Kommentar
13:35 Uhr, 24.06.2022

Bärenmarkt vor frühem Ende?

Gerade gewöhnen sich Anleger an den Bärenmarkt, da könnte er schon wieder vorbei sein. Dieser Optimismus lässt sich untermauern. Trotzdem ist Vorsicht geboten.

Erwähnte Instrumente

  • S&P 500
    ISIN: US78378X1072Kopiert
    Kursstand: 3.795,73 Pkt (S&P) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • S&P 500 - WKN: A0AET0 - ISIN: US78378X1072 - Kurs: 3.795,73 Pkt (S&P)

Inzwischen ist weitläufig akzeptiert, dass sich die Börsen in einem Bärenmarkt befinden. Der Konsens ist sogar so weitreichend, dass man als Anleger skeptisch werden muss. Man kann Aussagen wie „S&P 500 unter 3.500 Punkte garantiert“ von Investmentbanken und Anlageberatern finden. Wenn eines an der Börse nicht geschieht, dann dass es genau so kommt wie erwartet. Trotzdem wirkt der Konsens verlockend. Die Inflationsrate ist nicht mehr unter Kontrolle und die Zinsen werden in großen Schritten erhöht. Hinzu kommt eine Abschwächung des Wachstums, welche mit immer höherer Wahrscheinlichkeit in einer Rezession endet. An Argumenten, weshalb der Markt noch lange fallen sollte, mangelt es nicht. Auch im Vergleich zum typischen Bärenmarkt besteht noch Luft nach unten. Im Durchschnitt aller Bärenmärkte seit 1950 wird ein Boden ausgebildet, wenn der S&P 500 mehr als 30 % verloren hat (Grafik 1). Dem Markt fehlen bis zu diesem Wert noch knapp 10 Prozentpunkte.


Auch zeitlich ist ein Bärenmarkt ausgedehnt. Korrekturen sind nach wenigen Monaten vorbei. Bärenmärkte halten sich für gewöhnlich ein Jahr lang. Indizes haben also erst die Hälfte hinter sich. Zudem kommt es gegen Ende des Bärenmarktes häufig noch zu einem finalen Selloff.

Trotz schlechter Stimmung an der Börse bleiben Analysten optimistisch. Sie erwarten für dieses Jahr immer noch einen Gewinnanstieg im mittleren einstelligen Prozentbereich. Ein Bärenmarkt ohne Gewinnrezession ist jedoch sehr selten. Es wäre erst der zweite seit 1900 (Grafik 2). Man kann vermuten, dass eher die Analysten irren und nicht die Anleger.


Der Aktienmarkt hat eine Gewinnrezession bereits eingepreist. Auch der Zinsschock ist größtenteils eingepreist. Niemand ist mehr überrascht, wenn die Fed die Zinsen auch im Juli um 0,75 Prozentpunkte anhebt. Inflation ist inzwischen auch keine Überraschung mehr. Auf dem Termin- und Derivatemarkt wird bis September eine Inflationsrate von ca. 9 % erwartet. Selbst ein weiterer Anstieg der Teuerung auf 9 % vom jetzigen Niveau aus ist kein Schock mehr.

Ob der Bärenmarkt mangels neuer Überraschungen für beendet erklärt werden kann, sei dahingestellt. Statistisch nähert sich der Bärenmarkt dem Ende. Im Durchschnitt verlieren Aktien in einem Bärenmarkt 34,6 %. Dieser Durchschnitt umfasst alle Bärenmärkte seit 1900. Der Durchschnitt wird vor allem von der Großen Depression nach unten gedrückt (Grafik 3).


Betrachtet man den Durchschnitt seit 1950, liegt der Kursverlust bei 31 %. Noch interessanter ist der Median, der seit 1950 bei 25,9 % liegt. Die Hälfte aller Bärenmärkte endete, bevor ein Minus von 25,9 % erreicht wurde, die andere Hälfte mit einem Minus, welches größer war.

Zum mittleren Kursverlust von 25,9 % fehlt nicht mehr viel. Statistisch lässt sich der Bärenmarkt beinahe für beendet erklären. Jeder Bärenmarkt ist jedoch anders und die wenigsten halten sich an Durchschnitte und Statistiken.

Persönlich werde ich immer skeptisch, wenn der Konsens zu groß wird. Genau das geschieht gerade. Tiefere Kurse halte ich aus fundamentaler Sicht weiterhin für gerechtfertigt und für wahrscheinlich. Daran ändert auch der Konsens nichts. Wegen des enormen Konsenses sollte man aber auf der Hut sein. Der Bärenmarkt könnte früher enden, als viele denken. Wer nicht aufpasst, verpasst die Trendwende möglicherweise. Viele sehen diese erst zu Jahresende oder 2023. Erfahrungsgemäß geht der Markt den Weg, der für die größtmögliche Anzahl der Anleger zu den höchsten Verlusten führt. Eine verfrühte Trendwende würde das garantieren.

Aktuell gehe ich nach wie vor von tieferen Tiefs aus. Meine Bereitschaft, auch wieder über Käufe nachzudenken, steigt allerdings langsam wieder an. Beim nächsten Kursrückgang wird die Lage neu beurteilt und über einen ersten Kauf nachgedacht. Bedingung für einen Kauf ist eine Trendwende in den Erwartungen, d.h. die Erwartungen in Bezug auf Inflation, Zinsen und Wachstum drehen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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