Ausblick für die Eurozone 2021
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Das vergangene Jahr war zwar düster und brachte viele Strapazen mit sich, doch es gibt auch Hoffnungsschimmer. Anfänglich stellte sich die Erholung der Wirtschaft von der Pandemie genauso schnell ein wie der Abschwung selbst und jedes OECD-Land wies im dritten Quartal 2020 ein positives vierteljährliches BIP-Wachstum auf. Zu diesem rasanten Aufschwung trugen vor allem zwei Faktoren maßgeblich bei, die beide ein gutes Zeichen für die Dauerhaftigkeit der Erholung sind. Erstens wurde die Rezession nicht durch globale Übertreibungen ausgelöst, die nur langsam korrigiert werden können.
Zweitens reagierten die Währungshüter und Regierungen rund um die Welt schnell mit fiskal- und geldpolitischen Hilfsmaßnahmen und begrenzten damit bei Unternehmen und Haushalten den Bilanzschaden, der Erholungen normalerweise behindert. Das schiere Ausmaß dieser Hilfsmaßnahmen erkennt man an folgenden Zahlen: Die geld- und fiskalpolitischen Stimuluspakete des letzten Jahres beliefen sich weltweit insgesamt auf 21 Billionen USD – etwa die Größe des US-BIP – und effektiv kauften die Zentralbanken etwa 1 Milliarde USD an Anleihen pro Stunde.
Wir rechnen damit, dass dieser beginnende Aufschwung durch Massenimpfungen in der ersten Jahreshälfte 2021 gestützt wird, und gehen in unserem Basisszenario von einer robusten Erholung aus. Die zweite Welle des Virus Ende des letzten Jahres hat das globale BIP-Wachstum zwar gebremst, doch dieser Rückschlag ist unserer Ansicht nach nur vorübergehend, bis die Herausforderungen bei der Organisation der Massenimpfungen in den kommenden Monaten überwunden sind. Zudem dürften die derzeit historisch lockeren Finanzierungsbedingungen das Wachstum ebenso stützen wie die Ankündigungen von Währungshütern und Regierungen, die Erholung mit weiteren Hilfspaketen zu fördern. Gleichzeitig sollten die hohen Überkapazitäten in der Wirtschaft, die in vielen Teilen der Welt nach wie vor bestehen, den Inflationsdruck dämpfen – abgesehen von dem Druck, der kurzzeitig entsteht, wenn sich die Preise von ihrem derzeit reduzierten Niveau erholen.
Es gibt natürlich eine Reihe von Risiken, durch die die düstere Stimmung im kommenden Jahr länger anhalten könnte. Nach einer genauen Analyse halten wir jedoch keines dieser Risiken für wahrscheinlich genug, um unsere zentrale Einschätzung zu untergraben, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr neu aufblühen wird. Bezüglich dieser Prognose fällt uns ein Zitat des französischen Dichters Victor Hugo ein: „Sogar die dunkelste Nacht wird enden und die Sonne wird aufgehen.“
Eurozone: Eine Geschichte von gegensätzlichen Entwicklungen
Die diesjährige Eurozonen-Prognose enthält zahlreiche gegensätzliche Entwicklungen. Zum einen gehen wir von einem uneinheitlichen Wirtschaftswachstum im Verlauf des Jahres 2021 aus: Nach den Schwächen, die Anfang des Jahres durch die Maßnahmen zur Viruseindämmung verursacht werden, wird sich bis zur Jahresmitte dank Massenimpfungen, wärmeren Wetters und Lockdown-Lockerungen letztendlich ein über dem Trend liegendes Wachstum einstellen. Ebenso werden sich die einzelnen Wirtschaftssektoren voraussichtlich unterschiedlich entwickeln. Der Rückenwind beispielsweise, den das verarbeitende Gewerbe dank der Erholung des globalen Handels aktuell verspürt, wird sich unseren Erwartungen zufolge später im Jahr etwas legen, wenn die Ausgaben der privaten Haushalte für Dienstleistungen wieder zur Haupttriebfeder der gesamtwirtschaftlichen Aktivität werden.
