Fundamentale Nachricht
10:36 Uhr, 09.02.2015

Bund-Future: Die Mär von der 160!

Der Bund-Future notiert nur knapp unter der Marke von 160. Diese Schwelle hat aber keinerlei Bedeutung und kann aus mehreren Gründen auch mühelos überschritten werden.

Erwähnte Instrumente

Im Zusammenhang mit dem Bund-Future ist regelmäßig von der ominösen Zahl 160 zu hören. Teilweise ist von einem theoretischen Maximalwert die Rede, da die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen im negativen Bereich liegen müsste, wenn der Bund-Future über 160 Prozent notiert. Ich habe auch schon davon gelesen, dass der Bund-Future rechnerisch gar nicht über 160 steigen könne. Dies verleitet einige Trader, auf einen fallenden Bund-Future zu spekulieren, da der Kurs ja scheinbar kaum noch höher steigen kann – das ist aus zweierlei Gründen ein Irrglaube und schlichtweg falsch! Einerseits sind negative Renditen bei zehnjährigen Bundesanleihen weder auszuschließen, noch wäre das außergewöhnlich. Dazu genügt ein Blick auf unsere Nachbarländer Dänemark und Schweiz. Zehnjährige Staatsanleihen beider Länder rentieren schon jetzt im negativen Bereich. Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass das bei Bundesanleihen nicht möglich ist, zumal die Europäische Zentralbank (EZB) im März damit beginnen wird, massiv Staatsanleihen aufzukaufen. Andererseits liegt die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen bei einem Bund-Future-Stand von 160 NICHT bei null wie das allgemein angenommen wird. Warum das so ist, werde ich nachfolgend erläutern.

Was ist der Bund-Future?

Der Bund-Future ist ein Terminkontrakt, der sich auf eine fiktive Bundesanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem Kupon von sechs Prozent bezieht. Der Nominalwert eines Kontraktes beträgt 100.000 Euro. Am Liefertag ist der Verkäufer des Kontrakts verpflichtet, Anleihen zum vereinbarten Preis an den Käufer zu liefern. Da im Kontrakt eine fiktive Bundesanleihe unterstellt ist, wählt die Eurex Clearing AG tatsächlich existierende Anleihen aus, mit denen die Lieferverpflichtung erfüllt werden kann. Deren Restlaufzeit muss zwischen 8,5 und 10,5 Jahren liegen. Hier ist schon die erste wesentliche Abweichung zur fiktiven Bundesanleihe erkennbar. Zudem müssen die Schuldverschreibungen keinen Kupon von sechs Prozent haben.

Aus der folgenden Tabelle können Sie entnehmen, welche Anleihen bei dem im März 2015 fällig werdenden Bund-Future-Kontrakt geliefert werden können:

ISIN

Kupon (%)

Fälligkeitstermin

Konvertierungsfaktor

DE0001102333

1,75

15.02.2024

0,71244

DE0001102358

1,5

15.05.2024

0,689206

DE0001102366

1

15.08.2024

0,647558

DE0001102374

0,5

16.01.2025

0,597048

Konvertierungsfaktor

Da die Anleihen unterschiedliche Restlaufzeiten und Kupons aufweisen, werden sie mit Hilfe des Konvertierungsfaktors vergleichbar gemacht. Der Konvertierungsfaktor wird von der Eurex Clearing AG bestimmt. Er gibt an, bei welchem Kurs die Anleihe am Liefertermin notieren müsste, um eine Rendite zu erzielen, wie bei der dem Bund-Future zugrundeliegenden fiktiven Anleihe (6%).

Der Konvertierungsfaktor wird außerdem dazu verwendet, um am Liefertag des Futures den Cash-Betrag zu ermitteln, der vom Käufer an den Verkäufer zu bezahlen ist. Dazu später mehr.

Welche Anleihe wird geliefert?

