Kommentar
09:29 Uhr, 25.10.2016

Bankenkrise gefährdet Erholung der Eurozone!

2016 ist zwar nicht gerade ein Boomjahr, aber im Vergleich zu den Vorjahren zeigte sich eine fast flächendeckende Erholung. Diese steht nun auf der Kippe.

Die Erholung der Eurozone steht auf einem wackeligen Fundament

Das liegt nicht etwa an politischer Unsicherheit und dem Brexit, sondern an unseren lieben Banken. In der Eurozone geht ohne Banken nichts. Für eine entwickelte Region sind sie überproportional wichtig für das Funktionieren der Wirtschaft.

Brauchen Unternehmen Kredit, dann gehen sie zur Bank. Das war schon immer so und wird auch noch eine Weile so bleiben. In anderen Regionen, z.B. Großbritannien, den USA, Kanada und Australien haben Unternehmen den Anleihemarkt sehr viel besser erschlossen. Brauchen sie Geld – insbesondere, wenn sie viel Geld brauchen – beschaffen sie es sich bei Investoren über die Ausgabe von Anleihen.

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In der Eurozone ist das anders. Selbst Finanzierungsbedarf in der Höhe von mehreren Milliarden Euro werden selten über den Finanzmarkt gedeckt. Stattdessen geht man zu mehreren Banken, die dann gemeinsam einen Milliardenkredit bereitstellen – oder auch nicht. Letzteres ist immer wieder der Fall, insbesondere nach der Finanzkrise.


Kredit ist das Schmiermittel der Wirtschaft und des Wachstums

Dieses Schmiermittel fehlt seit Jahren und so schnell wird sich daran nichts ändern. Das Kreditwachstum konnte in den vergangenen zwei Jahren wieder positives Territorium erreichen, doch das steht nun auf der Kippe. Das kann den Wirtschaftsmotor zum Stottern bringen.

Die Grafik zeigt neben dem Kreditwachstum auch die Eigenkapitalrendite von Banken sowie die Eigenkapitalkosten und den Saldo von beidem (Eigenkapitalrendite minus Kosten). Alle Reihen laufen parallel. Je höher die Eigenkapitalrendite ist, die Banken erzielen können, desto eher vergeben sie Kredit.

Ist die Eigenkapitalrendite hoch, dann macht es für Banken Sinn, mehr Kredit zu vergeben. Da sie den Großteil mit Krediten verdienen, bedeutet eine Ausweitung der Kreditvergabe bei hoher Eigenkapitalrendite, dass sie noch mehr verdienen können. Das ist wie in allen anderen Branchen auch. Hat ein Produkt (bei Banken der Kredit) eine hohe Marge, versucht man möglichst viel zu verkaufen, um mehr Gewinn zu erwirtschaften. Banken tun dies, indem sie mehr Kredit vergeben.


Die Eigenkapitalrendite derzeit sehr niedrig

Der Trend war in den letzten 18 Monaten positiv, doch seit zwei Quartalen beginnt der Trend wieder zu drehen, sprich, die Eigenkapitalrendite sinkt wieder. Gleichzeitig steigen die Eigenkapitalkosten. Das hängt unter anderem mit den niedrigen Bewertungen der Banken an der Börse zusammen, bei niedriger Marktkapitalisierung.

Im Saldo verdienen Banken praktisch nichts. Zieht man die Eigenkapitalkosten von der Rendite ab, dann bewegt sich der Wert seit Jahren im negativen Bereich. Das ist für Banken ein großes Problem. Sie können dieses Problem auch nicht einfach beheben. Sie können lediglich Eines tun: die Kreditvergabe einschränken.

Bei sinkenden Margen macht eine Reduktion des Angebots ohnehin Sinn. Bei Banken kann es jedoch zur Überlebensfrage werden. Je weniger Kredite sie vergeben, desto weniger Eigenkapital müssen sie vorhalten. Die Eigenkapitalrendite lässt sich steigern, indem man das Geschäft verkleinert, also weniger neue Kredite vergibt. Genau eine solche Tendenz erkennt man in mehreren Ländern der Eurozone, z.B. Italien.

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Da Kredit das Schmiermittel der Wirtschaft ist, ist eine Reduktion der Kreditvergabe kontraproduktiv. Das Problem der Banken lässt sich allerdings nicht einfach lösen. Die niedrige Profitabilität ist nicht nur eine Frage des Zinsniveaus. Derzeit sind andere Faktoren wichtiger. Dazu gehören etwa die hunderten Milliarden an faulen Krediten in der Eurozone. Solange diese Kredite in den Bilanzen liegen und immer mehr Kapital verschlingen, gelingt kaum ein Turnaround.

Eine große "Bad Bank" ist nötig

So sehr das alle Beteiligten sehen und verstehen, so können sie sich politisch doch nicht darauf einigen. Ein anderer Weg Banken zu stärken führt über die Notenbank. Sie könnte Banken die Refinanzierung weiter erleichtern. Derzeit können sich Banken unter gewissen Umständen bei der EZB Geld zu -0,4 % Zinsen leihen. Die EZB zahlt also dafür, dass sich Banken Geld leihen. Dieses Programm ließe sich ausweiten und könnte so die Banken stärken.

Lesen Sie dazu auch: Sind Europas Banken noch zu retten?

Politisch ist eine so offensichtliche Subventionierung der Banken nicht leicht zu vermitteln. Das ist jedoch wohl noch das geringste Problem. Die EZB muss die Zinsen, die sie Banken zahlt, irgendwo hernehmen. Die EZB nimmt über die gekauften Staatsanleihen zwar viel Geld ein, doch um großangelegte Subventionierungen durchzuführen reichen diese Einnahmen nicht. Die EZB hält derzeit 1 Billionen an Wertpapieren. Der Kreditmarkt der Eurozone hat eine Größe von über 17 Billionen. Die Einnahmen aus den Anleihen sind zu gering, um einen so viel größeren Markt zu subventionieren.

Was bleibt, das ist die Beteiligung der EZB an Banken, indem sie ihre Anleihen oder ihr Eigenkapital erwirbt. Da die EZB nun aber die Banken auch beaufsichtigt, ist dieser Interessenskonflikt kaum vermittelbar.

Lesen Sie dazu auch: EZB vs. BoJ: Wer macht die bessere Geldpolitik?

Mit anderen Worten: Es gibt Lösungsansätze, doch keiner dieser Ansätze lässt sich tatsächlich umsetzen. Es bleibt alles, wie es ist. Die Gesundung des Bankensektors schreitet bestenfalls in Schneckentempo voran. Dadurch wird die Erholung der Eurozone gefährdet, bevor die meisten Länder überhaupt einen Boom gesehen haben.

Man kann es nicht oft genug betonen. Das Bankenproblem muss möglichst schnell angegangen werden. Es vergeht jedoch Monat um Monat, ohne dass etwas geschieht. Das ist eine Zeitbombe und kaum jemand scheint zu begreifen, wie ernst die Lage tatsächlich ist.

Clemens Schmale

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9 Kommentare

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    Guter Artikel...

    11:20 Uhr, 25.10. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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