Kommentar
10:02 Uhr, 06.09.2017

Bundestagswahl: Überraschung noch möglich !?

Merkel gilt als Siegerin der anstehenden Wahlen als gesetzt. Selbst wenn es so kommt, muss das nicht bedeuten, dass sie regiert.

Martin Schulz hat es wirklich nicht leicht. Er kämpft gegen eine Regierungschefin, die so fest im Sattel sitzt wie man eben nur in einem Sattel sitzen kann. Bis auf ein Strohfeuer konnte Schulz nichts entfachen (Grafik 1). Für einen kurzen Moment überholte die SPD die CDU/CSU in den Umfragen. Davon ist nicht viel geblieben.


Immerhin liegt die SPD in den Umfragen wieder bei 24 %. Das ist in etwa so viel wie vor der Flüchtlingskrise. Ein Lob ist das wohl kaum. Bei den letzten Bundestagswahlen erreichte die SPD 25,7 %. Derzeit würde sie darunter liegen. Immerhin wäre es besser als das Ergebnis 2009. Damals wurden lediglich 23 % erreicht.
Ein Problem für Schulz ist die mangelnde Wechselstimmung. Die wirtschaftliche Lage ist solide, die Arbeitslosigkeit so niedrig wie lange nicht und irgendwie scheint Deutschland den knausrigen Finanzminister den Sozialdemokraten vorzuziehen, die Geld gerne mit vollen Händen ausgeben wollen.

Das Verbrauchervertrauen (Grafik 2) ist derzeit relativ hoch. Doch selbst wenn es niedrig wäre, hätte das wenig zu bedeuten. Es lässt sich nicht einmal annähernd eine Wechselstimmung erkennen, selbst wenn das Vertrauen niedrig ist. In anderen Ländern verhält es sich ganz anders. Ist die Verbraucherstimmung in den USA schlecht, ist auch die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel größer.

Bis zur Wahl wird sich also nicht mehr viel tun – Kanzlerduell hin oder her. Ein paar Prozentpunkte kann es noch in die eine oder andere Richtung gehen. Am Ende dürfte Merkel jedoch die Wahl gewinnen. Und dann?

Erst dann wird es interessant. Die Wahl selbst ist auf den Spitzenplätzen wenig interessant. Immerhin gibt es ein spannendes Rennen um Platz 3. Hier tummeln sich Grüne, FDP, Linke und AfD innerhalb einer sehr engen Schwankungsbreite.

Die Union wird sich nach der Wahl damit auseinandersetzen müssen, mit welchen der vier Anwärter auf Platz 3 sie verhandeln will. Dabei ist es alles andere als gesetzt, dass die Union nur einen Koalitionspartner braucht. Nach derzeitigen Umfragen braucht es zwei Koalitionspartner. Lassen sich die Sozialdemokraten nicht wieder auf eine Koalition mit CDU/CSU ein, wird es also sehr spannend.

Aufregend wird es für Merkel auch deswegen, weil Horst Seehofer wie ein Damoklesschwert über ihr hängt. Er hat den Mund vor einem halben Jahr noch sehr voll genommen. Einen Koalitionsvertrag, der keine Flüchtlingsobergrenze beinhaltet, würde er nicht unterschreiben. Merkel muss also praktisch auch mit der CSU wie mit einer anderen Partei verhandeln.

Die CSU war in dieser Legislaturperiode häufiger Opposition als Regierungspartei. Selbst wenn Merkel nur eine der kleineren Parteien braucht, ist es praktisch schon eine Dreierkoalition. Es ist unrealistisch davon auszugehen, dass die CSU Forderungen mit einer Beteiligung der Grünen zu vereinbaren sind. Diese, wie Merkel selbst, lehnen eine Obergrenze ab.

Persönlich gehe ich davon aus, dass es nicht zu einer Koalition aus Union und FDP reichen wird. Stellt sich die SPD gegen eine weitere Koalitionsbeteiligung, kommt die große Überraschung: Neuwahlen. Die Union muss vermutlich mit zwei weiteren Parteien Verhandlungen führen. Dass sich die Positionen vereinbaren lassen, ist unwahrscheinlich.

Dieses Dilemma, welches auf Merkel zukommt, hat auch etwas Gutes. Es gibt unter der derzeitigen Konstellation keinen Anreiz taktisch zu wählen. Man kann aus Lust und Laune sein Kreuz dort machen, wo die Überzeugung ist.

Clemens Schmale

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7 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Es ist durchaus amüsant, auch bei den Prognosen zur Bundestagswahl zu beobachten, dass den meisten Kommentatoren der Wahlausgang schon Wochen vor der Abstimmung völlig "sicher" erscheint. Das erinnert doch stark an die Vorhersagen zum Brexit, wie auch zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA.

    Einstweilen kann man nur festhalten, dass die Zustimmungswerte der etablierten Parteien abbröckeln - und einen Faktor sollte man dabei nicht unterschätzen: Wut und Enttäuschung über die Merkel-Politik könnte deutlich mehr bisherige Nichtwähler in die Wahlkabinen treiben als in früheren Jahren.

    11:27 Uhr, 07.09. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • lippes
    lippes

    Sehr geehrter Herr Schmale,

    die CSU als eigene Fraktion zu sehen, kann doch nicht Ihr Ernst sein? Die Beiden Schwesterparteien CDU-CSU sind schon immer einig geworden. Dann wird es halt eine Obergrenze für Einwanderungen geben. Frau Merkel ist flexibel, jedenfalls kenne ich sie so. Zusammen mit der SPD reicht es doch schon und wenn nicht, kommt halt die FDP mit an Bord. Koalition der Willigen.

    Ich finde, erlauben Sie mir diese Bemerkung, dieser Artikel lädt noch nicht einmal zum Spekulieren ein.

    01:58 Uhr, 07.09. 2017
  • nodey88
    nodey88

    Es ist unrealistisch davon auszugehen, dass die CSU Forderungen ... stellt?

    Es ist unrealistisch davon auszugehen, dass die CSU Forderungen mit einer Beteiligung der Grünen ... verbindet?

    Es ist unrealistisch davon auszugehen, dass die CSU Forderungen mit einer Beteiligung der Grünen zu vereinbaren sind?!?!

    Ach, gemeint sind "CSU-Forderungen"! Der Bindestrich, ein auf GMT sehr vernachlässigter Sprachbestandteil ... ;-)

    21:45 Uhr, 06.09. 2017
  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    Stimmt, es ist eigentlich völlig egal, wer die Wahl gewinnt. Denn am Ende darf der Steuerzahler wieder jeden noch so kruden Mist zahlen. Bei den Abgaben ist sicherlich noch Potential nach oben schätze ich. Schliesslich kosten die Sozialsysteme und sozialen Hängematten von Monat zu Monat mehr.... *hust*

    15:26 Uhr, 06.09. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Rudi1
    Rudi1

    Sie glauben doch nicht etwa wirklich, das dieser Lederhosenseppl, von einer Regierungskoalition ausscheren wird! Der wird Merkel doch auf alle Fälle zur mehrheit verhelfen!

    10:49 Uhr, 06.09. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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