Nach dem Cheapest-To-Deliver (CTP)-Prinzip darf der Verkäufer des Futures die Anleihe auswählen, die ihn am wenigsten kostet. Als Faustregel lässt sich die CTD-Anleihe bestimmen, in dem man die Anleihe wählt, deren Quotient aus Kassakurs und Konvertierungsfaktor am niedrigsten ist. Diese Anleihe ist dann auch für den Kurs des Bund-Futures maßgeblich. Bei dem im März 2015 auslaufenden Kontrakt ist das die Anleihe mit einem Kupon von 1,75 Prozent.

Wie wird der Abrechnungspreis ermittelt?

Um den Cash-Betrag zu ermitteln, den der Käufer bei Lieferung an den Verkäufer zahlen muss, wird der Preis des Bund-Future-Kontrakts mit dem Konvertierungsfaktor multipliziert.

Beispiel:

Der Bund-Future notiert aktuell bei 158,45. Der Käufer des Kontrakts müsste für die oben genannte CTD-Anleihe also 112.887 Euro* bezahlen. Der Kassakurs der Anleihe (Stand 6. Februar) liegt bei 113,018 (Rendite rund 0,29%). Der Verkäufer des Future-Kontrakts muss für den Kauf der Anleihe also 113.018 Euro aufwenden. Er würde damit einen Verlust von 131 Euro machen. Das sagt aber noch nichts über den Gewinn/Verlust der Gesamtposition für den Verkäufer aus. Der Verkäufer eines Futures muss die Anleihe kaufen und die Anschaffung refinanzieren. Derzeit sind die Refinanzierungsbedingungen äußerst günstig. Banken können sich bei der EZB Mittel schon zu 0,05 Prozent beschaffen. Am Interbankenmarkt sind die Zinsen im kurzfristigen Bereich sogar negativ. Im Gegenzug vereinnahmt der Verkäufer des Futures bis zum Liefertag die anfallenden Kuponanteile. Die Preisfindung des Bund-Futures hängt daher auch von diesen Arbitrageüberlegungen ab. Je näher der Liefertermin rückt, desto weniger spielen diese Zinsdifferenzen bei der Refinanzierung eine Rolle.

Welche Rendite weist die CTD-Anleihe bei einem Bund-Future von 160 auf?

Beim aktuellen Kurs liegt die Rendite der CTD-Anleihe bei rund 0,29 Prozent. Wenn der Bund-Future am Liefertermin bei 160 steht, müsste der Käufer des Kontrakts 113.990 Euro** zahlen. Da Arbitrageüberlegungen am Liefertermin keine Rolle mehr spielen, würde die Anleihe bei einem Bund-Future-Preis von 160 bei rund 113,99 Euro notieren. Das entspräche einer Rendite von 0,17 Prozent.

Wo steht der Bund-Future bei einer Rendite von null?

Der Kurs der CTD-Anleihe müsste am Liefertag etwa bei 115,70 liegen, damit sich eine Rendite von null ergibt. Der Bund-Future läge in diesem Fall bei etwa 162,40***. Wir sprechen hier aber immer noch von der Rendite einer etwa neunjährigen Anleihe. Wenn eine Bundesanleihe mit einer Restlaufzeit von neun Jahren eine Nullrendite aufweist, dann rentieren sich zehnjährige Anleihen wohl immer noch mit etwa 0,10 Prozent. Grob überschlagen würde der aktuelle Bund-Future-Kontrakt im Bereich von 163,50 bis 163,70 notieren, wenn die Rendite für zehnjährige Anleihen auf null sinkt. Damit dürfte der Mythos der 160 Punkte-Marke klar widerlegt sein.

Kurssprünge bei Kontraktwechsel

Der Kurs des Bund-Futures orientiert sich am Kassapreis der CTD-Anleihe. Dadurch kann es bei einem Kontraktwechsel zu einem erheblichen Preissprung beim Bund-Future kommen. Der Grund hierfür liegt in den unterschiedlichen Parametern, die dem fairen Wert des Futures zugrunde liegen. Insbesondere kann ein anderer Bond die Stellung der CTD-Anleihe einnehmen, wodurch sich die Berechnungsgrundlage ändert.

