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10:40 Uhr, 25.04.2013

Bail-in oder Bail-out?

Frankfurt am Main/Boston (BoerseGo.de) - Trotz der Nervosität über das Rettungspaket für Zypern sind die Wachstumserwartungen für die Weltwirtschaft leicht gestiegen. Allerdings macht die Volkswirtschaft Zyperns auch nur 0,2 Prozent des gesamten Euroraums aus. Die Hinweise auf eine bessere US-Konjunktur mehren sich, zumal wichtige Konjunkturindikatoren überraschend gut ausfielen. Da die führenden Notenbanken noch immer reichlich Liquidität zur Verfügung stellen, sehen wir Gefahren für risikobehaftete Wertpapiere eher in möglichen politischen Fehlentscheidungen als in einer Abkühlung der Konjunktur, wie Robert Spector, CFA Portfolio Manager bei MFS Investment Management in seinem aktuellen Marktkommentar schreibt.

„Dennoch: Wir erwarten keine Neuauflage des Booms der 90er Jahre oder des kreditgetriebenen Wachstums in der letzten Dekade. Der Aufschwung bleibt unterdurchschnittlich und noch immer belasten Überschusskapazitäten und Sparprogramme die Wirtschaft. In den USA ist es die Endphase des Schuldenabbaus im privaten Sektor. Die extrem lockere Geldpolitik sorgt allerdings für Kursgewinne. Der amerikanische Wohnimmobilienmarkt hat Fortschritte gemacht, die amerikanische Energieförderung boomt und die US-Verbraucher sind trotz höherer Steuern und Zweifel an der Stabilität im Euroraum in Kauflaune. Auch in China verbessert sich die Lage. Trotz Gegenwinds kommt die Weltwirtschaft voran“, so Spector.

Die Entscheidung der zyprischen Regierung für eine Zwangsabgabe auf Bankeinlagen sei bemerkenswert. Erst in letzter Minute seien die Guthaben von Kleinsparern geschützt worden, doch davon abgesehen enthalte die Vereinbarung eine sogenannte „Bail-in‘‘-Klausel. Erstmals seit Beginn der Krise in Europa hätten erstrangige Gläubiger schwacher Banken Verluste hinnehmen müssen. Nichtversicherte Einlagen seien entweder ganz eingezogen oder zumindest mit erheblichen Abschlägen belegt worden. Außerdem habe man Kontrollen für den Kapitalverkehr eingeführt. Das Rettungspaket (Bail-out) für Zypern zeige einmal mehr, dass die Politik zu „allem Nötigen‘‘ entschlossen ist, um den Euroraum in seiner jetzigen Zusammensetzung zu erhalten. Deutlich werde aber auch, wie leicht aus einer Bankenkrise eine Staatsschuldenkrise werden könne. Das zyprische Bankensystem sei achtmal so groß wie das Bruttoinlandsprodukt des Landes. Für Zypern sei es daher unmöglich, mit einer Bankenkrise allein fertig zu werden, heißt es weiter.

„Das übrige Europa und insbesondere Deutschland haben ihren Standpunkt deutlich gemacht: Weil die europäischen Wähler kaum noch bereit sind, weitere Rettungspakete zu akzeptieren, müssen die Kosten für die Steuerzahler so gering wie möglich gehalten werden. Weitere Gläubigerbeteiligungen (Bail-in) sind denkbar. Für Spanien und Irland ist das nicht ohne Risiko. Zweifellos spielt bei zukünftigen Entscheidungen auch die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland eine Rolle“, so Spector.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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