Kommentar
16:30 Uhr, 28.10.2021

Bringen steigende Löhne den Aktienmarkt unter Druck?

Arbeitskräftemangel ist derzeit ein globales Phänomen. Die Löhne steigen entsprechend. Im Umkehrschluss steigen so die Kosten für Unternehmen. Wird das für den Markt zum Problem?

Arbeitnehmer waren seit Jahrzehnten nicht mehr in einer so guten Lage wie heute. Trotz niedriger Arbeitslosigkeit in den USA und vielen europäischen Ländern stiegen die Löhne kaum. Arbeitnehmer nahmen am Aufschwung nicht richtig teil. In einigen Ländern sanken die Reallöhne sogar weiter.

Damit ist seit Pandemiebeginn Schluss. Löhne steigen so schnell wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das gilt auch nach Abzug der Inflation. Der Grund dafür ist eine Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot von Arbeit. Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitnehmern, doch diese bieten ihre Arbeitskraft nur zögerlich an.

Je nach Land ist die Ausprägung dieser Diskrepanz verschieden. Besonders stark ist sie in den USA ausgeprägt. Viele Haushalte konnten während der ersten 18 Monate der Pandemie viel sparen, nicht zuletzt wegen Geldgeschenken der Regierung. Aktuell ist der Druck gering, sofort einen Job zu finden.

Gleichzeitig sind viele offene Stellen nicht attraktiv. Viele sind nicht mehr bereit, zu Mindestlöhnen drei Jobs zu machen, um gerade so überleben zu können. Unternehmen müssen mehr bieten. Bis zu einem gewissen Grad mussten sie das auch schon vor der Krise. Die Krise hat den Trend lediglich beschleunigt.

Damit endet ein Trend, der in den 70er Jahren begonnen hat. Seit den 70er Jahren steigt die Produktivität an. Die Reallöhne konnten jedoch nicht mithalten (Grafik 1). Arbeitnehmer hatten wenig davon, dass mit gleichen Ressourcen mehr hergestellt werden konnte.

Entsprechend fiel der Lohnanteil an der Wirtschaftsleistung (Grafik 2). Der Lohnanteil war unter gewissen Schwankungen bis in die 70er Jahre stabil. Danach sank dieser kontinuierlich bis 2013. Seither deutet sich ein Trendwechsel an.


Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Politik, die in den 70er Jahren begann und Unternehmen gegenüber Arbeitnehmern begünstigte, findet ein Ende. Überall auf der Welt zeugen Wahlergebnisse davon, dass eine andere Politik notwendig ist. Der Trend hat begonnen, ist aber noch lange nicht am Ende.

Das wirft unweigerlich die Frage auf, ob der Aktienmarkt damit in Zukunft anders bewertet werden muss. Steigt der Lohnanteil, senkt das die Margen der Unternehmen. Niedrigere Margen bedeuten, dass die Gewinne langsamer wachsen und Gewinne sind das, was die Kurse langfristig bestimmt.

Die Bewertung, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, müsste bei einem Trendwechsel also eigentlich sinken. Das wäre nur logisch und konsequent. Für Anleger gibt es hier aber eine gute Nachricht. Historisch betrachtet gibt es keinen belastbaren Zusammenhang. Die Bewertung konnte steigen und fallen, vollkommen unabhängig vom Lohnanteil an der Wirtschaftsleistung (Grafik 3).

Die Schlussfolgerung ist damit wenig eindeutig. Die Bewertung kann sinken, muss aber nicht. Das ist immerhin eine bessere Schlussfolgerung für Anleger als eine zwingend niedrigere Bewertung, wenn der Lohnanteil steigt.

Bild 1.pngBild 2.pngBild 3.png

Clemens Schmale


Tipp: Als Abonnent von Godmode PLUS sollten Sie auch Guidants PROmax testen. Es gibt dort tägliche Tradinganregungen, direkten Austausch mit unseren Börsen-Experten in einem speziellen Stream, den Aktien-Screener und Godmode PLUS inclusive. Analysen aus Godmode PLUS werden auch als Basis für Trades in den drei Musterdepots genutzt. Jetzt das neue PROmax abonnieren!

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • waldis2001
    waldis2001

    ich habe da mal eine Frage bringt den Aktienmarkt überhaupt was unter Druck.

    18:27 Uhr, 28.10.2021
    1 Antwort anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten