Kommentar
09:22 Uhr, 01.03.2016

China: Das große Missverständnis

Die Sache liegt klar auf der Hand: Kapital flieht aus China, der Yuan wird abgewertet, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und das Land ist überschuldet. So präsentieren sich die Fakten, doch es gibt auch eine ganz andere Sichtweise. Anleger setzen in diesem Fall auf einen ganz falschen Trend.

Die Meinungen zu China sind derzeit eindeutig. Die Story dahinter ist auch ziemlich bestechend: Nach der Finanzkrise hat China über enormes Schuldenwachstum das Wirtschaftswachstum hochgehalten. In der Folge entstanden Überkapazitäten in der Produktion, die nun nicht gebraucht werden. Das führt dazu, dass viele Unternehmen überschuldet und eigentlich insolvent sind. Da sie aber aus politischen Gründen nicht in den Bankrott geschickt werden, kann sich der Markt nicht bereinigen. Banken sitzen auf faulen Krediten, die nicht ausgewiesen werden, weil die Unternehmen ja auch nicht offiziell in Zahlungsschwierigkeiten sind.

Der einzige Weg wie China diesem Dilemma entgehen kann, ist die Abwertung der Währung. Chinesische Produkte werden durch eine Abwertung im Ausland günstig. Die Nachfrage nach diesen Gütern steigt und die Überkapazitäten bauen sich dadurch ab. Das Problem: die Abwertung funktioniert nicht so recht. Seit dem ersten Versuch der Abwertung im August 2015 sind Anleger aufgeschreckt. Sie fürchten weitere Abwertungen und versuchen daher ihr Geld ins Ausland zu bringen. Kapitalflucht setzt ein. Das sollte den Yuan schwächen, doch die Zentralbank hält dagegen, da eine zu rasche Abwertung sich selbst nährt und zu immer neuen und größeren Kapitalausfuhren führt.

Die Notenbank hält den Yuan Kurs seit Wochen stabil und wertet den Yuan sogar ein klein wenig auf. Das kostet. Konkret hat die Notenbank bereits 800 Mrd. für die Stützung des Yuan Kurses eingesetzt. Wenn das in diesem Tempo weitergeht, dann hat die Notenbank in zwei Jahren keine Reserven mehr, um den Wechselkurs zu managen.

Viele Starinvestoren sind von dieser Story überzeugt und gehen große Wetten auf eine Yuan Abwertung ein. Sie könnten dabei aber auf das vollkommen falsche Pferd setzen. Die Logik des oben beschriebenen Fortgangs ist absolut bestechend. Es ist jedoch nicht die einzige Erklärung für das, was wir sehen. Wir sehen vor allem den Rückgang der Dollarreserven und einen ziemlich abstrusen Yuan Kurs.

Die Sache liegt auf den ersten Blick auf der Hand, doch die Dinge sind selten so, wie sie scheinen. Nach mehreren Wochen von überraschenden Bewegungen des Marktes drängt sich nun ein Verdacht auf, was möglicherweise tatsächlich passiert.

In den vergangenen Wochen haben nicht nur Aktien große Bewegungen vollzogen, sondern vor allem auch Währungen. Der Yen hat gegenüber dem Dollar zeitweise 10 % an Wert gewonnen. Der Euro gewann kurzzeitig 8 % gegenüber dem Dollar. Kurz gesagt: seit Ende 2015 haben wir eine unerwartete Dollarschwäche. Das ist ungewöhnlich, gerade in Zeiten, in denen auf dem Aktienmarkt große Unsicherheit herrscht.

US-Anleger haben die Tendenz in unsicheren Zeiten ausländische Vermögenswerte zu veräußern und das Geld in den Dollarraum zurückzuholen. Das sorgt in volatilen Marktphasen für eine Dollaraufwertung. Der Dollar ist daher auch als sicherer Hafen bekannt. Das gilt auch für den Yen, doch die Kursgewinne der letzten Wochen kann man trotz allem nicht anders als bemerkenswert bezeichnen, denn die japanische Notenbank ist ja nicht gerade auf die gelpolitische Bremse gestiegen.

Japan senkte erst Ende Januar die Zinsen in den negativen Bereich. In der Eurozone sind wir dort bereits und es wird noch deutlich schlimmer. EZB Direktoren kündigen gerade wieder vollmundig weitere Lockerungen im März an. Obwohl nun also in Japan und in der Eurozone die Geldschleusen weiter geöffnet werden reagieren die Währungen mit einer Aufwertung. Wie kann das sein?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass China dafür verantwortlich ist. China will den Wechselkurs des Yuan liberalisieren. Der erste Versuch im Sommer 2015 ging ordentlich schief. Es hat Marktteilnehmer so sehr verschreckt, dass die Notenbank zurückrudern musste. Nach der Schockabwertung im August ging die Notenbank dann einen anderen Weg. Sie wertete den Yuan graduell ab. Das verleitete Hedgefonds dazu, den Yuan öffentlich zu Grabe zu tragen.

