Kommentar
19:00 Uhr, 25.11.2008

Ausblick 2009 - Jahr der Stabilisierung

Die Kreditkrise ist unverändert das beherrschende Thema an den Finanzmärkten. Trotz der Krise sind wir am 13. Oktober aufgrund einer Kombination verschiedener Faktoren positiv gegenüber Aktien geworden (stark gesunkene Kurse, hoher Pessimismus, weitreichende Maßnahmenpakete der Regierungen und Notenbanken zur Durchbrechung der Abwärtsspirale im Finanzsystem). In dieser Publikation geben wir eine Einschätzung, wie sich die seit dem eingetretenen Entwicklungen aus unserer Sicht einordnen lassen, sowie einen Ausblick für das Jahr 2009.

Die Regierungen und Notenbanken setzen massive Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems ein: Fakten und Thesen zu den Implikationen für die Aktienmärkte. Ziel der Maßnahmen ist eine Stabilisierung des Finanzsektors und die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Krediten. Im Detail lassen sich folgende Überlegungen hervorheben:

- Fakten: Die europäischen Regierungen haben am 11./12. Oktober weitreichende Maßnahmen zur Stabilisierung des Bankensektors beschlossen (und mittlerweile umgesetzt) die sich auf die Themen „Eigenkapitalhilfe“ und „Unterstützung bei der Refinanzierung“ konzentrieren. Die US Regierung hat ebenfalls den Fokus ihres Bail-Out Plans hin zur Eigenkapitalhilfe verschoben. Diese Maßnahmen werden durch fiskalpolitische Impulse flankiert. Thesen: Die Regierungen wollen den Erfolg dieser Maßnahmen. Sollten sich einzelne Details der Maßnahmen als nicht ausreichend gut für die Erreichung des Ziels erweisen, dann sind Änderungen nicht tabu. Sollten die zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen, dann dürften die Regierungen weitere Mittel zur Verfügung stellen. Die Regierungen haben eine „rote Linie“ überschritten und es würde keinen Sinn machen, auf halben Weg stehen zu bleiben.

- Fakten: Die Fed und die EZB sind im Oktober dazu übergegangen faktisch unbegrenzt Liquidität zur Verfügung zu stellen. So hat beispielsweise die EZB angekündigt, dass sie (mindestens) bis Ende Januar 2009 in ihren Refinanzierungsgeschäften jede vom Bankensystem beantragte Kreditsumme in Euro und in USD zu Verfügung stellen wird (gegen Sicherheiten). Thesen: Auch die Notenbanken haben zur Erreichung des Ziels eine imaginäre „rote Linie“ überschritten. Die Maßnahmen geben den Banken Luft Entscheidungen zur Verbesserung der Solvenz zu treffen und sollten somit stabilisierend wirken. Es erscheint uns sehr unwahrscheinlich, dass die Notenbanken Ende Januar den eingeschlagenen Weg wieder verlassen werden, wenn die Stabilisierung des Finanzsektors noch nicht erreicht sein sollte.

- Aktienmarkt: Die Maßnahmen können weitere schlechte Nachrichten aus dem Finanzsektor zwar nicht verhindern, die Existenz des geknüpften Sicherheitsnetzes macht es jedoch einfacher sie zu bewältigen und zu „verdauen“. Der jüngste Einbruch der Konjunkturerwartungen ist mit der Zuspitzung der Kreditkrise verknüpft. Im Oktober und November scheint die Welt in eine Art „Schockstarre“ gefallen sein, in der Unternehmen jede Möglichkeit zur Stornierung von Aufträgen genutzt haben. Mit den Maßnahmen der Regierungen und Notenbanken sollte sich die Lage des Bankensystems stabilisieren und sich die schlimmsten Konjunkturbefürchtungen wieder zurück bilden.

Die Rezession in den G7 Ländern wird sich in H1/2009 fortsetzen, die Maßnahmen der Regierungen und Notenbanken können jedoch eine Depression verhindern. Das BIP wird in Q4 gemäß dem Bild unserer Economists deutlich schrumpfen, ebenso in Q1/2009 und auch in Q2 noch im negativen Bereich liegen. Die Belastungen gehen in dieser Phase vor allem vom Privaten Verbrauch, Investitionen und dem Lagerhaltungszyklus aus. Im zweiten Halbjahr 2009 liegen die Wachstumszahlen dann wieder knapp im positiven Bereich. Zur Verbesserung tragen die Umkehrung des Lagerhaltungszyklusses bei sowie eine Normalisierung beim Privaten Verbrauch und den Investitionen. Die Erholung wird sich 2010 weiter fortsetzen, allerdings bleiben die Wachstumsraten deutlich unter Potenzial. Im Gesamtzeitraum werden sich die asiatischen Volkswirtschaften zwar zunächst gleichfalls abschwächen aber insgesamt und vor allem China mit seinen Möglichkeiten zur fiskalischen Stimulierung stabilisierend wirken. Bei der Einschätzung der Wachstumszahlen für 2009 lässt sich noch anmerken, dass sie aufgrund des statistischen Unterhangs (H2/2008 schrumpft das BIP) schlechter aussehen als sie vom quartalsweisen Verlaufsmuster eigentlich sind.

