Fundamentale Nachricht
08:40 Uhr, 23.04.2019

Australische Immobilienblase kurz vor dem Platzen

Jupiter-Fondsmanager Ariel Bezalel geht jedoch davon aus, dass es noch eine Weile dauern kann, bis die RBA ernsthaft eine Senkung der Zinsen in Betracht zieht.

London (GodmodeTrader.de) - Strengere Kreditvergabestandards in Australien haben den Wohnimmobilienmarkt 2018 unter großen Druck gesetzt. Das Land steht nun vor dem schwersten Immobilienabschwung seit 35 Jahren. In diesem Umfeld ist die Dynamik der Immobilienrezession entscheidende Grundlage für mein großes Vertrauen in australische Staatsanleihen, wie Ariel Bezalel, Head of Strategy, Fixed Income und Fondsmanager des Jupiter Dynamic Bond SICAV bei Jupiter Asset Management, in einem Marktkommentar schreibt.

Als Australien das letzte Mal in der Rezession gesteckt habe, war Deutschland dabei gewesen, die Berliner Mauer offiziell niederzureißen, Margaret Thatcher sei gerade als Premierministerin zurückgetreten und Donald Trump habe noch kein einziges Unternehmen in die Pleite geführt, heißt es weiter.

„Seit der ‚notwendigen Rezession‘, wie sie der damalige Finanzminister Paul Keating im November 1990 bezeichnete, hat Australien eine beispiellose Phase wirtschaftlichen Wachstums hinter sich und trotzte sogar der globalen Finanzkrise 2008. Allerdings beobachten wir die zunehmende Schwäche des australischen Wohnimmobilienmarktes schon seit Längerem und haben Bedenken, dass sich eine schleichende Kreditverknappung anbahnt, deren Ausmaß sich in den nächsten zwölf Monaten deutlich verschlimmern könnte. So warnte Morgen Stanley vor kurzem, dass die Immobilienkrise den 27 Jahren rezessionsfreier Zeit in Australien ein Ende bereiten könnte“, so Bezalel.

Die Situation des australischen Immobilienmarktes habe erstaunliche Ähnlichkeit mit jener des US-Immobilienmarktes vor der globalen Finanzkrise. Australiens Immobilienmarkt habe sich in den letzten 35 Jahren stark entwickelt. Nun befinde er sich aber im steilen Sinkflug, da Banken ihre einst lockeren Kreditvergabestandards verschärften. Dies sei im Anschluss an eine von der Regierung bei der Royal Commission in Auftrag gegebene Untersuchung der Kreditvergabepraktiken der Banken geschehen. In ihrem Bericht vom September 2018 habe die Behörde festgestellt, dass die Banken bei der Überprüfung der persönlichen Ausgaben der Kreditnehmer ungenau arbeiteten, heißt es weiter.

„Infolgedessen ist die Kreditvergabe am australischen Wohnungsmarkt dramatisch zurückgegangen und das Land steht nun vor dem schlimmsten Immobilienabschwung seit 35 Jahren. Die nationalen Immobilienpreise fielen im Dezember um 1,3 Prozent – der höchste monatliche Rückgang seit 1983 –, sodass der jährliche Rückgang in 2018 auf 6,1 Prozent stieg“, so Bezalel.

Ein weiterer Punkt, der Sorge bereite, sei die schlechte Finanzlage der australischen Verbraucher, die unter den Industrieländern mit einer Schuldenquote von 120 Prozent gegenüber dem BIP die höchste Verschuldung aufwiesen. Das sei sogar etwas höher als die Verschuldung der US-amerikanischen Verbraucher kurz vor der globalen Finanzkrise. Da Hypotheken 56 Prozent der gesamten Haushaltsverschuldung ausmachten, wirke sich dies bereits auf die australische Wirtschaft aus, heißt es weiter.

„Im dritten Quartal 2018 verlangsamte sich das BIP-Wachstum in Australien deutlich auf 0,3 Prozent. Im Vorquartal hatte es noch bei 0,9 Prozent gelegen. Dieser Wert entsprach nur der Hälfte der Wirtschaftsprognosen und war vor allem auf eine Abschwächung der Konsumausgaben zurückzuführen. Schwächere Einzelhandelsumsätze im Dezember 2018 spiegelten den Druck auf die Verbraucher wider. Das jährliche Wachstum für 2018 sank dadurch von 3,4 Prozent auf 2,8 Prozent. Auch die Zahl der Baugenehmigungen geht rasant zurück“, so Bezalel.

Es sei davon auszugehen, dass sich die Wirtschaft in den nächsten sechs Monaten weiter abschwächen werde. Zumal der Gegenwind aus der wohnungswirtschaftlichen Kreditkrise mit einer Wachstumsverlangsamung in China, dem größten Handelspartner Australiens, einhergehe. Und auch die möglicherweise turbulenten Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres rückten immer näher, heißt es weiter.

„Daher sind wir optimistisch mit Blick auf länger laufende australische Staatsanleihen, die ihr ursprüngliches AAA-Rating behalten und wie andere begehrte Safe-Haven-Anlagen wie US-Staatsanleihen während der extremen Volatilität der Aktienmärkte im vierten Quartal 2018 eine starke Performance erzielten. Außerdem sichern wir sämtliche Positionen im australischen Dollar in unserer Strategie ab, da wir davon ausgehen, dass sich die Währung weiter abschwächen wird. Die Zinssätze in Australien liegen bei etwa 1,5 Prozent, und wir glauben, dass sie angesichts der aufgezeigten wirtschaftlichen Risiken möglicherweise auf null fallen könnten“, so Bezalel.

Tatsächlich habe der stellvertretende Gouverneur der Reserve Bank of Australia (RBA) in der ersten Dezemberwoche Zinssenkungen und sogar quantitative Lockerung als mögliche geldpolitische Optionen ins Spiel gebracht, um dem schwachen Immobilienmarkt entgegenzutreten. Beide Maßnahmen wären für australische Staatsanleihen sehr positiv. Im Februar habe die RBA ihre Wachstumsprognose für das erste Halbjahr 2019 von 3,25 Prozent auf 2,5 Prozent gesenkt, was erneut zu einem Anstieg australischer Staatsanleihen geführt habe. Das Protokoll der letzten Zinssitzung der RBA habe auf gestiegene Bedenken in Bezug auf den Wohnungsmarkt hingewiesen. Tatsächlich habe die Immobilienproblematik sogar etwas stärker im Mittelpunkt gestanden als die Bedenken über Chinas Wachstumsaussichten. Die RBA beginne endlich zu erkennen, dass es ein wachsendes Problem gebe, heißt es weiter.

„Wir glauben, dass es eine Weile dauern kann, bis die RBA ernsthaft eine Senkung der Zinsen in Betracht zieht. Diese Haltung dürfte das längere Ende der Zinskurve weiter unter Druck setzen, was den Staatsanleihen, die wir im Portfolio halten, zugutekommen könnte. Zu den potenziellen Katalysatoren, die wir im Auge behalten, gehören zusätzliche Wachstumsabschwächungen und sämtliche Anzeichen dafür, dass die Abschwächung auf den Arbeitsmarkt durchzuschlagen beginnt, auf dem derzeit nach Definition der RBA Vollbeschäftigung herrscht“, so Bezalel.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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