Fundamentale Nachricht
13:02 Uhr, 10.02.2014

Ausblick für 2014/2015: Mehr Wachstum, stärkere Differenzierung

Für die Weltwirtschaft erwarten die Ökonomen von Goldman Sachs in diesem Jahr ein leicht über der Konsensprognose und knapp unter dem Trend liegendes Wachstum von 3,7 Prozent.

Frankfurt (BoerseGo.de) – „Zu Beginn des neuen Jahres möchten wir die Gelegenheit nutzen, um unseren Ausblick für 2014 zu aktualisieren und unsere Prognosen für 2015 vorzustellen. Für die Weltwirtschaft erwarten wir in diesem Jahr ein leicht über der Konsensprognose und knapp unter dem Trend liegendes Wachstum von 3,7 Prozent. 2015 rechnen wir dann mit einer Wachstumsbeschleunigung auf 3,9 Prozent. Eine Konvergenz in Richtung Wachstumstrend dürfte vor 2015 kein großes Thema sein“, schreibt Anna Stupnytska, Makroökonomin in der Global Portfolio Solutions (GPS) Group bei Goldman Sachs Asset Management in London, in einem aktuellen Konjunkturausblick.

Auch was die Industrieländer angehe, lägen man etwas über der Konsensprognose, weil man in den USA für 2014 und 2015 ein über dem Trend liegendes Wachstum vorhersage. Die wesentlichen Elemente dieser Auffassung seien ein Nachlassen der fiskalpolitischen Bremswirkungen, eine Zunahme des privaten Verbrauchs dank der sich verbessernden Arbeitsmarktlage, eine erneute Belebung im Wohnungsbau und in der Bauwirtschaft insgesamt, sowie eine Erholung bei den Unternehmensinvestitionen. Die konjunkturelle Belebung in der Eurozone werde sich wohl fortsetzen, wobei allerdings das Tempo vor allem wegen des schwachen Kreditwachstums wahrscheinlich mäßig ausfallen dürfte. Die erheblichen Fortschritte der Peripherieländer bei der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und der Durchsetzung von Strukturreformen sollten sich positiv auf das Wachstum auswirken, heißt es weiter.

„Wir erwarten, dass sich der Abbau von Ungleichgewichten zwischen den Kern- und Peripherieländern der Eurozone allmählich fortsetzen und die finanziellen Rahmenbedingungen langsam weiter konvergieren werden. Japan steht 2014 vor einer großen Herausforderung; denn das Land versucht, die positiven Wachstumsimpulse ausgehend von den ‚Abenomics‘, der neuen Wirtschaftspolitik unter Ministerpräsident Abe, vor dem Hintergrund der Erhöhung von Verbrauchssteuern aufrechtzuerhalten. Ein circa vier Billionen Yen schweres Konjunkturprogramm soll auf den Weg gebracht werden. Trotz erheblicher Schwankungen im Wachstumsverlauf erwarten wir für Japan 2014 eine dem Trend entsprechende Wachstumsrate von 1,5 Prozent. In unserem Wachstumsausblick weisen wir auf eine stärkere Divergenz der geldpolitischen Zyklen hin; denn wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank Fed ihre Anleihekäufe im ersten Halbjahr 2014 weiter drosseln wird. Wir sind allerdings auch der Meinung, dass die EZB ihre Geldpolitik noch mehr lockern muss, um den zu einem Inflationsrückgang führenden Kräften entgegenzuwirken. Interessanterweise bedeuten Japans derzeitige Bemühungen mit dem Ziel eines Inflationsimports, dass es damit einen Inflationsrückgang in seine Handelspartnerländer einschließlich Europas exportiert“, so Stupnytska.

Nach einem schwachen Jahr 2013 vermutet die Finanzexpertin, dass die Wachstums- und Schwellenländer trotz weltweit moderat höherer Zinssätze endlich wieder Fahrt aufnehmen. „Unserer Meinung nach wird aber keines der acht Wachstumsländer, für die wir Prognosen aufstellen, 2014 zu seinem trendmäßigen Wachstum zurückfinden. Der Fortschritt bei den nach der Finanzkrise eingeleiteten Strukturreformen ist bislang enttäuschend. Dies spiegelt sich auch in dem in letzter Zeit flauen Wirtschaftswachstum wider. Lediglich aus China und Mexiko kamen diesbezüglich zuletzt positive Nachrichten, obwohl Chinas Reformvorhaben – wenn sie umgesetzt werden – die Wachstumsrate in dem Land kaum über das aktuelle Niveau hinaus anheben dürften. Der Druck, der von den weltweit steigenden Zinssätzen auf die Außenfinanzierung ausgeht, und ein langsameres Wachstum in China werden in Zukunft dennoch für Gegenwind sorgen. Länder mit hartnäckigen Leistungsbilanzdefiziten wie die Türkei, Südafrika, Brasilien, Indien und Indonesien dürften den Druck zu spüren bekommen, der aus strengeren finanziellen Rahmenbedingungen resultiert – insbesondere angesichts hoher Inflationsraten. Eine moderate Zunahme der Kreditvergabe an den privaten Sektor sollte der Konjunktur willkommene Impulse geben, während das Kreditwachstum in Teilen Asiens und Lateinamerikas Anzeichen einer Stabilisierung zeigt. Wegen der Wachstumsbeschleunigung in den USA und Europa sollten auch Länder mit engen wirtschaftlichen Verbindungen zu den Verbrauchern in den Industrieländern wie Südkorea und Mexiko gut aufgestellt sein.

