Aus Charts die richtigen Lehren ziehen
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„The Trend is your friend“, lautet eine der bekanntesten Börsenweisheiten überhaupt. Will heißen, hat sich am Markt ein Kurstrend erst einmal etabliert, bleibt er grundsätzlich solange bestehen, wie es zu keinem eindeutigen Bruch kommt. Während professionelle Investoren diesem Aspekt über Momentum- bzw. Trendfolgestrategien seit jeher eine sehr hohe Beachtung beimessen, unterliegen viele Privatanleger der Versuchung, aus eigentlich eindeutigen Chartverläufen falsche Entscheidungen abzuleiten. Zum einen neigen sie dazu, in der Stärke und damit häufig zu früh zu verkaufen. In diesem Fall ist der Ärger über entgangene Gewinne groß. Ein Beispiel dafür ist Tesla. Die Aktie des E-Auto-Pioniers befindet sich seit Frühjahr 2020 in einem steilen Aufwärtstrend. Vielen Anlegern war das nicht mehr geheuer und sie machten schon bei 200 US-Dollar Kasse, obwohl im Chart keine leisesten Anzeichen eines Trendbruchs erkennbar waren. Heute steht der Titel doppelt so hoch. Der andere Fehler, den Privatanleger häufig begehen, ist auf gefallene Engel zu setzen, weil sie meinen, eine Aktie nach (starken) Kursverlusten vermeintlich günstig erwerben zu können. In diesem Fall wird in einem Abwärtstrend eine aussichtsreiche Einstiegsmöglichkeit gesehen. Auch das kann schiefgehen. Ein trauriges Beispiel dafür ist Wirecard.
Auf den Trend bauen
Doch wie erkennt man einen Trend? Zunächst gilt es, die vorherrschende Richtung der Bewegung festzustellen. Dazu muss man wissen, dass es auch innerhalb eines intakten Trends immer wieder zu Gegenbewegungen kommen kann. Die Börse reagiert eben sehr schnell auf Neuigkeiten. Trends hingegen entwickeln sich, weil sie eine wachsende Übereinstimmung über künftige Preise darstellen und sich erst im Laufe der Zeit ein neues Kursniveau herausbildet, das von der Mehrzahl der Marktteilnehmer als fair betrachtet wird. Als charttechnisches Instrument, um die Trendrichtung festzustellen, haben sich die gleitenden Durchschnitte bewährt. Durch die fortlaufende Berechnung eines durchschnittlichen Wertes auf Basis der vergangenen Kurse erfolgt eine Glättung des Chartverlaufs. Ausreißer bzw. kurzfristige Kursschwankungen werden auf diese Weise neutralisiert.
Feste Regeln statt Emotionen
Zu den Klassikern unter den gleitenden Durchschnitten zählt die 200-Tage-Linie. Sie beschreibt den Durchschnittskurs der zurückliegenden 200 Börsentage und hat sich in Vergangenheit als besonders valider Indikator erwiesen. Die Faustregel lautet: Ein Aufwärtstrend ist solange intakt, solange sich die beobachtete Aktie über diesem Mittelwert bewegt. Erst, wenn sie nachhaltig darunter fällt, zeichnet sich ein Trendbruch ab und ein Verkauf sollte in Betracht gezogen werden. Umgekehrt gilt: Um einen Abwärtstrend zu beenden, muss die Aktie über die 200-Tage-Linie steigen. Erst dann könnte ein Einstieg lohnen. Gleitende Durchschnitte wie die 200-Tage-Linie können für Privatanleger als einfache Orientierungshilfe dienen, um Wendepunkte zu erkennen. Auf diese Weise gibt der Indikator klare Regeln für Einstieg und Verkauf vor – frei von allen Emotionen.
Starker Trend bei Nvidia
Ein Beispiel, bei dem Anleger erheblich von der Trendfolgestrategie profitieren konnten, stellt die Nvidia dar. Die Aktie des US-Entwicklers von Hochleistungsprozessoren hat im August 2019 die 200-Tage-Linie von unten nach oben gekreuzt und befindet sich seither in einem langfristigen Aufwärtstrend. Kritisch wurde es im März 2020 während des Corona-Crashs. Damals gab die Aktie zwar kräftig ab, zum Bruch der 200-Tages-Linie kam es jedoch nicht. Viele Anleger, die zu jener Zeit die Nerven verloren und sich von ihrem Bestand verabschiedeten, dürften es bereuen. Denn der Trend blieb intakt und wer der Aktie die Treue hielt, darf sich seither über einen zusätzlichen Gewinn von mehr als 170 Prozent freuen. Auch in diesem Fall erwies sich der Trend also als guter Freund.
Methoden verfeinern
Gleichwohl sind Trendfolgekonzepte wie die 200-Tage-Linie auch mit gewissen Makeln behaftet. Durch deren Trägheit bleibt der Anleger von den Spitzen einer Kursbewegung ausgeschlossen, was wiederum Perfomance kosten kann. Zum anderen kann es an den Schnittpunkten zu Fehlsignalen kommen. Das passiert besonders häufig in Seitwärtsmärkten. Viele Anleger haben daher ihre Trendfolgestrategie durch den Einsatz von weiteren Indikatoren verfeinert. Dazu gehört beispielsweise der MACD (Moving Average Convergence Divergence). Vereinfacht ausgedrückt ist der MACD die Differenz zwischen einem kürzeren (schnelleren) und einem längeren (langsameren) gleitenden Durchschnitt. Auf diese Weise lassen sich weitere Aussagen zu Charakteristika eines Kurstrends machen, beispielsweise über dessen Stärke.
Ob ein Anleger bei Trendfolgestrategien so tief ins Detail gehen möchte, entscheidet natürlich sein persönlicher Investmentstil. Letztlich muss er sich mit der Strategie identifizieren und wohlfühlen. Wichtig sind aber – wenn man sich für Trendfolgestrategien entscheidet – Geduld, Aufmerksamkeit und Konsequenz. Ansonsten droht der zu frühe oder zu späte Ausstieg wie bei den Beispielen Tesla und Wirecard deutlich wurde. Bringt man diese Tugenden jedoch mit, können versierte Anleger viel Freude an diesem Konzept haben.
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