Kommentar
14:14 Uhr, 08.12.2017

Bombenstimmung, aber es bleibt viel zu tun

Wohin das Auge auch blickt, die Stimmung ist gut. Das gilt nicht nur für die Börse, sondern auch für die Realwirtschaft. Dabei geht vergessen, dass die Lage deutlich weniger rosig ist als die Stimmung.

Ein wenig bizarr ist die Situation schon. Wirtschaftlich feiern sich viele Länder selbst. Das drückt sich in der Wirtschaftsstimmung aus. In der Eurozone steigt diese nicht nur auf den höchsten Stand seit Beginn der Finanzkrise, sondern liebäugelt auch mit den historischen Allzeithochs. Die Stimmung war nie besser.

Das gilt nicht nur für die Wirtschaftsstimmung, sondern auch für die Konsumenten. Sie sind heute besser gelaunt als 2007/08. Nur zur Jahrhundertwende war die Stimmung ein klein wenig ausgelassener.

Die Eurozone ist nun ein Sammelsurium von ganz unterschiedlichen Ausgangslagen, doch selbst wenn man die Zahlen der einzelnen Länder betrachtet, zeigt sich kein anderes Bild. Man könnte ja meinen, dass Länder wie Deutschland die Gesamtwerte nach oben ziehen. Das ist nur bedingt der Fall.

In Deutschland ist die Wirtschaftsstimmung auf einem Allzeithoch. Nicht jedes Land markiert neue Euphoriezustände, doch viele sind kurz davor. Selbst Frankreich und Italien haben die bisherigen Höchstmarken in Griffweite. Einige Ausnahmen gibt es. Dazu gehört etwa Griechenland. Dafür reiht sich Zypern in den Reigen euphorischer Zustände ein.

Bei einem solchen Bild fragt man sich schon, ob man da etwas verpasst hat. Kann es wirklich sein, dass viele Länder vor Euphorie kaum noch atmen können? Ist die Lage wirklich so gut? Wohl kaum.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens einiger Länder, die nicht als typische Krisenländer gelten. Dargestellt ist das reale Pro-Kopf-Einkommen aus zwei Gründen. Einerseits zeigt das reale Einkommen, ob wirklich mehr Geld verfügbar ist und andererseits täuscht die Wirtschaftsleistung als Gesamtes über einen wichtigen Aspekt hinweg. So manche Volkswirtschaft kann zwar wachsen, doch die Bevölkerung wächst schneller. Das Pro-Kopf-Einkommen sinkt. Nun will man aber wissen, ob sich die Lage im Durchschnitt für jeden einzelnen verbessert hat.

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In Frankreich steht das Einkommen heute gerade einmal 1,5 % über dem bisherigen Hoch aus dem Jahr 2007. Ein Grund zu feiern? Wohl kaum. Ähnlich sieht es in Finnland aus und selbst in den USA, die eigentlich konstantes Wachstum ausgewiesen haben, hat sich das Einkommen seit 2007 lediglich um 6 % verbessert.

Die Lage ist selbst in den Ländern, die einigermaßen glimpflich davongekommen sind, alles andere als grandios. Man kann sich vorstellen wie es da in den Krisenländern selbst aussieht (Grafik 2). Von Irland abgesehen, müssen viele Länder noch viel aufholen. Spanien steht heute fast wieder dort, wo es 2007 war.

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In Griechenland ist die Lage besonders düster. Hier muss das Pro-Kopf-Einkommen noch um ein Drittel steigen, um den Wert aus 2007 wieder zu erreichen. In Italien geht praktisch nichts voran. Das Land befindet sich auf dem Niveau von 1998.

Kurz gesagt: es bleibt noch viel zu tun. Die Lage ist weitaus weniger rosig als die Stimmungsindikatoren vermuten lassen. Vielleicht liegt es einfach am Vergleichswert. Gemessen an der Lage 2008 und 2009 ist die Lage gut, gemessen an 2007 ist sie es nicht.

Ich bin zwar der Meinung, dass es die EZB etwas zu gut mit ihrer Geldpolitik meint, doch ganz daneben liegt sie auch nicht. Es gibt in der Eurozone noch viele Länder, die heute schlechter dastehen als vor der Krise. Wenn mindestens ein Jahrzehnt lang keine Verbesserung mehr erreicht wurde, kann man schon fast von einer verlorenen Generation sprechen. Das versucht wird, dagegen etwas zu tun, ist absolut richtig.

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1 Kommentar

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    EZB liegt trotzdem falsch und sie auch - man kann sich nicht aus einer Krise "drucken". Irgendwann und von irgendwem muss bezahlt werden. Sie glauben doch nicht im Ernst das die Nullen von der EZB die ersten sind die das in den letzten 2000 Jahren probiert haben!

    09:15 Uhr, 11.12. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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