Kommentar
11:02 Uhr, 30.11.2015

Brasilien: Letzter Abverkauf vor dem Turnaround?

Brasilien hat es unter den großen Schwellenländern besonders hart erwischt. Die Stimmung ist extrem negativ. Gleichzeitig zeigen sich erste positive Signale auf der fundamentalen Seite.

Brasilianische Aktien arbeiten seit Ende August an einem mittelfristigen Boden. Dieser Boden könnte auch langfristig von Bedeutung sein. Grafik 1 zeigt den Monatschart des brasilianischen Leitzindex seit 1997. Seit 2007 hat sich nicht mehr viel getan. Nach der Finanzkrise erreichte der Index im Jahr 2010 noch einmal sein bisheriges Hoch bei 73.000 Punkten. Seither geht es in einem zermürbenden Prozess langsam nach unten.

Bei 45.000 Punkten konnte der Index nun seit 2013 bereits wieder 4 Mal nach oben drehen. Solange die Marke von 45.000 Punkten hält stehen die Chancen auf einen Boden sehr gut, auch wenn Brasilien in den Medien nicht gerade mit Lob um Ruhm bekleckert wird. Man kann die negativen Nachrichten zu Brasilien allerdings auch als ein positives Signal auffassen, denn wenn die Stimmung besonders schlecht ist, haben die meisten, die aus dem Markt rausgehen wollten, verkauft.

Wirtschaftlich gibt es einen ersten Lichtblick am Ende des Tunnels. Nach der Herabstufung der Bonität des Landes und des größten Unternehmens (der Ölriese Petrobras), des größten Korruptionsskandals des Landes (Regierung und Petrobras), einer Rezession, steigender Inflation und steigender Zinsen gibt es Signale der Entspannung.

Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen sind von 17% innerhalb kurzer Zeit auf 15% gefallen. Das geschieht in einem Umfeld nach wie vor hoher Inflation (knapp 10%). Zieht man die Inflation von der Rendite der Anleihen ab, dann bleibt gemessen am Bonitätsrating nicht mehr viel übrig. Investoren gehen eine solche Spekulation nur ein, wenn sie auf sinkende Inflation und weiter sinkende Zinsen setzen.

Die Renditen von Staatsanleihen sind wiederum ein Gradmesser für das Investment-Sentiment. Staatsanleihen werden von internationalen Investoren gehalten. Sehen sie dunkle Wolken aufziehen, dann sind sie die ersten, die fliehen. Durch die Kapitalflucht steigen die Renditen schnell und plötzlich an. Ein finaler Sell-Off zeigt meist eine Trendumkehr an. Einen solchen Sell-Off gab es im September 2015.
International ist Brasilien aufgrund der schwachen Währung wieder sehr wettbewerbsfähig geworden. Die Arbeitskosten sind um 45% gefallen. Im internationalen Wettbewerb ist das ein großer Vorteil. Dieser Vorteil ist letztlich an den Wert der Währung geknüpft, doch eine moderate Aufwertung der Währung macht Brasilien auch nicht konkurrenzunfähig. Das Schicksal der Wirtschaft ist ohnehin stark von der Währung abhängig. Entsprechend entwickeln sich Währung und Aktien parallel (Grafik 2).

Ein Halt der Währungsabwertung würde die Inflation sinken lassen. Das gibt der Notenbank den Spielraum die Leitzinsen zu senken. Ohne Zweifel würde das der Wirtschaft unter die Arme greifen, doch auch ohne eine Aufwertung der Währung gibt es erste Anzeichen für Entspannung.

Während das produzierende Gewerbe nach wie vor schwarz sieht sind Dienstleister deutlich zuversichtlicher. Der Einkaufsmanagerindex des nicht verarbeitenden Gewerbes stabilisiert sich. Der Index des Verbrauchervertrauens scheint einen Boden auszubilden.

Auch ausländische Unternehmen und Investoren scheinen langsam ihr Interesse zurückzugewinnen. Nachdem die ausländischen Direktinvestitionen von 10 Mrd. Dollar pro Monat auf 3 Mrd. einbrachen stabilisieren sie sich nun über der Marke von 5 Mrd.

Die Anzeichen sind positiv. Den Turnaround garantieren kann natürlich niemand. Eine erste, spekulative Position kann in den kommenden Tagen Sinn machen. Der brasilianische Leitindex fällt gerade zurück zu seiner bisherigen „Betonunterstützung“ bei 45.000 Punkten.

Der Anlagehorizont sollte mittel- bis langfristig sein. Man darf deswegen jedoch nicht die kurzfristigen Signale ignorieren. Fällt der brasilianische Leitindex unter 45.000 Punkte zurück muss die Position schnell überdacht werden. Fällt die seit Jahren gültige Unterstützung bei 45.000 kann der Index bis 30.000 zurückfallen. Investieren kann man über ETFs, z.B. den iShares MSCI Brazil (ISIN IE00B59L7C92). Dieser ETF ist nicht währungsgesichert.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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