Kommentar
19:22 Uhr, 30.10.2022

Börsen-Wahnsinn? Trotz katastrophalem Ausblick von Amazon und gemischten Apple-Zahlen herrscht Kaufpanik bei S&P500, Nasdaq und DAX

Obwohl die Quartalszahlen der Schwergewichte unter den US-Technologieaktien alles andere als gut ausgefallen sind, sind die Märkte am Freitag nach oben geschossen. Umso wichtiger wird die Fed-Sitzung am kommenden Mittwochabend.

Erwähnte Instrumente

Manchmal kommt es anders als man denkt: So ist er mir zuletzt ergangen. In der Kurz-Analyse zur EZB-Sitzung präsentiert von BNP Paribas Zertifikate, die ich am vergangenen Donnerstag Nachmittag, 27. Oktober gemacht hatte, hatte ich gesagt, dass die kurzfristige Entwicklung an den Börsen neben den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen gerade von den Zahlen und Ausblicken von Appleund Amazon.com am Donnerstagabend abhängen würde. Sollten die Zahlen oder gerade die Ausblicke schwach ausfallen und damit die Rezessionssorgen der Investoren zurückkehren, könnten S&P500, Nasdaq und DAX nach unten drehen, hatte ich gesagt.

Aber es kam völlig anders. Trotz des miserablen Ausblicks von Amazon, sowie der gemischten Zahlen und der gedämpften Prognose von Apple war der DAX am Freitag zwar anfangs unter Druck. Je näher aber die Börseneröffnung in den USA kam und sich der S&P500-Future allmählich stabilisiert und anschließend kräftig nach oben drehte, umso mehr sind anschließend S&P 500), Nasdaq Composite und DAX nach oben gedreht und haben kräftige Gewinne verbucht.

Einen fundamentalen Grund dafür kann ich absolut nicht finden. So lagen die um 14.30 Uhr veröffentlichten Daten zum PCE-Preisindex, dem bevorzugten Inflationsindikator der Fed, sowie zum Lohnkostenindex weitgehend im Rahmen der Erwartungen.

Zudem enthielt das um 16 Uhr veröffentlichte US-Verbrauchervertrauen der Universität Michigan wenig Überraschendes, allerdings waren die Zahlen zu den anstehenden US-Häuserverkäufen viel schwächer als erwartet. Dennoch sind anschließend die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nicht etwa gesunken, sondern wieder nach oben gedreht, sodass die Aktienmärkte von der Seite keinen Rückenwind hatten.

Investoren kaufen kräftig Calls

Meiner Meinung nach dürften viele Investoren vor allem auf die Entwicklung der Apple-Aktie geschaut haben, mit einem Indexgewicht von 6,8 Prozent die schwerste Aktie im S&P500 vor Microsoft mit 5,3 Prozent und Amazon mit 3,1 Prozent.

Apple Inc.
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen
  • ()
    Nasdaq
    VerkaufenKaufen

Und nachdem die Apple-Aktie komischerweise massiv nach oben gedreht war, haben Investoren massiv Calls auf die Indizes gekauft. So waren zur Mitte des Nachmittags 64 Prozent der gehandelten Optionen auf den S&P500 Optionen, die noch am gleichen Tag ausgelaufen sind. Investoren haben also wie verrückt Calls gekauft – und Puts verkauft -, während gleichzeitig der VIX um 6 Punkte auf 25,75 Punkte kollabiert ist – Wahnsinn!

CBOE Volatility Index (VIX) Futures
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen
  • ()
    TTMzero Indikation

Im Klartext: die Rally am Freitag war reine Zockerei. Das zeigt meiner Meinung nach einmal mehr, dass S&P500, Nasdaq und DAX kaum mehr etwas mit Fundamentaldaten, wie der Konjunkturentwicklung, oder den Aussichten für die Umsatz- und Gewinnentwicklung der Unternehmen zu tun haben. Offenbar hat die Fed in den vergangenen 13 Jahren aus dem Aktienmarkt ein reines Casino gemacht. Inzwischen ist er praktisch kaum mehr etwas anderes als die Wette der Investoren auf eine „Kehrtwende“ der Fed (dazu gleich mehr).

Komischerweise haben andere Märkte bei Weitem nicht so sehr gefeiert wie der Aktienmarkt. So war die Bewegung am Markt für Unternehmensanleihen sehr gedämpft, während der Dollar Index praktisch unverändert war und die Preise für die Ölsorten WTI und Brent sogar etwas gesunken sind.

WTI Öl
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen
  • ()
    JFD Brokers

Mit einem Schlusskurs von 3.901,06 Punkten ist damit beim S&P500 die 100-Tage-Linie von 3.903,27 Punkten in Schlagweite. Da sie gleich am Montag nach oben durchbrochen werden dürfte – schließlich sollte das Window-Dressing zum Monatsende laufen – dürfte der Index weiter in Richtung der 200-Tage-Linie bei 4.113,27 Punkten durchstarten, und damit auch den DAX weiter mit nach oben ziehen. Damit würde sich die Stimmung der Anleger weiter deutlich verbessern.


