Kommentar
06:00 Uhr, 24.10.2016

BANKEN: Das große Systemrisiko!

In den letzten Jahren wurde der Finanzmarkt mit neuer Regulation überschwemmt. Das Finanzsystem sollte sicherer werden. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Larry Summers, ehemaliger Chefökonom der Weltbank, hat die Bankenwelt intensiv untersucht und kommt zu Schlussfolgerungen, die zu denken geben. Die Bankenwelt ist heute kaum sicherer als vor der Krise, obwohl neue Regulation genau das erreichen sollte. Die neue Regulation sieht vor, dass Banken mehr Kapital halten, um Verluste abfedern zu können. Gleichzeitig müssen sie für risikoreichere Geschäfte besonders viel Kapital vorhalten. Das hat dazu geführt, dass Banken diese Geschäftsbereiche größtenteils aufgegeben haben.

Nun sind Banken auf dem Papier sicherer. Papier ist allerdings geduldig und man darf nicht allem Glauben schenken, was man liest. Wenn Banken heute theoretisch sicherer sind, dann sollte sich das eigentlich auch in den Bewertungen und Aktienkursen widerspiegeln. Das tut es nicht.

Das Problem beginnt bereits mit der Entwicklung der Aktienkurse. Grafik 1 zeigt dazu die Volatilität der Kurse im Vergleich. Die Volatilität von Bankaktien war vor der Krise deutlich geringer als heute. Die Daten beinhalten noch nicht die jüngsten Turbulenzen. Würde man diese berücksichtigen, dann liegt die Volatilität heute sogar noch ein Stück höher.

Die Volatilität eines Aktienkurses ist ein Maß für Risiko. Anleger sind nervös und ändern ihre Einschätzung zum Wert der Institute ständig. Das führt zu wilden Kursausschlägen und folglich zu einer erhöhten Schwankungsbreite der Kurse. Im Verhältnis zur Schwankungsbreite wird dieser Umstand besonders deutlich.

Grafik 2 zeigt das Beta von Banken. Beta beschreibt, wie viel stärker die Kurse im Verhältnis zum Markt schwanken. Ein Wert von 1 bedeutet, dass der Kurs genauso stark schwankt wie der Markt. Ein höherer Wert bedeutet, dass die Volatilität höher ist.

Auf den ersten Blick erkennt man, dass Banken heute im Vergleich zum Markt sehr viel stärker schwanken als vor der Krise. Bei US-Großbanken ist das besonders stark aufgeprägt. Das Beta liegt bei knapp 1,6. Würde der Markt nun um 62.5 % fallen, dann müssten Bankaktien praktisch um 100 % fallen (1,6 multipliziert mit 62.5 %). Käme es nun zu einem katastrophalen Bärenmarkt, dann sagt uns das Beta, dass der Wert der Banken im Verlauf praktisch auf null fällt.

Man kann es nicht oft genug betonen: Regulation sollte Banken sicherer machen. Auf dem Papier stimmt das, doch der Markt sieht das vollkommen anders. Das zeigen auch die Credit Default Swaps (CDS), die angeben, wie viel es kostet, wenn man sich gegen den Kreditausfall einer Bank absichern möchte.

Grafik 3 zeigt die Entwicklung der CDS. Sie sind im Vergleich zu den Vorkrisenjahren massiv gestiegen. Je nach Institut und Land stehen die CDS heute um einen Faktor 5 bis 10 höher als vor der Krise. Wären Banken heute sicherer, müssten die CDS eigentlich tiefer stehen. Das tun sie nicht.

All diese Faktoren zeigen sich auch in der Bewertung der Banken. Grafik 4 zeigt die Entwicklung der Preis/Buchwert-Verhältnisse der sechs größten US-Banken. Vor der Krise notierten sie mit großen Aufschlägen auf ihre Buchwerte. Heute liegen sie darunter. Das macht rein ökonomisch gesehen wenig Sinn. Man könnte theoretisch die Bank of America zur Hälfte ihres Buchwertes kaufen und die Bank zum Buchwert abwickeln. Das ist eine gigantische Arbitragemöglichkeit.

Ein Buchwert unterhalb von 1 macht nur Sinn, wenn Anleger davon ausgehen, dass Banken in Zukunft keinen Wert generieren. Anleger gehen davon aus, dass Banken langfristig kein Geld verdienen, sondern Geld verlieren. Das führt zu niedrigen Preis/Buchwert-Verhältnissen (PBV). Beim PBV steht der Preis für die Marktkapitalisierung. Bleiben die Bucherwerte konstant, sinkt aber das Verhältnis, dann kann sich nur der Preis verändert haben, sprich, die Marktkapitalisierung sinkt. Die Deutsche Bank kann davon ein langes und trauriges Lied singen.

Die Marktkapitalisierung ist eine wichtige Größe. Sie zeigt den Marktwert des Eigenkapitals. In den Bilanzen steht heute mehr Eigenkapital als vor der Krise, doch dieses Eigenkapital ist an der Börse sehr viel weniger Wert als früher. Aus regulatorischer Perspektive ist das irrelevant. Es kommt darauf an wie viel Eigenkapital in der Bilanz steht. Das ist jedoch irreführend.

Untersuchungen zeigen, dass der Marktwert des Eigenkapitals (die Marktkapitalisierung eines Unternehmens) sehr viel besser Aufschluss darüber gibt, ob eine Bank Probleme hat oder nicht. Die Aussagekraft des Marktwertes wird 10 Mal höher eingeschätzt als das regulatorische Eigenkapital, welches in der Bilanz steht.

Da der Marktwert die relevantere Größe ist, sollte man den Marktwert ins Verhältnis zu den Vermögenswerten setzen. Das ist ebenfalls in Grafik 4 dargestellt. Dieses Verhältnis ist heute deutlich niedriger als vor der Krise. Das bedeutet im Klartext: Banken sind heute praktisch höher gehebelt als vor der Krise.

Zusammenfassend deutet alles darauf hin, dass Banken heute weniger stabil sind als vor der Krise. Das war nicht der Gedanke der neuen Regulation. Man kann die Regulation sicherlich nicht alleine für die Misere verantwortlich machen, doch sie trägt einen Anteil, ebenso wie die niedrigen Zinsen. Darüber sollten sich Notenbanken und Politiker ernsthaft Gedanken machen. Geht es so weiter wie bisher, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Bankenkrise die Welt wieder im Griff hat, da Banken so instabil sind wie selten zuvor.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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