Kommentar
08:25 Uhr, 01.09.2015

Börsencrash in China? Wo denn?

Seit dem Wochenende ist es offiziell: es gab in Wirklichkeit keinen Crash an der chinesischen Börse. Alles wurde von Journalisten und Verbrechern fabriziert.

Am Wochenende wurden knapp 200 Personen in China festgenommen, die im Zusammenhang mit der Börse und der verheerenden Explosion in Tianjin berichteten. Ihnen wird vorgeworfen, falsch berichtet und bösartige Gerüchte in Umlauf gebracht zu haben. Was das konkret heißt, weiß keiner so genau. Die Schuldigen sind jedoch erst einmal gefunden.

Die Journalisten haben den Crash nicht frei erfunden, aber sie haben ihn anscheinend herbeigeführt. Anders formuliert: hätten die Journalisten nicht in bösartigster Absicht berichtet, dann hätte es den Crash nie gegeben. Alle sehen zwar einen Crash, aber so wirklich stimmt das gar nicht. Eigentlich sind alle noch in Kauflaune und nur wegen der Berichterstattung einiger weniger wurde die Illusion eines Crashs aufgebaut, der sich dann materialisiert hat - oder so ähnlich.

Die Verhaftungen und Behauptungen des Regimes sind so absurd, dass man nicht weiß, ob man darüber überhaupt noch lachen darf. Das alles wirkt wie die überspitzte Darstellung eines autoritären Regimes in einem Film. Tatsächlich ist es bitterer Ernst und es ist sehr bedenklich.

Überrascht darf man natürlich nicht sein. China verhaftet seit Jahrzehnten Menschen, die etwas anderes sagen als von der Propaganda vorgegeben. In den vergangenen Jahren gab es jedoch immer wieder leichte Signale der Entspannung. Man konnte hoffen, dass ein klein wenig mehr Vielfalt erlaubt wird, denn das - ganz nebenbei - wurde Ende 2013 eigentlich sogar verordnet.

Ende 2013 wurde ein 65-Punkte umfassendes Reformprogramm verabschiedet. Darin hieß es unter anderem, man wolle der öffentlichen Diskussion mehr Freiraum geben und differenzierende Meinungen fördern. So, so. Daraus wurde wohl nichts.

Sobald es nicht ganz so läuft wie gedacht beginnt die Partei um sich zu schlagen und in alte Muster zurückzufallen. Momentan hat man fast den Eindruck, die Partei kämpfte ums Überleben. Vielleicht weiß die Partei mehr als wir und sie muss tatsächlich ums Überleben kämpfen.

Die Maßnahmen sind entsprechend radikal. Laut einem Financial Times Bericht vom 24.8. hat die Regierung über 200 Mrd. USD in Stützungskäufe gelenkt. Die Stabilisierung der Währung soll nach der Abwertung angeblich ebenfalls eine Intervention von 200 Mrd. notwendig gemacht haben. Unterm Strich wurden 400 Mrd. für Interventionen ausgegeben - ohne Erfolg. Nicht nur haben die Eingriffe keinen Erfolg gebracht, sie haben die Lage sogar noch verschlimmert. Zumindest kann man sagen, dass die Lage nach der Intervention nicht besser war als zuvor.

Wie viel wirklich interveniert wurde werden wir wahrscheinlich nie erfahren. In unseren Medien kann darüber nur spekuliert werden. Teilweise wird ein klein wenig zu viel spekuliert. Jedes Mal, wenn der Shanghai Composite vom Tagestief bis zum Tagesschluss eine Aufholjagd zeigt, werden gleich wieder große Interventionen vermutet.

Grafik 1 zeigt dazu, wie viel der Shanghai Composite vom Eröffnungskurs bis zum Tagestief (Open to Low) verloren hat und wie viel vom Tagestief bis zum Schlusskurs wieder (Low to Close) wettgemacht wurde. Es ist tatsächlich erstaunlich wie viel zu Handelsschluss geschehen kann. Ein Beweis für Interventionen ist das jedoch nicht. Grafik 2 zeigt die Bewegungen des Shanghai Composite im Crash 2008 vom Tagestief bis zum Schlusskurs. Das gleiche ist für das Jahr 2015 ebenfalls dargestellt und zu guter Letzt ist auch der Crash 2008 in den USA zum Vergleich mit abgebildet.

Wenn man aufgrund der Größenordnung der Bewegung vom Tagestief zum Tagesschluss auf Interventionen schließen kann, dann wurde in den USA mehr interveniert als in China. Das ist natürlich Unsinn. Vielmehr sind die enormen und teils merkwürdigen Bewegungen Ausdruck der Volatilität, die es im Crash nun einmal gibt.

In China läuft sehr viel schief und das Regime zeigt gerade, dass es eine gewaltige Angst hat. Man muss die Kirche aber auch im Dorf lassen. Der Regierung in Peking zuzuschreiben, dass sie jedes vom Baum fallende Blatt zuvor dazu angeordnet hat, ist übertrieben. Es wird der Regierung auch nicht gerecht. So viel Einfluss hat sie nicht, insbesondere nicht, wenn es um Märkte wie den Aktienmarkt geht. Stellt sich der Markt erst einmal gegen einen, dann hat man schon verloren. Das lernt Peking gerade und macht die Situation auch gefährlich, denn wenn die Partei zu dem Schluss kommt, dass sie freiere Märkte nicht mehr kontrollieren kann, dann werden sie möglicherweise gar nicht erst zugelassen. Die Reformagenda wäre endgültig vom Tisch.

Der derzeitige Abschwung und die Turbulenzen an der Börse werden die Weltwirtschaft nicht in den Abgrund reißen. Trotzdem sind sie gefährlich, weil die sich die Partei dazu gedrungen sehen könnte die kleinen Fortschritte wieder rückgängig zu machen oder die Repression gar zu verstärken.

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8 Kommentare

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  • Sheldon35
    Sheldon35

    Was ein Bericht...ich glaube wir sollten vor unserer eigenen Haustür kehren!! Wer in Deutschland anders denkt als Politiker, denkt sofort rechtsradikal und wird von den einseitig berichtenden Medien zerissen...Oder was soll anders dabei sein als in China oder der Türke, wenn Justizminister Maas Forumbeiträge von anders denkenden Menschen auf Facebook stärker nachgehen möchte " Facebook wir müssen mal reden"....

    10:16 Uhr, 03.09.2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Ragazzo
    Ragazzo

    Merkwürdigerweise fällt der Hang Seng meistens nach Schluß der Börse in Honkong. Glauben Sie, die Chinesen verkaufen dann ihre Aktienpakete?

    11:54 Uhr, 01.09.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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