Und schließlich werden auch die Wachstumsraten der einzelnen Euro-Länder alles andere als einheitlich sein, was auf die Unterschiede bei den Ansätzen zur Viruseindämmung, die Größe der einzelnen Wirtschaftssektoren und die Möglichkeiten für fiskalpolitische Stimulusmaßnahmen zurückzuführen ist. Deutschland dürfte sich hier anfangs besonders gut entwickeln, weil der Anteil zyklischer Industriesektoren und die Kapazität für weitere staatliche Ausgaben hoch sind, während Frankreich, Italien und Spanien zunächst schwächer abschneiden dürften. Diese Länder werden jedoch später im Jahr aufholen, wenn die Zuschüsse und Kredite im Rahmen des „NextGenerationEU“-Aufbauplans bereitgestellt werden.
Trotz dieser Unterschiede gibt es in unserem Wirtschaftsausblick für 2021 auch drei Themen, die in der Eurozone langfristig beständig sind. Erstens wird die Inflation angesichts der hohen negativen Produktionslücke, der flachen Phillipskurve (Verhältnis zwischen Überkapazität in der Wirtschaft und Preisdruck) und der langfristigen Inflationserwartungen, die beharrlich unterhalb des Inflationsziels der EZB liegen, voraussichtlich gedämpft bleiben.
Zweitens rechnen wir aufgrund der hartnäckig niedrigen Inflation mit einer weiterhin sehr lockeren Geldpolitik. In der Tat wird bei der bevorstehenden Strategieprüfung der EZB wahrscheinlich ein symmetrisches mittelfristiges Inflationsziel um 2 % bestätigt, wofür aufgrund des fehlenden Inflationsdrucks in der Eurozone noch viele Jahre eine lockere Geldpolitik notwendig sein wird. Noch hat es die EZB zwar nicht völlig ausgeschlossen, ihren Leitzins noch weiter in den negativen Bereich zu senken, doch wir halten das für unwahrscheinlich, denn die Meinungen über die Wirksamkeit dieser Maßnahme sind geteilt. Wohl eher wird die EZB weiter Anleihen kaufen und ihre gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) fortsetzen, um die Banken so lange zu unterstützen, bis die Erholung Fuß gefasst hat.
Und schließlich dürfte die expansive Fiskalpolitik anhalten, indem die Einkommenszuschüsse an die Haushalte, die Programme zum Erhalt von Arbeitsplätzen und die Kreditgarantien für Unternehmen verlängert werden. Alles in allem legen diese Maßnahmen nahe, dass das Eurozonen-BIP in diesem Jahr mit einem über dem Trend liegenden Tempo von 4,6 % wachsen wird. Dennoch bestehen Abwärtsrisiken für unsere Prognose, etwa wenn es länger dauern sollte, die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, oder falls es durch die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen nicht gelingen würde, eine Konkurswelle zu verhindern. Politische Entwicklungen – vor allem bezüglich der Bundestagswahl in Deutschland im September – könnten sich zweierlei auf das Wachstum auswirken. Einerseits könnte ein Wechsel zu einer fiskalpolitisch konservativen Regierung nach dem Ausscheiden von Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland dazu führen, dass die fiskalpolitischen Zügel zu früh angezogen werden. Übernehmen hingegen die Grünen mehr Regierungsverantwortung in einer deutschen Regierungskoalition und setzen sich für eine europäische Fiskalunion ein, könnte das für den längerfristigen Ausblick positiv sein. Allerdings hätte das 2021 voraussichtlich noch keine merklichen Auswirkungen auf die Wachstumsentwicklung, da eine breitere Integration in Europa ein langwieriger Prozess ist. Wir werden die Bundestagswahl in Deutschland in diesem Jahr daher genau beobachten.
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