Kommentar
10:54 Uhr, 11.12.2019

Börsensteuer? So nicht, mein lieber Scholzi!

Da es für die „große Lösung“ unter Einbeziehung aller Finanztransaktionen (auch außerbörslich) auf EU-Ebene keine Aussichten auf Einstimmigkeit gibt - das kann man nach vielen Jahren Diskussionen und Verhandlungen wohl so sagen - hat Finanzminister Scholz nun einen Gesetzentwurf für eine "kleine Lösung" vorgelegt.

Hier ein paar "Highlights"

  • 0,2 Prozent Steuer beim Kauf von Aktien (Ausnahme: Intraday-Handel).
  • Derivate und andere Instrumente nicht betroffen.
  • ab 1 Mrd. EUR Börsenwert.
  • vorr. 10 Staaten beteiligt.
  • Ausnahmen für IPOs.
  • Die Staaten sollen selbst entscheiden, ob Aktienfonds und ähnliche Produkte zur privaten Altersvorsorge besteuert werden.

Vorbild für diese Lösung ist der bereits praktizierte Ansatz in Frankreich, der "Ur-Vater" ist allerdings die "Stamp" in Großbritannien.


Exkurs

Die „Stempelsteuer“ (Stamp Duty Reserve Tax) ist eine Abgabe, die einseitig Aktien von Gesellschaften mit Sitz in Großbritannien betrifft, Anleihen und andere Papiere aber ausspart.

Die „Stamp Duty“ geht bereits auf das Jahr 1694 zurück und wurde hauptsächlich eingeführt, um den damals tobenden Krieg gegen Frankreich weiterhin finanzieren zu können – welch eine Ironie. War sie eigentlich darauf ausgelegt, das Abstempeln von Dokumenten und Schriftstücken mit einer Gebühr zu belegen, fand sie jedoch bald auf allerlei Alltagsgegenstände Anwendung und sollte später sogar in den britischen Kolonialgebieten Amerikas eingeführt werden. Dieses Vorhaben stoß allerdings auf harten Widerstand und gilt heute sogar als Mitauslöser des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Trotz dieses Rückschlages hatte die Steuer zumindest diesseits des Atlantiks weiter bestand und ist heute besonders in der Form sogenannten „Stamp Duty Reserve Tax“ (SDRT) vorhanden. Sie wurde 1986 entwickelt, um der Digitalisierung v.a. des Wertpapierhandels Rechnung zu tragen und ist das, worauf man sich heute in der Regel bezieht, wenn man von der britischen Stempelsteuer spricht. Die Standard Stamp Duty gibt es aber weiterhin und dient der Besteuerung tatsächlich physisch übertragener Wertpapiere.

Besteuert wird ausschließlich der Kauf von Aktien, Bezugsrechten und Anteilen an Investmentfonds mit pauschal 0,5 Prozent der Transaktionssumme. Es zahlt also ausschließlich der Käufer von Wertpapieren. Überhaupt erfasst von der Steuer werden allerdings nur Anteile an im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen – egal wo diese gehandelt werden. Da fast alle Aktien heimischer Unternehmen im System der britischen Wertpapiersammelbank verzeichnet sind, wird die Steuer beim Kauf automatisch abgezogen, an allen Börsenplätzen weltweit. So kamen zuletzt 40 Prozent der Steuereinnahmen von außerhalb. Die hauptsächliche Ausrichtung des Fokus auf die Besteuerung von Aktienkäufen hat allerdings die Möglichkeit eröffnet, diese Belastung zu umgehen. So wurden beispielsweise Differenzkontrakte (CFDs) in den 90er-Jahren bei der UBS in London entwickelt, um der Stempelsteuer aus dem Weg zu gehen.

Eigentlich sollte man meinen, die Briten verabschieden sich irgendwann selber wieder von der Stamp. Sie benachteiligt willkürlich Unternehmen mit Sitz im Königreich, setzt inhaltlich nicht nachvollziehbare Akzente und ist summa summarum ein abschaffungswürdiges Relikt alter Tage. Die Einführung erfolgte zum Zwecke der Kriegsfinanzierung vor mehr als 300 Jahren. Das hat sie mit der deutschen Schaumweinsteuer („Sektsteuer“) gemeinsam. Kaiser Wilhelm II. etablierte sie 1902 zum Zwecke der Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte. Die Flotte sank, die Steuer blieb.