Warten auf Fed-Sitzung

Umso wichtiger wird die Fed-Sitzung am Mittwochabend, 2. November. Für viele Investoren ist eine Erhöhung der Leitzinsen um 75 Basispunkte (0,75 Prozentpunkte) auf 3,75 bis 4,00 Prozent ausgemachte Sache. Von umso größerer Bedeutung wird das Signal sein, das die Fed für die darauffolgende Sitzung am 14. Dezember sendet. Bislang hat die Fed eine Erhöhung der Leitzinsen auf 4,4 Prozent zum Jahresende signalisiert, also müsste die Fed im Dezember eine Erhöhung um 50 Basispunkte durchziehen.

Komischerweise bezeichnen das viele Investoren als „Kehrtwende.“ Ist das wirklich eine Kehrtwende, wenn die Fed nach 4 „Jumbo“-Zinserhöhungen um 75 Basispunkte in Folge (inkl. jener am kommenden Mittwoch) im Dezember tatsächlich nur 50 Basispunkte draufsatten sollte? Meiner Meinung nach nicht. Von einer „Kehrtwende“ würde ich sprechen, wenn die Fed von Zinserhöhungen auf Zinssenkungen umschwenken würde. Ein Rückgang von 75 auf 50 Basispunkte würde ich vielleicht als „Abbremsen“ bezeichnen, aber keinesfalls als „Kehrtwende.“ Aber der Markt ist von dem Wort völlig euphorisiert.

Zur Erinnerung: am Freitag ist die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte im Dezember von 20 auf 43,4 Prozent nach oben geschossen. Das sieht so gar nicht nach „Kehrtwende“ aus. Das hat bei all der Euphorie am Aktienmarkt aber niemanden interessiert.

Allerdings dürfte die Rally beim S&P500 um 9,1 Prozent gegenüber dem 52-Wochen-Tief vom 12. Oktober der Fed nicht gerade gefallen, schließlich sind die Finanzbedingungen durch die Rally beim S&P500 und dem kräftigen Zinsrückgang der vergangenen Woche stark gelockert worden, wodurch die Inflation zwangsweise angeheizt wird. Schauen wir mal vor dem Hintergrund, wie sich Fed-Chef Jay Powell am kommenden Mittwoch auf der Pressekonferenz ab 20.30 Uhr geben wird.

S&P 500
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen
  • ()
    TTMzero Indikation

Vielleicht kann Powell vor dem Hintergrund der Halbzeitwahl am Dienstag, 8. November nicht stark auf „Inflationsbekämpfer“ machen, schließlich verschlechtert ein Kursrückgang beim S&P500 die ohnehin nicht gerade guten Siegchancen der Demokraten von US-Präsident Joe Biden. Darauf dürften viele Investoren – sprich die Bullen – setzen. Wenn Powell allerdings völlig auf „taubenhaft“ machen sollte, könnte das aber den Ölpreis nach oben schießen lassen, was wiederum die Siegchancen der Demokraten belasten würde. Powell sitzt also einmal mehr in der Zwickmühle.

Daten zu BIP und Inflation der Euro-Zone im Fokus

Zudem warten Investoren auf etliche Konjunkturdaten.

Am Montag werden am 12 Uhr die Daten zum BIP der Euro-Zone veröffentlicht. Laut den Schätzungen der Volkswirte soll die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen sein, nach einem Plus von 0,8 Prozent für das zweite Quartal. Damit hätte sich das Wachstum im dritten Quartal kräftig abgeschwächt, das BIP hätte allerdings noch nicht begonnen zu schrumpfen.

Ebenfalls um 12 Uhr werden die Inflationsdaten für die Euro-Zone veröffentlicht. Die Inflationsrate soll im Oktober auf 10,2 Prozent gestiegen sein, nach dem Rekordhoch von 9,9 Prozent für September. Gleichzeitig soll die Kernrate, also die um Nahrungsmittel und Energie bereinigte Inflationsrate, bei 4,8 Prozent stagniert haben, womit das Rekordhoch vom September egalisiert würde.

Um 16.30 Uhr werfen Investoren zudem einen Blick auf den Einkaufsmanagerindex der Notenbank von Dallas für die dortige Industrie. Der Index soll im Oktober auf minus 18 Punkte gesunken sein, nach minus 17,2 Punkte für September. Das wäre der sechste Monat in Folge mit einer negativen Zahl vor dem Komma, und wäre nur etwas besser als das Juli-Tief von minus 22,6 Punkten. Mich würde es nicht überraschen, wenn der Index deutlich stärker sinken würde als erwartet, schließlich dürfte die zwischenzeitliche Talfahrt des Ölpreises die Industrie im Raum Dallas deutlich belastet haben.

In meiner Sendung "Euer Egmond" analysiere ich wöchentlich die Märkte!

5 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • wuidling
    wuidling

    Die Inflation ist schlicht und ergreifend im Geldbeutel noch nicht angekommen.

    Wir schlittern sehenden Auges mit einem Doppelwumms gegen einen Eisberg.

    Die exzessive Geldmengenausweitung kurbelt dieses Casino nur noch weiter an und keiner

    will den Stecker ziehen, um endlich die Zombie Unternehmen vom Markt zu fegen.

    …….um bei GOTs zu bleiben…..Winter is coming…..aktuell fragt man sich halt nur wann….

    Super Artikel

    08:52 Uhr, 31.10.2022
    1 Antwort anzeigen
  • ZeroG
    ZeroG
    20:49 Uhr, 30.10.2022
  • ZeroG
    ZeroG

    Die Kurse weerden einfach für die MidTerm Wahlem am 7. Nov nochmal gepuscht ... danach weiter sehen.

    20:27 Uhr, 30.10.2022
    1 Antwort anzeigen