Kommentar
06:46 Uhr, 28.07.2017

"Bond King" sagt Rezession voraus - und zwar schon bald!

Bill Gross gilt zwar seit Jahren nicht mehr in dem Maße wie früher als "Bond-König", doch seine Worte haben noch immer Gewicht. Gerne werden seine Newsletter aufgenommen. Er provoziert halt auch gerne.

Bill Gross hatte mit seinen Prognosen zuletzt wenig Glück. Keine trat ein. Seine Argumente sind aber nichtsdestotrotz stichhaltig. Sein neuerster Geniestreich: Traue der Zinskurve nicht. Die Zinskurve (gemeint ist eigentlich die Zinsdifferenz, der Spread, zwischen der 10- und 2-jährigen Anleiherendite) ist derzeit noch gesund, aber...

Der Spread steht bei knapp 1 %. Das ist nicht weiß Gott wie viel, aber genug für eine Fortsetzung des Aufschwungs. Der Spread wird seit Jahren enger. Hält das derzeitige Tempo an, dann wird der Spread in 18 bis 24 Monaten negativ. Ein negativer Wert kündigt eine Rezession zuverlässig an – und zwar seit Jahrzehnten.

Gross argumentiert nun, dass die Rezession schon viel näher ist. Man kann dem Spread nämlich nicht trauen. Dazu hat die Notenbank den Markt zu stark manipuliert. Diese Manipulation, die vor allem aus ungewöhnlich niedrigen Zinsen besteht, hat hinter den Kulissen zu großen Verwerfungen geführt.

Die niedrigen Zinsen wurden von den Notenbanken gesponsert, die zusammen über 15 Billionen Dollar in den globalen Finanzmarkt gepumpt haben. Dieses Geld ist zwar nicht dort angekommen, wo es ankommen sollte, aber es hat immerhin für historisch niedrige Zinsen gesorgt.

Die Zinsen waren und sind auch noch verführerisch tief. Unternehmen mit sehr gutem Bonitätsrating können Anleihen mit negativen Renditen ausgeben. Sie werden für die Aufnahme von Schulden bezahlt. Selbst Ramschanleihen sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Die Renditen von Ramschanleihen sind ebenfalls historisch niedrig.

Wenn die Zinsen so niedrig sind, dass einem das Geld nachgeschmissen wird, ist es schwer, der Versuchung zu widerstehen. Gross sieht genau darin das Problem. Unternehmen haben die niedrigen Zinsen genutzt, um sich bis unters Dach mit Schulden vollzuladen. Entsprechend sind die Unternehmen quasi mit Hebel unterwegs.

Nun steigen die kurzfristigen Zinsen. Früher oder später müssen Unternehmen ihre Schulden refinanzieren. Das geht dann nur unter höheren Zinsen. Vielen kann das relativ schnell das Genick brechen, haben sie doch regelrechte Schuldenorgien betrieben. Gerade kurzfristige Schulden, die vor kurzem noch zu 0 % aufgenommen werden konnten, stehen bald bei 2-3 %. Nicht jeder kann sich das leisten.

Wegen der hohen Schuldenberge glaubt Gross, dass bereits zwei bis drei weitere Zinsschritte zum Genickbruch führen können. Der Zinsspread ist dann noch immer positiv. Die Rezession würde trotzdem kommen. Der Spread muss also gar nicht negativ werden, um eine Rezession anzukündigen. Ein Wert im Bereich von 0,3-0,5 % sollte ausreichend sein, um zu einer Rezession zu führen.

Soweit, so gut. Gross lässt aber zwei Dinge unerwähnt. Erstens: Unternehmen haben sich vor allem langfristig verschuldet. Die Laufzeiten von Schulden wurden im Niedrigzinszyklus immer länger. Wenn die Refinanzierung zu einem Problem wird, dann erst in 5-7 Jahren. Zweitens: die Manipulation der Zinsen durch die Notenbanken verfälscht den Spread.

