfen. Eine effektive Neuausrichtung der Wirtschaft ist noch nicht erkennbar.

Der Wandel, der nach dem Motto „ein Schritt vor, zwei Schritte zurück“ vonstatten geht, gleicht einem etwas unkoordinierten Schlingerkurs. 2015 wurde der Aktienmarkt in eine Blase getrieben, jetzt ist es der Immobilienmarkt. Es geht von einem Problem zum nächsten. Dass das überhaupt noch funktioniert, ist bemerkenswert.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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