Wann ist der maximale Konjunkturpessimismus erreicht? Die Zuspitzung der Kreditkrise in den letzten Wochen und die deutlichen Kursverluste vollziehen sich in einem Umfeld, in dem die ifo Konjunkturerwartungen auf den niedrigsten je erzielten Wert gefallen sind (das bisherige Tief lag im Herbst 1973). In dem Indikator verdichten sich die vielen Facetten des Aktienmarktumfelds zu einer Zahl. Eine Schlüsselfrage im Hinblick auf den Aktienmarkt lautet: Ist es wahrscheinlicher, dass die ifo Erwartungen auf Sicht von 6 Monaten tiefer oder höher stehen werden? U.E. werden sie höher liegen. Im Zusammenhang mit anderen Faktoren, die hohe Verunsicherung anzeigen (z.B. der Anstieg der impliziten Aktienmarktvolatilität) denken wir, dass wir einem Tiefpunkt sehr Nahe sind. Der Trend der Aktienmärkte ist wiederum hoch korreliert mit dem Trend der Konjunkturerwartungen. In den vergangenen rund 40 Jahren haben Aktienkäufe in der Nähe eines unteren Wendepunktes in rund 90% der Fälle eine positive Performance auf Sicht von 3-9 Monaten beim DAX gezeigt (ähnliches gilt für die G7 Aktienindizes allgemein). Natürlich übt die Kreditkrise im aktuellen Umfeld einen besonderen Stress aus. Allerdings: 1973 hat der Aktienmarkt unter dem Ende des Bretton Woods Systems gelitten, der Ölpreis hat sich mehr als verfünffacht und die arabischen Länder haben ein Ölembargo gegen westliche Länder verhängt.

Wie viel negative Erwartungen sind in die Aktienkurse bereist eingepreist? In dem Niveau der Aktienkurse ist in unseren Augen bereits eine Rezession enthalten, die Gewinnschätzungen für 2009 spiegeln eine Rezession hingegen noch nicht wieder und sollten weiter sinken. Die Tabelle zeigt die Veränderung der I/B/E/S Gewinnschätzung für den Indexgewinn verschiedener Indizes, für verschiedene Kalenderjahre. Die Tabelle zeigt, um wie viel Prozent die Gewinnschätzungen innerhalb von zwei Jahren verändert wurden. Die stärksten Rückgänge liegen dabei im Bereich um die 50% (Deutschland). Betrachtet man den 12M Forward-Gewinn verschiedener Indizes, so liegt hier der maximale Rückgang bei etwas weniger als 50%. Alle wesentlichen Indizes haben in der Korrektur fast 50% verloren. Die Bewertung des Euro STOXX 50 und des DAX ist niedriger als zu jedem anderen Zeitpunkt bei einem Tiefpunkt der ifo Konjunkturerwartungen.

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2009: Erholung der Aktienmärkte – für Europa erwarten wir bessere Performance-Aussichten als für USA und Japan. Wir erwarten auf Sicht der kommenden Monate eine Stabilisierung/Erholung der Aktienmärkte wenn sukzessive deutlich wird, dass die Konjunktur zwar in der Rezession steckt, die aktuellen Befürchtungen über eine Depression jedoch überzogen sind. Im Verlauf des ersten Halbjahres 2009 dürfte der Markt dann in eine breite Seitwärtsbewegung übergehen in denen Sorgen/Unsicherheit über den Zeitpunkt und Dynamik der Konjunkturerholung den Aktienmarkt belasten werden (Zunahme der Unternehmenspleiten, Abwärtsrevisionen in den Gewinnschätzungen, nur eine allmähliche Stabilisierung in den Frühindikatoren, Entzug von Liquidität durch die Notenbanken nach dem teilweisen Auslaufen der Notmaßnahmen). Für das zweite Halbjahr erwarten wir dann vor dem Hintergrund wieder positiver Wachstumszahlen eine festere Tendenz am europäischen Aktienmarkt. Unser Indexziel für den Euro STOXX 50 zur Jahresmitte lautet 2700 Punkte (DAX 5300 Punkte) und zum Jahresende 2800 Punkte (DAX 5500 Punkte). Wir bevorzugen den europäischen und den deutschen Aktienmarkt gegenüber USA und Japan (Europa profitiert im Vergleich zu den anderen Regionen u.a. von positiven Währungsimpulsen).