Die langfristigen Zinsen sind vermutlich niedriger, als sie ohne QE-Programme gewesen wären. Rechnet man diesen Effekt heraus, dann stünde der Spread heute vermutlich nicht bei einem Prozent, sondern bei 2 %. Der Spread hat also noch sehr viel Luft nach unten, bevor sich eine Rezession andeutet. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen ein leicht negativer Wert ausreichte, könnte diesmal ein Wert von mindestens -1 % notwendig sein, um zuverlässig einen Abschwung vorherzusagen.

Gross argumentiert mit den außerordentlichen Umständen, berücksichtigt aber nur eine Seite der Medaille. Das ist sicherlich gewollt, denn andernfalls wäre die Story weniger brisant und provokant. Persönlich würde ich jedenfalls wenig auf diese Warnung geben.

Clemens Schmale

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11 Kommentare

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  • amateur
    amateur

    Es gibt viele Wahrsager in dieser Branche - sie leben davon. Und jeder von ihnen trifft mal ins Schwarze - irgendwie, irgendwann. Für einen Anleger null Wert...

    08:28 Uhr, 28.07. 2017
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Es braucht keinen Bond King um zu erkennen, das die US-Wirtschaft auf dem Weg in die Rezession ist.

    08:24 Uhr, 28.07. 2017
  • barkovsky
    barkovsky

    klasse beitrag

    00:24 Uhr, 28.07. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • pilly
    pilly

    Wie sagte schon damals Karl Valentin:

    "Mit Prognosen sollte man vorsichtig sein, besonders wenn sie die Zukunft betreffen !"

    (in diesem Sinne..............)

    22:29 Uhr, 27.07. 2017
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Bond King hat die Haare schön :-)

    22:13 Uhr, 27.07. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • einfach
    einfach

    ich bin mir nicht sicher ob es taktische absicht oder kurzsichtigkeit ist, aber es sieht so aus als ob sich die meisten regierungen mit infrastrukturinvestitionen so lange zurückhalten möchten wie nur möglich, um im fall einer rezession den sonst zur verfügung stehenden zinsschritt nach unten mit einer geballten auftragsvergabe für infrastruktur zu füllen.

    billiges geld dafür ist ja genug vorhanden und einen zusätzlichen bip schub gibt es ebenfalls.

    21:25 Uhr, 27.07. 2017
  • Arktishecht
    Arktishecht

    Es wäre für Mr. Möchtegern besser, er würde schweigen. Wer mit seinen Prognosen....übrigens Prognosen !!!!!........wir brauchen diese Wichtigtuer nicht..............., so daneben liegt und "Dr. Allwissend" spielen möchte, na ja, wer braucht so was ??

    20:57 Uhr, 27.07. 2017
  • Hoeli
    Hoeli

    Bill Gross liegt meines Erachtens mit einem Großteil seiner Einschätzungen ganz richtig.

    Die Verschuldungsorgie vieler Unternehmen mit der durch die Notenbanken bereitgestellten Liquidität ist eklatant und fahrlässig. Und normalerweise würde ich zustimmen, dass viele dieser Unternehmen irgendwann Probleme bei der Refinanzierung bzw. Begleichung dieser Schulden bekommen.

    Doch bei der Unternehmensverschuldung wie auch bei der horrenden Staatsverschuldung heuer, wird keine Notenbank der Welt - weder Fed, EZB und schon gar nicht die BoJ - so an der Zinsschraube drehen wie es nötig wäre. Natürlich will weder eine Frau Yellen, ihr Nachfolger oder Herr Draghi für die nächste, (unausweichliche) weitaus größere Finanzkrise verantwortlich sein.

    Doch je länger das Unvermeidliche herausgezögert wird, desto wahrscheinlicher und gnadenloser sein Eintritt. Beim Russisch Roulette folgt auf fünf leere Kammern immer die Kammer mit der Patrone.

    18:59 Uhr, 27.07. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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