Fazit

Da sich der Bund-Future auf eine fiktive Bundesanleihe bezieht, kann man ihn nicht mit einer realen Anleihe vergleichen. Durch das CTD-Prinzip und den Konvertierungsfaktor ergeben sich erhebliche Differenzen, die dazu führen, dass der Bund-Future schon bei einer positiven Anleiherendite über die Marke von 160 steigen kann.

* 158,45/100 x 100.000 x 0,71244

** 160/100 x 100.000 x 0,71244

*** 115,70/0,71244

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13 Kommentare

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  • The Big Short 2019
    The Big Short 2019

    @Thomas Gansneder

    ein sehr interessanter Beitrag. Heute (ca 4,5 Jahre später) haben wir nun eine neues Allzeithoch bei 174,50 gesehen. Wie würde bei diesem Niveau die negative Rendite unter Berücksichtigung der aktuellen CTA Anleihe aussehen? Und auch sehr spannend wäre es zu wissen wo die negative Rendite es bei einem Bund Future von 182,37 stehen würde (wird jetzt schon als Kursziel bei der Charttechnik "ausgerufen") Selbst wenn die 182 aus chartechnischer Sicht vielleicht begründbar wäre - macht sie denn auch aus fundamentaler Sicht überhaupt noch Sinn? Irgendwann muß doch auch bei den Investoren in solche Anleihen eine "Schmerzgrenze" erreicht sein, was sie bereit sind an negativer Rendite in Kauf zu nehmen ???

    10:54 Uhr, 24.07.2019
    1 Antwort anzeigen
  • 0815
    0815

    ​An alle Bund Shorties!!

    Es gibt doch kein Szenario, wo Deutschland plötzlich mehr Zinsen zahlt und die anderen gleich bleiben. Im Gegenteil, wenn dann steigen die Renditen in den anderen Ländern um ein Vielfaches zu Deutschland. Also lieber dort shorten und das Depot schonen. Ein Short auf den Bund anstatt auf Frankreich oder Italien ist eine Wette darauf, dass Deutschland Pleite geht und die anderen aufblühen nichts anderes. Ansonsten wäre man ja nicht so blöd und würde das stärkste Land shorten.

    Wenn Mario nach Dicke Bertha und QE auch noch die adipöse Hilde auffährt ists mit Anleiheshorts sowieso auf Jahre aus die Maus :D Damit meine ich QE XXL "forever". :D

    Und "natürliche Grenzen" werden aktuell auch in der Schweiz deutlich gebrochen. Kann mir gut vorstellen, dass dies auch nicht nur "äußerst kurzfristig" der Fall sein wird ;)

    17:27 Uhr, 09.02.2015
    1 Antwort anzeigen
  • House of Doom
    House of Doom

    http://www.welt.de/wirtschaft/article128893318/Das...


    Schöner Kommentar.

    Nur müsste ihn die Planwirtschaftler der EZB auch lesen und verstehen.

    Ein Wahnsinn, was hier läuft.

    Aber den Markt kann niemand auf Dauer bändigen und manipulieren. Er wird sich mit voller Wucht irgendwann von allen Manipulationen und Verzerrungen befreien - wenn niemand es erwartet. Dann hat die Zinsklempnerei ein Ende. Und der echte Marktzins wird regieren.

    Viele werden sich noch wundern....



    14:48 Uhr, 09.02.2015
  • bembes
    bembes

    ​Sie haben sich mit dem Bericht sehr viel Mühe gegeben. Dennoch betrachte ich es als Schwachsinn wenn jemand zukünftig noch Anleihen kauft um anschließend MINUS-Zinsen

    zu erzielen. So blöd ist hoffentlich keine Kapitalist !! Und was das Anleihenkaufprogramm

    der EZB betrifft gehe ich mal davon aus, dass die EZB in Deutschland gar keine Anleihen

    kaufen kann. Ein Investor, welche Anleihen mit einem Zins z.B. von 2 % noch im Depot

    hat, wird sicher nicht an die EZB verkaufen um anschließend NULL oder MINUS-Zinsen

    zu bekommen.

    Oder sehe ich das falsch ??

    12:25 Uhr, 09.02.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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