Das größte Risiko für unseren mittelfristigen Aktienmarktausblick geht von einer möglichen zeitlichen Ausdehnung der Rezession über H1/2009 hinaus aus. Die zentralen Risiken für unser Aktienmarktbild sehen wir vor allem in den folgenden Entwicklungen:

-Kurzfristig: Die Aktienmärkte bewegen sich im Spannungsverhältnis zwischen weiterhin negativen Nachrichten einerseits und einer nur zögerlichen Entspannung im Bankensystem andererseits. Zuletzt belastete der mögliche Bankrott der US-Automobilhersteller die Kurse. In der Woche vom 8. Dezember werden vermutlich zu diesem Thema die politischen Entscheidungen fallen. Die Makro- Zahlen für Oktober und November (insbesondere Auftragseingang und Industrieproduktion) werden sehr schlecht ausfallen aufgrund der oben beschriebenen „Schockstarte“ der Weltwirtschaft. Danach sollen sie sich jedoch wieder normalisieren (im Sinne eines „normalen konjunkturellen Abwärtstrends“).

- Mittelfristig: Sollte in den kommenden Monaten entgegen unseren Erwartungen deutlich werden, dass das Wachstum auch in H2/2009 negativ bleiben und sich die Konjunkturerholung in das Jahr 2010 hinein verschieben sollte, so wäre dies negativ für Aktien. Ein erneuter Test der Lows von 2008 und auch ein Unterschreiten wäre dann zu erwarten. Eine Eintrübung des Aktienmarktumfelds kann auch von möglichen späteren Nebenwirkungen der USRettungsmaßnahmen ausgehen (Auswirkung auf Wechselkurs, Kapitalmarktzinsen und Inflation) oder von zunehmenden Spannungen in der Europäischen Währungsunion die Zweifel an ihrer längerfristigen Stabilität schüren.

Wir sind für ein positives Szenario positioniert und haben insbesondere die beschriebenen Risiken bei unserer kontinuierlichen Prüfung der Aktienperspektive im Auge.

An welchen Indikatoren kann sich der Investor zur Einschätzung der weiteren Entwicklung orientieren? Folgende Entwicklungen würden in unseren Augen die Wahrscheinlichkeit für ein konstruktiveres Aktienmarktumfeld verbessern (und ein Ausbleiben bzw. eine gegenteilige Entwicklung würde die Risiken für Rückschläge am Aktienmarkt erhöhen):

- Ein Rückgang der in der Einlagenfazilität geparkten Liquidität auf null wäre ein Zeichen für abnehmenden Stress im Bankensystem.

- Von einem weiteren Sinken der Internbanken-Geldmarktsätze und einer Einengung der OIS-Spreads würden die gleichen Signale ausgehen.

- Eine Stabilisierung der Bankindizes wäre positiv. In der Vergangenheit hatten wir immer betont, dass „ohne eine Stabilisierung der Bankindizes sich kein neuer nachhaltiger Aufwärtstrend am Aktienmarkt herausbilden wird“. Dieser Punkt hat durch das strukturelle Sicherheitsnetz, dass die Regierungen und Notenbanken geknüpft haben etwas an Bedeutung verloren. Ein Blick auf die Aktienkurse von Freddie Mae und Fanny Mae (beide notieren deutlich unter einem USD) zeigt, dass Rettungsmaßnahmen je nach Ausgestaltung zu massiven Verlusten der Altaktionäre bei gleichzeitig positiver Wirkung für das Finanzsystem führen können.

- Der Rückgang der Kreditvergabe darf nicht in einen dauerhaften Einbruch.

- Eine Stabilisierung/Erholung der Rohstoffpreise (insbesondere Öl und Kupfer) würde als „Real-Time-Indikator“ für die Konjunktur ein positives Signal senden.

- Eine Stabilisierung der Frühindikatoren (z.B ifo Konjunkturerwartung) und der Auftragseingänge würden das Vertrauen in eine Erholung in H2 stärken. Damit ist auf einer breiteren Basis erst sukzessive gegen Ende von Q1/2009 zu rechnen.

- Ein Ende der Mittelabflüsse bei Aktienfonds würde den Druck durch Zwangsverkäufe reduzieren (von Seiten der Hedge Fonds wirkt er zunächst noch fort). Die Mittelzuflüsse sind im Trend mit der Entwicklung des Verbrauchervertrauens korreliert. Der Hochpunkt der Belastungen von dieser Seite sollte hinter uns liegen.

Fazit: Die Bodenbildungsphase an den Aktienmärkten ist schwierig und komplex. Angesichts der Kombination aus stark gesunkenen Kursen, hohem Pessimismus und weitreichenden Maßnahmenpaketen der Regierungen und Notenbanken zur Durchbrechung der Abwärtsspirale im Finanzsystem) sind die Chancen am Aktienmarkt das Eingehen von Risiken aber wieder wert. Wir empfehlen eine schrittweise Erhöhung des Aktien-Exposure.

Bei diesem Fachartikel handelt es sich um Research der Unicredit-Hypovereinsbank

Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland bei Unicredit-Hypovereinsbank

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