Kommentar
13:37 Uhr, 02.08.2013

CFDs: Die unheilvolle Geschichte der „Bucket Shops“

Manchmal kann es für Trader sehr gewinnbringend sein, sich genauer mit der Geschichte der Finanzprodukte zu beschäftigen, die man jeden Tag verwendet. Besonders die Geschichte der CFDs und der Vorgängerprodukte ist sehr aufschlussreich für Privatanleger. CFDs werden von vielen Anlegern als neue Anlageform betrachtet, und diese Sichtweise ist auch nicht völlig falsch. CFDs wurden in den 1990er Jahren von der UBS-Niederlassung in London entwickelt.

Wer die Geschichtsschreibung der CFDs in den 1990er Jahren beginnen lässt und die Vorläufer nicht erwähnt, unterschlägt aber ein (unrühmliches) Kapitel der Börsengeschichte. Denn bereits Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in den USA die sogenannten „Bucket Shops“, in denen Privatanleger mit geringem Kapitaleinsatz und hohem Verlustrisiko spekulieren konnten. In dem Börsenklassiker „Reminiscences of a Stock Operator“, in dem die Geschichte des legendären Spekulanten Jesse Lauriston Livermore in verfremdeter Form erzählt wird, werden auch die „Bucket Shops“ ausführlich beschrieben.

Die Transaktionen, die in den Bucket Shops abgewickelt wurden, hatten große Ähnlichkeit mit den heutigen CFD-Geschäften. Damals wie heute wurden keine realen Wertpapiere gehandelt. Auch CFDs sind keine echten Wertpapiere. Es handelt sich vielmehr um einen Vertrag über den Barausgleich der Kursentwicklung eines Basiswerts.In den Bucket Shops fanden die hochgehebelten Transaktionen nur auf dem Papier statt – auch wenn einige Bucket Shops dies verschleierten, indem sie ihren Kunden beispielsweise (gefälschte) Ausführungsbestätigungen der Börsen zukommen ließen.

Bei den Bucket Shops war es letztlich eindeutig, dass sie gegen ihre Kunden spekulierten. Kaufte ein Kunde (auf dem Papier) einen bestimmten Basiswert, so hoffte der Betreiber des Bucket Shops einfach darauf, dass der Kunde früher oder später ausgestoppt wurde. Da die Geschäfte in den Bucket Shops auf Marge liefen, wurde bereits bei Abschluss des Geschäftes implizit ein sehr enger Stopp-Kurs vereinbart, bei dem die Wette des Kunden wertlos verfiel. Ein automatischer Stopp-Loss gewissermaßen. Wegen des engen Stopps wurde ein hoher Prozentsatz aller Wetten früher oder später ausgestoppt – der Kunde verlor also seinen Einsatz.

Weil die Bucket Shop einerseits die Positionen der Kunden kannten und andererseits die Kurse selbst festlegen konnten, waren die Bucket Shops echte Gelddruckmaschinen für die Betreiber. Die Kurse in den Bucket Shops wurden immer wieder künstlich in die eine oder andere Richtung bewegt, damit die Kunden ausgestoppt wurden. Ein Verhalten, das man auch von heutigen CFD-Anbietern kennt. Zwischen Bucket Shop und Kunde bestand ein unauflöslicher Interessenkonflikt. Weil die Geschäfte nicht an den Kapitalmarkt weitergegeben wurden, waren die Gewinne der Bucket Shops identisch mit den Verlusten der Kunden.

Übrigens gab es trotz der Waffenungleichheit zwischen den Bucket Shops und ihren Kunden durchaus einige wenige Kunden, die mehr in den Bucket Shops verdienten als sie verloren. Diese Kunden konnten wegen des hohen Hebels, der geringen Spreads und der sofortigen Ausführung sogar Geschäfte durchführen, die an realen Börsen nicht möglich gewesen wären. Ganz wenige Spekulanten fuhren in den Bucket Shops große Gewinne ein. Jesse Lauriston Livermore war das Paradebeispiel. Auch er feierte seine frühen Erfolge in Bucket Shops. Kunden wie Livermore waren aber in den Bucket Shops nicht gern gesehen und wurden früher oder später vertrieben – so wie Kunden in Spielcasinos, die über lange Zeit auffällig hohe Beträge gewinnen.

Heutige CFD-Anbieter sind in der Regel gleichzeitig Market Maker und Broker der Kunden. Im Idealfall geben die CFD-Anbieter die Geschäfte ihrer Kunden an den Kapitalmarkt weiter. Nehmen sie eine Absicherung vor, so spekulieren sie nicht selbst darauf, dass der Kunde sein Geld verliert. In diesem Fall verdienen die CFD-Anbieter nur an den Spreads, also dem Unterschied von Kauf- und Verkaufskurs.

Sichern sich CFD-Anbieter nicht oder nicht vollständig ab, so spekulieren sie letztlich gegen ihre Kunden. Was die Kunden verlieren, verdient der CFD-Anbieter. Ein in Europa nicht unbedingt illegales, aber sicher trotzdem unmoralisches Geschäftsmodell. Bucket Shops wurden übrigens in den USA bereits Ende der 1920er Jahre verboten, und auch CFDs sind heute in den Vereinigten Staaten nicht erlaubt.

Oliver Baron

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Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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