Kommentar
19:29 Uhr, 15.12.2016

Börsenhausse trotz extremer Unsicherheit: Vorsicht!

Aktien laufen gerade sensationell. Das ist schön und gut, doch hinter den Kulissen braut sich etwas zusammen.

Derzeit gibt es eine Gemengelage, die nicht ganz leicht zu erfassen ist. Auf der einen Seite steigt global die Unsicherheit. In den USA sind Anleger zwar begeistert über die Wahl Trumps, doch eigentlich weiß niemand so recht, was in der Amtszeit wirklich so alles passieren wird. In Europa stehen vermutlich Neuwahlen in Italien an, auch wenn jetzt erst einmal eine neue Regierung gebildet wurde und mit Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland könnte ein massiver Rechtsruck bevorstehen.

In China ist die Lage ohnehin schwer durchschaubar. Es wird mit Händen und Füßen gegen eine unkontrollierte Abwertung der Währung gekämpft, während der Schuldenberg unaufhörlich wächst. Ein Pulverfass.

In Europa gibt es neben den anstehenden Wahlen noch eine Zerreißprobe der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Die seit Jahrzehnten gut funktionierende Organisation steht durch die Ukrainekrise vor dem Zerfall. So dramatisch ist die Lage in der NATO noch nicht, doch auch hier tun sich große Gräben auf.

Die Liste lässt sich noch lange fortsetzen (z.B. Türkei).

Der Knackpunkt scheint allerdings auch so klar zu werden: hinter den Kulissen brodelt es!

Die Unsicherheit ist enorm groß und Unsicherheit ist eigentlich etwas, was die Börse nicht mag. In Anbetracht der Umwälzungen, die auf uns zukommen könnten, ist die Robustheit der Aktienmärkte bemerkenswert.

Dass die Börse positiv auf Unsicherheit reagiert, ist ungewöhnlich. Zugegeben, es kann gut sein, dass die Börse nicht wegen der Unsicherheit steigt, sondern einfach, weil sie die Unsicherheit ignoriert. Ist letzteres der Fall, wird sie irgendwann aufwachen.

Der Zusammenhang aus Aktienkursen und Unsicherheit ist etwas abstrakt. Unsicherheit lässt sich allerdings messen. Grafik 1 zeigt den globalen Policy Uncertainty Index. Dieser misst aufgrund von Berichterstattung das Ausmaß der Unsicherheit. Es ist recht offensichtlich, dass es in diesem Jahr mit Brexit und Trump einen rasanten Anstieg gab.

Die Unsicherheit ist auf Rekordniveau. Das kann man einmal zur Kenntnis nehmen und den Faden etwas weiterspinnen. Dann endet man recht schnell bei Kreditspreads, in diesem Fall die Differenz von Unternehmens- zu Staatsanleihen. Diese Spreads sind ein exzellenter Gradmesser für Unsicherheit. Sie laufen parallel zum Policy Uncertainty Index.

Seit einiger Zeit kommt es zu einer Divergenz. Die Spreads sinken während die Unsicherheit steigt. Das ist kein gutes Omen. Grafik 2 und 3 zeigen die Entwicklung des Wilshire 5000 Full Market Cap Index im Vergleich zu den Spreads und zum Unsicherheitsindex. Es wird schnell offensichtlich, dass es klare Parallelen gibt. Spreads und Aktien laufen nach wie vor parallel. Aktien und Unsicherheit nicht. Für gewöhnlich ist die Unsicherheit ein Indikator für Spreads und letztlich auch für den Aktienmarkt.

Man kann es auch kurz und knapp so formulieren: Irgendetwas stimmt hier nicht.

Was hier nicht stimmt, lässt sich schwer in Worte fassen. Der Untergangsprophet der Société Générale Albert Edwards interpretiert den Chart so: es kommt zur Katastrophe.

Die Divergenz ist tatsächlich ungewöhnlich und kein gutes Omen. Es gibt jedoch auch eine andere Erklärung. Unsicherheit ist zwar per se ein Belastungsfaktor, aber Unsicherheit muss nicht zwangsläufig negativ sein. Das ist wie mit Volatilität. Sie steigt für gewöhnlich an, wenn die Kurse fallen. Viele sehen Volatilität daher als eine Art Angstindikator.

Im Kern beschreibt Volatilität jedoch einfach nur die Schwankungsbreite. Sie kann auch ansteigen, wenn die Kurse besonders gewaltig steigen. Das ist seltener der Fall, aber es ist absolut möglich. Steigt die Volatilität, weil die Kurse rasant steigen, dann ist das kaum etwas Negatives.


So kann man auch die Unsicherheit sehen. Während sie in den meisten Fällen etwas Negatives andeutet, gibt es auch den Fall, den wir jetzt zu sehen scheinen: sie zeigt etwas Positives an. In den letzten Jahren waren Politik und Wirtschaft festgefahren. Durch einen politischen Wandel kann die Lähmung durchbrochen werden. Das birgt zwar Unsicherheit, aber auch eine ganz große Chance. Vor allem diese Chance scheint der Markt derzeit zu sehen. Aber wehe, die Chance wird vertan.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • Sven der Crash_Guru
    Sven der Crash_Guru

    Ich sehe keinen Grund warum die Indizes nicht steigen sollten, schaut doch einfach auf Gold^^

    der wahre Angstbarometer ;))))))

    00:37 Uhr, 16.12. 2016
  • kalle.g
    kalle.g

    ich will mal so sagen --- lt elliot wellen warten alle auf die finale welle IV der welle 1 im ganz großen zeitrahmen - nun, 12.000 ode ein bissel weniger ---- ab da kann es dann fallen bis 3.000 das wäre dann die A der im großen zeitrahmen gesehenen 2

    nur keine panik - wir können ja auch short handeln .-)

    21:43 Uhr, 15.12. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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