Exkurs Ende


Ein Teil der bisherigen Begründungen zur Einführung einer breiten Finanztransaktionssteuer sind durch die Verkürzung der Bemessungsgrundlage auf Aktientransaktionen völlig ad absurdum geführt. Sollten ursprünglich nicht die bösen Spekulanten an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden, die sie angeblich mit verursacht hätten? Am Ende geht es doch wieder nur noch um Symbolpolitik, das Befriedigen von Neidgefühlen und selbstverständlich das Eintreiben von ein paar Milliarden - in Deutschland wohlgemerkt zur Finanzierung der Grundrente. Es ist so absurd, dass man es sich kaum hätte ausdenken können.

Wer wird nun von der geplanten neuen Steuer besonders getroffen?

  • Entgegen vieler Reaktionen in den Medien ist es sicherlich nicht der "kleine Anleger", der sich heute ein paar Aktien kauft und diese viele Jahre liegen lässt. Wer nur wenige Transaktionen tätigt, wird die Steuer kaum spüren und diese hat dann auch nur sehr wenig Einfluss auf die Rendite.
  • Unmittelbar gar nicht tangiert wären nach aktueller Lage reine Intraday-Trader, denn besteuert wird erst nach einem "Netting" der Positionen am Tages-Ende, sofern das französische Modell genutzt wird.
  • Ebenso nicht direkt betroffen: Reine Derivate-Trader und Nebenwerte-Trader (Aktien mit Marketcap < 1 Mrd EUR).
  • Am härtesten getroffen würden Aktien-Trader in Mid-und Large-Caps, deren Ansatz nicht auf Intraday-Basis funktioniert, aber dennoch sehr kurzfristig.
  • Auch andere aktive Anleger, die sich selber auch nicht als Trader einschätzen würden, werden bluten. Je mehr Umschichtungen, desto stärker.

Generell kann man wahrscheinlich sagen: Wer sich selbst aktiv um sein Vermögen kümmern will, ist der Depp. Das hat System und zeigt sich auch in der Ausgestaltung von staatlichen Planungs-Monstern wie der Riester-Rente.

Um die Belastung der geplanten Steuer besser einschätzen zu können ist eine Beispielrechnung hilfreich. Ich unterstelle dabei einen aktiven Anleger, der pro Woche 2 Aktienkäufe tätigt bei einem Volumen je Trade von 10 TSD EUR. Die Mehrkosten ggü heute betragen dann 10 TSD*(52*2)*0,2 %=2080 EUR p.a..

Das ist natürlich schon eine Hausnummer. Hier sieht man: Wer sich aktiv um seine Aktienpositionen kümmern und relativ viel umschichten möchte, ist der große Verlierer der Börsensteuer.

Die größere Gefahr der neuen Steuer liegt aber woanders.

  • Eine Steuer, die einmal eingeführt ist, verschwindet ungefähr so häufig wie es zu einer totalen Sonnenfinsternis kommt. Stattdessen ist eine spätere Ausweitung zu erwarten.Wenn die "Infrastruktur" erstmal steht, dann kann man locker am Steuersatz drehen und natürlich auch die Bemessungsgrundlage ausweiten, indem man andere Instrumente mit einbezieht. Man braucht nicht sonderlich viel Fantasie, was z.B. einer rot-rot-grünen Regierung alles einfallen könnte.
  • Als Nebeneffekt der Besteuerung dürfte die Liquidität sinken, was in der Tendenz zu höheren Bid/Ask-Spannen führt und damit die indirekten Kosten von Transaktionen erhöht.
  • Aktieninvestitionen erhalten einen weiteren "negativen Touch", da sie völlig willkürlich mit einer Abgabe belegt werden. Der psychologische Effekt könnte sein, dass die Aktie noch ein wenig unpopulärer als Anlageform wird, obwohl das Gegenteil nötig wäre.
  • Stattdessen könnte es Ausweichbewegungen auf Derivate geben, also das Gegenteil von dem man was man sich eigentlich ordnungspolitisch von einer Finanztransaktionssteuer erwarten würde.

Angesichts der fiskalischen Bedeutungslosigkeit der Abgabe (ca. 1,5 Mrd. EUR p.a.), der ordnungspolitischen Fragwürdigkeit und der negativen Wirkungen wäre die Regierung gut beraten, ganz auf diese unnötige Steuer zu verzichten und genau das Gegenteil anzustreben: Nämlich Fördermaßnahmen für die eigenverantwortliche Verwaltung des Vermögens der Bürger. Aktien sind ein wichtiger Baustein eines ausgewogenen Asset-Mixes und einer robusten Altersvorsorge. Aber wahrscheinlich braucht es für so viel Weitsicht einen Finanzminister, der sein Vermögen nicht auf dem Girokonto "anlegt".

75 Kommentare

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  • Bernie.
    Bernie.