Unserer Meinung nach besitzen Aktien in der jetzigen Zyklusphase die besten Voraussetzungen für eine starke Performance, und wir halten deshalb in unseren taktischen, mehrere Anlageklassen umfassenden Portfolios (‚Multi-Assetklassen-Portfolios‘) an der Übergewichtung von Aktien aus Industrieländern fest. Obwohl bereits umfangreiche Mittel in die zuletzt genannten Papiere geflossen sind, erwarten wir vor allem in Europa und Japan steigende Unternehmensgewinne, die zu einer Fortsetzung der Rally an den Aktienmärkten beitragen dürften. Die Aussicht auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik durch die Notenbank Japans könnte in Verbindung mit der dort stattfindenden Umschichtung von Geldern in riskantere Vermögenswerte dem Aktienmarkt des Landes kräftigen Auftrieb geben. Die günstigen Rahmenbedingungen für Aktien sollten auch die Spreads auf Unternehmensanleihen positiv beeinflussen, wenngleich das Aufwärtspotenzial wegen des bereits angespannten Bewertungsniveaus und im Falle von Kassenobligationen der stärkeren Sensitivität gegenüber dem Anstieg der US-Zinssätze begrenzt sein könnte. Was die Währungen betrifft, erwarten wir einen auf breiter Basis starken US-Dollar, wozu größere Zinsabstände und der Umstand beitragen sollten, dass die US-Währung relativ ‚billig‘ ist. Im Rentenbereich rechnen wir bei US-Staatsanleihen mit insgesamt steigenden Kursen, und zwar insbesondere bei Papieren mit längeren Laufzeiten.

Während die weltweite Inflation vor allem dank der unter dem Inflationsziel liegenden Teuerungsraten in den Industrieländern im Durchschnitt weiterhin verhalten bleiben sollte, wird der zunehmende Inflationsdruck in einigen Wachstums- und Schwellenländern Kompromisse in der Geldpolitik erschweren. In Indonesien, Brasilien, Russland und der Türkei könnte es wegen der nahe am Potenzial liegenden Arbeitslosigkeit zu einer Verschärfung der Geldpolitik kommen, und diese Länder sind deshalb eher gefährdet. Sobald deutlicher wird, dass das Wachstum auf breiter Basis zunimmt, befinden sich Aktien aus Schwellenländern möglicherweise in einer guten Ausgangsposition, um positive Renditen zu erzielen – insbesondere wegen des derzeit im Vergleich zu Dividendentiteln aus Industrieländern attraktiven Bewertungsniveaus. Bis auf weiteres bleiben wir bei einer neutralen Position zu Aktien und Renten aus Schwellenländern, halten aber weiter Ausschau nach makroökonomischen Katalysatoren im Hinblick auf mögliche Engagements in bestimmten Märkten mit solideren Fundamentaldaten wie z. B. Südkorea.

Die wesentlichen Risiken für unsere Auffassungen konzentrieren sich unserer Meinung nach auf drei Aspekte: eine Wachstumsschwäche in den USA, eine unerwartet strenge Geldpolitik in den USA und Spannungen in Chinas Finanzsystem. Tritt einer der beiden erst genannten Fälle ein, käme es an den Aktienmärkten wahrscheinlich zu einer massiven Verkaufswelle – entweder infolge niedrigerer Unternehmensgewinne oder aufgrund nachlassender Wirkungen der lockeren Geldpolitik. Eine Neubewertung der geldpolitischen Aussichten könnte für Anleger schwierige Bedingungen zur Folge haben, da die Korrelationen zwischen den Renditen auf Aktien und Renten positiv werden könnten, sodass weniger ‚Zufluchtsorte‘ übrig blieben. Was die hohe Verschuldung in Chinas Finanzsystem betrifft, werden wir auf potenzielle Hinweise auf Spannungen im Bankensystem und Immobilienmarkt des Landes achten. Obwohl Chinas Staatsbilanz nach wie vor sehr solide ist, könnte eine unbeabsichtigte Verschärfung für Hersteller von Grunderzeugnissen und für die Wachstums- und Schwellenländer im Allgemeinen besondere Herausforderungen mit sich bringen“, so die Goldman-Sachs-Ökonomin.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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