Fundamentale Nachricht
11:14 Uhr, 29.03.2017

„Beerdigen wir nicht gleich den globalen Kapitalismus“

Obwohl die Demokratien durch populistische Strömungen einer Belastungsprobe ausgesetzt sind, ist es nach Meinung von DNCA-Finanzexperte Igor de Maack zufolge noch zu früh, das Testament der Eurozone zu schreiben und den globalen Kapitalismus zu beerdigen.

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Paris (GodmodeTrader.de) - Wie schon 2016 haben die Finanzmärkte die politischen Ereignisse genau im Blick, doch möglicherweise wird deren Bedeutung überschätzt. Nach Spanien, Italien und Österreich haben auch die Niederlande den Lockrufen des politischen und wirtschaftlichen Extremismus eine Absage erteilt. Die Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) von Mark Rutte hat die Wahl gewonnen und steht jetzt vor der Aufgabe, eine Koalition zu bilden, wie Igor de Maack, DNCA-Portfoliomanager und Sprecher des Portfoliomanagements, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Auch wenn die Märkte im Hinblick auf die niederländische Wahl kaum besorgt gewesen seien, zeige der Wahlausgang doch erneut, dass die antieuropäischen Thesen weit davon entfernt seien, mehrheitsfähig zu sein. Niemand bestreite, dass die Europäische Union manchmal ineffizient sei – die Briten hätten uns mit ihrem Brexit-Votum daran erinnert –, oder dass es in einem Währungsraum (der Eurozone), in dem es bezüglich der Flexibilität der Volkswirtschaften Unterschiede gebe, zu Spannungen kommen könne. Dennoch verbesserten sich die wirtschaftlichen Parameter der Eurozone (Konsum- und Geschäftsklima, Arbeitslosenzahlen, Kreditvergabe, Rückkehr der Inflation, leichter Gewinnanstieg der Unternehmen), heißt es weiter.

„Seit drei Jahren liegt das BIP des Währungsraumes über dem langfristigen Potenzialwachstum von einem Prozent. Seit 2011 daran gewöhnt, beunruhigende und systemrelevante Schocks zu überstehen, könnte die Eurozone bei den Anlegern heute wieder an Attraktivität zurückgewinnen, vorausgesetzt, dass auch die letzte politische Hürde einigermaßen störungsfrei überwunden wird: denn alle Augen der Finanzmärkte sind nun auf die französische Präsidentschaftswahl gerichtet. Momentan deuten die Umfragen bei allem Vorbehalt nicht darauf hin, dass eine extreme Partei den Sieg bei der Präsidentschaftswahl erringen könnte, und noch viel geringer ist diese Wahrscheinlichkeit für die Parlamentswahlen im Juni“, so de Maack.

In den USA habe die Federal Reserve den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik der vergangenen zehn Jahre eingeleitet, indem sie die Zinsen ein weiteres Mal um 0,25 Prozent auf jetzt ein Prozent angehoben habe. Die amerikanische Konjunktur scheine seit dem letzten Quartal 2016 zu neuer Stärke gefunden zu haben. Überraschenderweise und entgegen allen Erwartungen der Medien und der Beobachter habe die Wahl von Donald Trump das Verbrauchervertrauen sowie das Vertrauen der amerikanischen Anleger gestärkt. Allerdings müssten die geplanten ehrgeizigen Maßnahmen (Steuersenkungen, höhere Staatsausgaben besonders im Infrastrukturbereich) erst noch das Gesetzgebungsverfahren (den Kongress) passieren. Vieles werde hierbei wohl von der Toleranz der Republikaner gegenüber einer x-ten Anhebung der Obergrenze für die Staatsschulden abhängen, heißt es weiter.

„In Europa hat die EZB noch keine Erhöhung der Leitzinsen beschlossen, obwohl von deutscher Seite darauf gedrängt wird. Nichtsdestotrotz hat sie ihre Inflationserwartungen für 2017 auf 1,7 Prozent angehoben, gleichzeitig aber festgestellt, dass der Anstieg der Reallöhne noch nicht ausreichend sei. Infolge dieser Indizien für eine etwas weniger expansive Geldpolitik sind die Zinsen gestiegen. Das Auseinanderdriften der beiden geldpolitischen Ansätze scheint nicht länger tragbar zu sein, zumal sich diese Divergenz in zu hohem Maße auf die Entwicklung der Währungen zueinander (Euro und Dollar) auszuwirken beginnt. Im Hinblick auf eine stärkere wirtschaftliche Dynamik und angesichts des Willens der Zentralbanken, zu einer bestimmten finanziellen Orthodoxie zurückzukehren, scheint ein Anstieg der Zinsen über kurz oder lang somit unausweichlich zu sein“, so de Maack.

Die Bewertungsniveaus der europäischen Aktienmärkte gingen von einem Anhalten des Konjunkturaufschwungs aus, wohingegen Anleihen weiterhin von steigenden Zinsen auf kurze oder lange Sicht bedroht seien. Die zuletzt veröffentlichten Unternehmensdaten bestätigten den mikroökonomischen Aufwärtstrend. Die Bewertungsniveaus der Aktienmärkte in Europa lägen etwa im historischen Durchschnitt. Daher sei es wichtig, bei der Bewertung Fehler zu vermeiden und sorgfältig diejenigen Branchen auszuwählen, deren Gewinnentwicklung das Potenzial für positive Überraschungen berge, heißt es weiter.

„Die Themen Börsenwert und große Marktkapitalisierungen in Frankreich und Europa (besonders in Südeuropa) müssen im Hinblick auf Anlagen neu bewertet werden. Was die Anleihen betrifft, so ist es weiterhin von grundlegender Bedeutung, auf Portfolios mit kurzen Laufzeiten zu setzen. Zwischen 1990 und 2016 ist die durchschnittliche gewichtete Rendite der weltweit umlaufenden Anleihen von neun Prozent auf 1,6 Prozent gesunken, während die Zinssensitivität im Mittel von 4,7 auf 6,9 gestiegen ist. Auch wenn kurzfristige Anleihen somit kaum etwas einbringen, so ist es unter diesen Umständen doch ratsam, sie zu behalten, um im rechten Moment die Chancen zu ergreifen, die sich bei einer Verschiebung der Zinskurve auftun könnten“, so de Maack.

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1 Kommentar

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  • netzadler
    netzadler

    wie er schon sagt, es mag zu früh sein. Das die Beerdigung dann später stattfindet ist zweifelsfrei.

    der weg dahin ist das eigentlich interessante.

    11:20 Uhr, 29.03.2017

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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