    Herr Kühn, haben Sie sich schon mit der neuen Regelung im "Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen" auseinandergesetzt. Der Bundestag hatte bereits letzte Woche zugestimmt.

    Demnach sollen Verluste aus Termingeschäften (z.B. CFDs) nur noch bis maximal 10.000 € mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechenbar sein.

    11:28 Uhr, 17.12. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • Reinhard Scholl
    Reinhard Scholl

    @All: Es gibt mehrere Petitionen / Unterschiftensammlungen gegen das geplante Gesetz!

    Also fix mit unterschreiben. Bequem und seriös geht das zB über den DSW, hier der Link:
    https://www.dsw-info.de/steuer...

    Ma könnte jetzt wagen, was, erst 23.500 Unterschriften? (Angesichts diese völlig unsinnigen Steuervorhaben). Aber das wird hoffentlich noch viel mehr... Die Petition erledigt die Themen Soli und fehlende Verlaustverrechnung gleich noch mit....

    @Daniel: Danke. Ich habe fest damit gerechnet, dass du die "Sauerei" wunderbar zusammenfasst :-)
    Vielleicht kann man den Link über godmode-Artikel noch weiter promoten...

    LG,

    Reinhard
    https://go.guidants.com/de/#c/...

    16:54 Uhr, 15.12. 2019
  • skip
    skip

    Mit Einführung der Finanztransaktionssteuer werden viele Broker und Zertifikateanbieter Existenzprobleme bekommen. Dies zieht wohl einen großen Kreis im Finanzsektor.

    08:23 Uhr, 12.12. 2019
  • Schuldkeinzinski
    Schuldkeinzinski

    Finanztransaktionssteuer? Habe kürzlich von meiner Bank erfahren, daß der Guthabenzins auf stattliche 0,001% gesenkt wurde. Der Staat sollte also besser eine "Guthabenzinsausfallsentschädigung" an jeden Sparer zahlen, mindestens in Höhe der Inflationsrate oder besser gleich 2,00%. Wegen der Nullzinspolitik der EZB müssen wir hier ja mindestens in Aktien investieren oder sogar hochrisikospekulieren, um eine Rendite zu erwirtschaften. Dies zu besteuern ist der Gipfel der Frechheit gegenüber dem mündigen und eigenverantwortlich wirtschaftenden Bürger!

    20:43 Uhr, 11.12. 2019
  • Kahroba
    Kahroba

    das Beste ist in solchen Anlässen immer der Satz "ja die Amerikaner zahlen auch Finanz Transaktion Steuer". Niemand erwähnt dass sie einen Steuer Spitzen Satz von 20% in etwa haben. Wir hier wieviel? 50? 55?

    17:56 Uhr, 11.12. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • Dragoslav
    Dragoslav

    Steuern sind einfach nur legalisierter Raub - mehr nicht. Diese ist noch perfider. Erst zwingt man das Geld mittels Minuszinsen aus den Sparkonten, mit dem Vorwand, Geld in Richtung Markt lenken zu wollen. Wenn es dann aber in den Finanzmarkt geht, schlägt man trotzdem zu. Ja was denn nun - wieder der falsche Markt ? Sollen sie doch gleich ne Zwangsabgabe auf Vermögen einführen. Ach ja ich vergaß, machen sie ja bereits über die Inflation. Oder vorschreiben, für welches Produkt genau wir Geld ausgeben sollen. Es gibt ja noch ein Asset, was steuerfrei ist. Sollen wir vielleicht ins Gold gehen?

    15:29 Uhr, 11.12. 2019
  • 1 Antwort anzeigen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Ein wahrer Artikel, Herr Kühn.

    14:15 Uhr, 11.12. 2019
  • Bernie.
    Bernie.

    Olaf Scholz begründet die Finanztransaktionssteuer u.a. damit, dass er Finanztransaktionen genaus besteuern will wie andere Geschäftsvorfälle wie z.B. Kauf einer Currywurst oder eines Buchs.

    Das ist einfach nur hahnebüchener Quatsch. Damit wird eindeutig klar, dass unser Finanzminister keine Ahnung von Steuern hat.

    Ein Currywurst-/Buchhändler bekommt die Mehrwertsteuer, die er beim Einkauf seiner Currywürste/Bücher bezahlt, als Vorsteur vom Finanzamt zurückerstattet. Die Mehrwertsteuer, die er beim Verkauf seiner Currywürste/Bücher von seinem Käufer bekommt führt er an das Finanzamt ab.
    Die Mehrwertsteuer ist für einen Currywurst-/Buchhändler lediglich ein durchlaufender Posten.

    14:14 Uhr, 11.12. 2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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