Kommentar
13:42 Uhr, 12.02.2015

Bald kommt die neue Drachme

Griechenland könnte die neue Drachme zunächst als Parallelwährung zum Euro einführen. Das Stigma des Scheiterns, das unweigerlich mit einem Euro-Austritt verbunden wäre, könnte so vermieden werden.

Eine Einigung zwischen Griechenland und seinen europäischen Gläubigern bleibt auch nach dem gestrigen Treffen der Finanzminister in weiter Ferne. Griechenland lehnt die mit den europäischen Hilfsprogrammen verbundenen Sparvorgaben weiter vehement ab, während Deutschland und die anderen Euro-Staaten schon die Auszahlung der letzten Tranche des Hilfsprogramms davon abhängig machen wollen, dass Griechenland seine bisherigen Verpflichtungen erfüllt. Es ist nicht absehbar, wie bei diesen Positionen eine Einigung erzielt werden kann, bevor dem griechischen Staat das Geld ausgeht.

Dabei könnte Griechenland die aktuelle Krise ganz einfach überwinden, ohne den Euro aufzugeben oder neue Finanzhilfen zu erhalten: Die griechische Regierung könnte sich entscheiden, neben dem Euro eine eigene Parallelwährung einzuführen. So könnte der griechische Staat seine Beamten und sonstigen Mitarbeiter künftig beispielsweise nicht mehr in Euro, sondern in einer eigenen, gewissermaßen selbst gedruckten Währung bezahlen.

Diese neue Währung, zum Beispiel mit dem Namen "neue Drachme", würde nicht wie der Euro über die Kreditvergabe erzeugt werden. Die neue Währung könnte vielmehr aus Schuldscheinen bestehen, die die griechische Regierung ganz nach Bedarf drucken kann, um damit ihre laufenden Ausgaben zu bezahlen. So könnte sich die griechische Regierung quasi über Nacht aller akuten Finanzprobleme entledigen. Da die Schuldscheine auch weitergegeben werden könnten, entstünde mit der Zeit ein Parallelkreislauf.

Die Einführung einer Parallelwährung hätte erhebliche Vorteile gegenüber einem Euro-Austritt. Vor allem würde das Stigma des Scheiterns, das unweigerlich mit einem Euro-Austritt verbunden wäre, vermieden. Außerdem könnte Griechenland ganz einfach wieder zum Euro zurückkehren, sollten die wirtschaftlichen Probleme irgendwann überwunden sein.

Langfristig wäre die neue Währung alleine genommen keine Lösung. Denn würde die griechische Regierung zügellos neues Geld drucken, um ihre Ausgaben zu finanzieren, würde die Abwertung der neuen Währung kein Ende finden. Aber die griechische Regierung hätte durch die Einführung einer Komplementärwährung ausreichend Zeit, die weiterhin notwendigen Strukturreformen umzusetzen.

Im Jahr 2012 hatte bereits der damalige Deutsche Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer die Einführung einer Parallelwährung in Griechenland ins Spiel gebracht. Mayer betrachtete bereits damals die Einführung einer Parallelwährung als wahrscheinlichste Lösung der Griechenland-Krise, da die Mehrheit der Griechen einerseits den Euro behalten will, andererseits aber die internationalen Sparauflagen ablehnt.

Die Einführung von Parallelwährungen ist eigentlich nichts Neues. Das Deutsche Reich führte 1923 die Rentenmark ein, die parallel zur Papiermark und den Notgeldbanknoten kursierte. Das Dritte Reich finanzierte die Aufrüstung für den Zweiten Weltkrieg zum Teil, indem es nicht in Banknoten bezahlte, sondern sogenannte Mefo-Wechsel annahm, die von der Rüstungsindustrie ausgestellt wurden. Die Mefo-Wechsel wurden von Industriebetrieben untereinander auch als Zahlungsmittel verwendet und konnten bei Banken angelegt werden, erfüllten damit also zumindest zum Teil die Kriterien für eine Parallelwährung. Auch heute noch gibt es Komplementärwährungen, zum Beispiel in Papua-Neuguinea (Muschelgeld) und in Japan, wo das Fureai-kippu-System dafür sorgt, dass privat geleistete Hilfe für ältere Menschen auf einem eigenen Zeitkonto gutgeschrieben wird. So können Japaner ältere Familienmitglieder unterstützen, auch wenn diese in großer Entfernung leben.

Größtes Problem bei der Einführung der neuen Währung dürfte wohl die zu Beginn mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung sein. Allerdings könnte auch dieses Problem überwunden werden. Beispielsweise könnte der griechische Staat die Unternehmenssteuern zumindest teilweise nur noch in Form der neuen Drachme akzeptieren. Unternehmen wären so gezwungen, die neue griechische Drachme als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Auch könnte der griechische Staat eine „Annahmepflicht“ (auch mit festem Wechselkurs zum Euro) festschreiben. Die Akzeptanz der neuen Währung dürfte aber ohnehin nicht schlecht sein. Denn bezahlt der Staat nur noch in der neuen Währung, wird früher oder später auch die private Wirtschaft die neue Drachme akzeptieren müssen.

Kurzfristig dürfte die Einführung einer Parallelwährung der einfachste Weg sein, die zusätzlichen Ausgabenwünsche der griechischen Regierung ohne neue Finanzhilfen zu ermöglichen. Langfristig hätte Griechenland die Wahl, entweder ganz zum Euro zurückzukehren oder die neue, dann bereits eingeführte Währung, als alleinige Währung zu behalten.

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2 Kommentare

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  • Girth
    Girth

    "Denn würde die griechische Regierung zügellos neues Geld drucken, um ihre Ausgaben zu finanzieren, würde die Abwertung der neuen Währung kein Ende finden." Mit anderen Worten, die griechische Regierung soll ihre Beamten, Angestellten und Pensionsbezieher etc. mit kalter Luft bezahlen. Jeder würde doch sofort zusehen, die ausgezahlte N-DM in lokal verfügbares Hartgeld (Euro, Türkische Lira, Lew etc.) zu tauschen. Ihr Wert als Geld ist so gering, da kann man auch einfach jede Zahlung einstellen und die Menschen so verarmen lassen, als noch Grafiker und deutsch-französische Sicherheitsdruckunternehmen für die neuen Banknoten zu bezahlen..

    14:36 Uhr, 12.02.2015

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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