Kommentar
08:57 Uhr, 23.06.2022

Boden im Aktienmarkt: Was sind die Bedingungen?

Wer Hinweise auf einen Boden finden will, muss wissen, wonach man suchen soll. Für Klarheit muss eine ganze Reihe an Bedingungen erfüllt sein.

Am Ende zählt für die Kurse nur eines, die Erwartung. Erwarten Anleger, dass sich die Lage bessert, kaufen sie Aktien. Solange von einer Eintrübung ausgegangen wird, werden Rebounds verkauft. Derzeit ist der Konsens groß, dass die Lage schlechter wird. Solange das der Fall ist, kann der Markt keinen Boden finden. Niemand kauft Aktien, wenn man von einer Verschlechterung ausgeht. Wie stellt man aber fest, ob sich die Erwartungen verändert haben? Zunächst muss man zwischen Erwartungen und Wirtschaftsdaten unterscheiden. Wirtschaftsdaten können immer schlechter werden, die Kurse aber steigen. Das geschieht, wenn Anleger zukünftig eine Verbesserung erwarten. Privatanleger verpassen häufig das Tief, weil man überall nur von schlechten Daten liest und darüber in aller Ausführlichkeit berichtet wird. Wer den ganzen Tag nur von einer Rezession hört, ist nicht in Kauflaune. Daher werden Kurserholungen nicht getraut. Tagtäglich hört man ja, wie schlecht alles ist. Diese Meldungen sind für die Kurse jedoch irrelevant. Die meisten Daten blicken in die Vergangenheit und zeigen, was bereits geschehen ist. Sie sagen nichts über die Zukunft, die Erwartungen aus. Wenn es einen Markt gibt, der recht treffsichere Erwartungen formuliert, dann ist es der Anleihemarkt...

Der Anleihemarkt ist treffsicherer als der Aktienmarkt. Solange keine Verbesserung der Lage erwartet wird, steigen die Renditen von Hochzinsanleihen (High Yields) gegenüber Staatsanleihen. Steigt der Spread, wie er es gerade tut, gibt es keine Entwarnung. Der Spread kündigt Trendwechsel am Aktienmarkt an oder zumindest kann man sich sicher sein, dass es sich um einen Trendwechsel handelt, wenn die Spreads sinken und Aktien steigen (Grafik 1).


Eine derzeit wichtige Komponente in den Erwartungen ist die Inflation. Solange diese steigt, wird auch eine straffere Geldpolitik erwartet. Im Normalfall spielt Inflation für den Aktienmarkt keine große Rolle. In Zeiten hoher Inflation braucht es einen Rückgang der Inflation, um einen Boden zu etablieren (Grafik 2).

Beginnt die Inflationsrate erst zu sinken, folgt der Leitzins und dieser, zusammen mit Anleiherenditen, ist das, was wirklich interessiert. Sobald der Zins sinkt oder eine Senkung erwartet wird, kann der Markt in Hochinflationsphasen steigen (Grafik 3). Die Zinserwartung lässt sich z.B. beim FedWatch Tool der Terminbörse CME ablesen. Derzeit wird für die nahe Zukunft keine Zinssenkung erwartet. Die Bedingung für einen Trendwechsel ist also nicht erfüllt.

Ob Zinsen, Inflation oder Spreads, sie alle sind Ausdruck der Erwartung, wie es mit der Wirtschaft weitergeht. Unternehmensgewinne steigen, wenn die Wirtschaft wächst und Gewinne sind das, was die Bewertung von Unternehmen ausmacht. Sinken die Wachstumserwartungen (fallender Einkaufsmanagerindex), fällt auch der Aktienmarkt. Ausnahmen zu der Regel gibt es wenige und mit guten Gründen. Aktuell gibt es keine Hinweise, weshalb der Einkaufsmanagerindex nicht die Richtung vorgeben sollte.

Derzeit zeigt der Trend nach unten (Grafik 4). Ohne eine Trendwende in der Einschätzung der Einkaufsmanager ist auch der Aktienmarkt weiterhin gefährdet. Einkaufsmanagerindizes sind Vorläufer des Wirtschaftswachstums und daher ein besserer Indikator als das Wachstum selbst. Kurse und Wachstum korrelieren zwar gut (Grafik 5), doch die Daten werden spät veröffentlicht. Prognosen sind häufiger falsch als richtig und die Korrelation zwischen Prognosen und Kursen ist oft nicht gut.


Für einen Boden und Trendwende müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. In normalen Zeiten würde es ausreichen, wenn wieder höheres Wachstum erwartet wird. Da wir in einer Hochinflationsphase sind, muss zunächst der Inflationstrend (nach unten) stimmen, bevor Zinsen, Erwartungen und Wachstum folgen können.

Die Ausgangslage ist zugegebenermaßen deprimierend. Erwartungen können sich jedoch sehr schnell verändern. Ein guter Inflationsbericht kann die Erwartungen komplett drehen. Ob das im nächsten Monat oder erst im Herbst/Winter geschieht, weiß niemand. Man sollte sich einfach nicht zu sicher fühlen, dass der vorherrschende Trend zuverlässig bis Jahresende oder 2023 anhält.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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