Inzwischen scheint China nun einen dritten Weg auszuprobieren. Da Anleger nach wie vor den Dollar/Yuan Kurs im Blick haben ist der Notenbank daran gelegen diesen Kurs nicht zu sehr in eine Richtung zu bewegen. Eine vorhersehbare Abwertungstendenz verleitet Spekulanten gegen den Yuan zu wetten. In der Folge lässt sich keine geordnete Liberalisierung durchführen.

Anfang Dezember 2015 erklärte die Notenbank, dass sie den Yuan gegenüber einem Währungskorb managen wird. Dieser Währungskorb besteht zu knapp 27 % aus dem Dollar. Der Euro macht knapp 22 % aus, der Yen 15 %. Kleinere Anteile entfallen auf den Hong Kong Dollar (6,6 %), den australischen Dollar (6,4 %), den Rubel (4,4 %) und das britische Pfund (3,8 %). Insgesamt enthält der Währungskorb 13 Währungen. Der Kursverlauf des Yuan ist gegenüber diesem Währungskorb und gegenüber dem Dollar in Grafik 1 abgebildet.

Wenn nun die chinesische Notenbank den Yuan gegenüber dem Dollar nicht abwerten kann, weil es Spekulationen und Kapitalflucht unterstützt, dann bleibt ihr nur die Möglichkeit die Wechselkurse der Währungen im Währungskorb gegenüber dem Dollar zu beeinflussen. Anstatt den Yuan gegenüber dem Dollar abzuwerten wird einfach der Dollar gegenüber anderen Währungen (vor allem Euro, Yen, Pfund und australischen Dollar) abgewertet.

Seit China den Yuan offiziell gegenüber dem Währungskorb managt (seit Anfang Dezember 2015) wertet der Dollar gegenüber vielen Währungen nicht mehr auf, er wertet gegenüber den Währungen in dem Währungskorb sogar tendenziell ab. Das ist schon ein außergewöhnlicher Zufall.

Das Management der Währung gegenüber einem Währungskorb kann nur gelingen, wenn China seine Devisenreserven entsprechend umschichtet. China veröffentlich die Zusammensetzung seiner Reserven nicht. Man kann also nur mutmaßen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass China wegen der Dollarbindung früher fast 100 % seiner Reserven in Dollar hielt. Das waren einmal 4 Billionen Dollar.
Eine Konzentration der Reserven in Dollar ist kontraproduktiv, wenn China die Währung nun gegenüber einem Währungskorb stabil halten will. China muss, um die Gewichtung der Währungen im Währungskorb zu erreichen, ungefähr 860 Mrd. Dollar verkaufen und damit 775 Mrd. Euro erwerben. Um die Gewichtung des Yen in den Reserven widerzuspiegeln müssen für den Gegenwert von 590 Mrd. USD Yen gekauft werden.

Das sind alles keine kleinen Summen und sind mehr als ausreichend, um die mysteriöse Dollarschwäche bzw. die Euro und Yen Stärke zu erklären. Durch die Neuausrichtung der chinesischen Währungspolitik kann man die Umschichtung der Reserven als sehr wahrscheinlich bezeichnen. Es ist daher gut möglich, dass die EZB und Bank of Japan mit ihren zusätzlichen Lockerungen gegen einen extrem großen Käufer auf dem Markt vorgehen: China.

Notenbanken verstehen die Welt nicht mehr, sind verzweifelt und wissen nicht wie sie mit der Aufwertung der eigenen Währung umgehen sollen. Insbesondere ist das für Japan ein Problem. China untergräbt die Bemühungen der Abenomics durch die Änderung seiner Wechselkurspolitik. Japan kann dagegenhalten, doch verhindern können sie es nicht. Bis China die Neuausrichtung der Reserven vollzogen hat, kann noch viel Zeit vergehen. Das ist Zeit, in denen andere Notenbanken händeringend nach Möglichkeiten suchen werden, um ihre Währungen abzuwerten. Das zu erreichen wird schwierig, denn die Umschichtung der Reserven Chinas hat Ausmaße, die die QE Programme der Notenbanken übersteigen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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