Kommentar
08:57 Uhr, 08.09.2021

Autoindustrie im Goldrausch, aber wie lange noch?

Die Autoindustrie ist profitabel wie nie. Wer hätte gedacht, dass Absatzprobleme eine Goldgrube sind…

Inzwischen haben es die meisten mitbekommen: Die Autoindustrie hat ein Problem. Das Problem sind Halbleiter. Zu Beginn der Pandemie hatten viele Firmen Angst, dass sie auf hohen Beständen sitzenbleiben. Daher wurden Bestellungen wie die von Halbleitern storniert. Unternehmen wollten die Fehler der letzten Krise 2008/09 nicht wiederholen.

Die Krise wiederholte sich aber nicht. Stattdessen folgte dem kurzen Einbruch eine Aufholjagd. Halbleiter wurden wieder bestellt, doch die Lieferzeiten sind lang. Die Laufbänder stehen bei den meisten Autobauern nun immer wieder still. Es kann nicht produziert werden.

Was wie ein Desaster klingt, ist nicht unbedingt auch ein Desaster. Die großen Autobauer haben im ersten Halbjahr 2021 richtig viel Geld verdient. Allein bei General Motors, Ford, BMW, VW, Daimler, Toyota und Renault liegt der Halbjahresgewinn bei mehr als 50 Mrd. Dollar (Grafik 1).

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Dieser Gewinn ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Im ersten Halbjahr 2020 schrieben diese Autobauer zusammen noch einen Verlust von fast 10 Mrd. Der Rebound ist also absolut bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist das Wachstum gegenüber 2019. Das Vorkrisenniveau wurde deutlich übertroffen.

Das Krisenhalbjahr 2020 war für die meisten schwierig und brachte Verluste. Im Vergleich zu 2009 war es jedoch gar nicht so schlecht, zumal sich die Krise während der Finanzkrise deutlich länger zog als nur ein halbes Jahr lang.

Autobauer waren bereits vor 2020 auf Sparkurs. Die Pläne wurden beschleunigt. Das erklärt die Profitabilität. Es könnte noch mehr verdient werden, wenn nur mehr produziert würde. Das geht aufgrund der Chipknappheit nicht. So kommt es, dass in den drei wichtigsten Märkten (USA, China, EU) die Autoverkäufe wieder rückläufig sind (Grafik 2).

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Der Absatz sinkt seit März 2021 wieder. Trotzdem war das erste Halbjahr ein Wonnehalbjahr. Das ist alles andere als intuitiv. Die Verkäufe brechen geradezu ein. In den USA fiel die Anzahl verkaufter Autos zuletzt von annualisiert 18,8 Mio. Fahrzeugen auf 13,5 Mio.

Zurückgehende Verkäufe sollten die Gewinne eigentlich schmälern. Das ist dieses Mal nicht der Fall. Der Lagerbestand sinkt mit den Verkäufen. Die Nachfrage ist also höher als das Angebot. Die Verkäufe sind im Vergleich zum Lagerbestand sogar so hoch wie noch nie.

Hohe Nachfrage und Angebotsknappheit lassen die Preise steigen. Die Margen der Autobauer steigen, obwohl sie weniger verkaufen. Das ist eine einmalige Situation, die es zumindest seit 50 Jahren nicht mehr gab.

Die Aktienkurse sinken seit Anfang Juni trotzdem. Das hat gute Gründe. So schön die hohen Margen sein mögen, sie stellen langfristig ein Problem dar. Immer höhere Preise schrecken Kunden ab. Die Nachfrage dürfte einen Dämpfer erhalten. Lieferschwierigkeiten sind zudem kein Aushängeschild für das Image.

Dem Boom must nicht gleich ein Bust folgen. Anleger preisen jedoch eine schwierigere Zukunft ein. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Trotz Goldrausch in den Bilanzen ist der Sektor aktuell kein Kauf.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • mariahellwig
    mariahellwig

    "Immer höhere Preise schrecken Kunden ab."

    Das glaube ich nicht. Durch die niedrigen Zinsen sind auch teurere Auto problemlos finanzierbar. Die Immobilien machen es vor.

    10:50 Uhr, 08.09.2021
  • mkgeld
    mkgeld

    ja nicht mehr lange während in China die Preise für Elektroautos fallen steigen Sie bei uns wegen der staatlichen Subvention. Nur längerfristig kommt alles was nur elektronisch ist aus Asien und wird dort produziert. Elektromotoren sind Massenware nur die Batterie ist noch ein Unterscheidungskritierium. Die Verbraucher merken das bald und dann ist es egal welcher Aufkleber auf dem Auto ist. Zudem wird weniger gefahren wegen Homeoffice in vielen Bereichen. Damit wird sich die Nachfrage langfristig reduzieren.

    09:37 Uhr, 08.09.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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