Kommentar
08:41 Uhr, 12.03.2008

Aufgepasst: Aktien werden verkauft, Rohstoffe werden gekauft

Erwähnte Instrumente

  • DAX
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    Aktueller Kursstand:   (XETRA)
  • Gold
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Die Rohstoffe setzen ihre Gewinnserie weiter fort. Der Korrelationschart zwischen dem DAX und dem S&P GSCI Index zeigt recht deutlich, dass Aktien ver- und Rohstoffe gekauft werden.

Die Rohstoffinvestments stiegen im Jahr 2007 laut Berechnungen von Barclays Capital auf 178 Milliarden Dollar. Diese Daten basieren den Analysten zufolge auf der Hochrechnung von Daten, die nach der Befragung von 260 institutionellen Investoren vorlagen.

Im Jahr 2002/03 mussten Fonds noch von den Vorteilen der Rohstoffe überzeugt werden.

In diesem Zeitraum begann auch der Ölpreis zu steigen, doch wurde von vielen Stellen dem Anstieg keine Nachhaltigkeit eingeräumt. Insbesondere die Internationale Energieagentur, die für Ölmarktprognosen zuständig ist und die Industrieländer und Ölkonzerne berät, lag mit ihrer Einschätzung eines baldigen Rückgangs des Ölpreises daneben. Erst im Juli 2007 wurde eingeräumt, dass der Ölpreis möglicherweise stark steigen werde, auch über das jetzige Niveau hinaus.

Im Jahr 2004/05 wurden dann die Edelmetalle interessant und kamen in Mode. In 2006/07 führten dann Missernten dazu, dass sich die Anlegergemeinde den Agrarohstoffen und Soft-Commodities stärker zuwendete.

Seit Ende 2007 und seit Anfang des neuen Jahres sehen wir nun einen massiven Anstieg der Volatilität – Preisschwankungen überschreiten in regelmäßigen Abständen die an den Terminbörsen vorgeschriebenen maximalen täglichen Schwankungen. Weltweit gibt es sechs Milliarden Menschen, die an den Wohlstand der Welt anschließen und Rohstoffe nachfragen. Lange Zeit hatten wir im Westen geglaubt, wir hätten das Angebot zur Verfügung, um die Welt zu versorgen. Weit gefehlt.

Der chinesische und asiatische Wirtschaftsboom verläuft schneller und intensiver als sich das jemals jemand vorgestellt hatte. Das chinesische Wirtschaftswunder, wie ich es einmal nennen möchte, stellt sogar die Intensität des Wiederaufbaus Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg in den Schatten. Der National Geographic ist nach einer Untersuchung einmal zu dem Urteil gelangt, dass die dreifache Menge der weltweit verfügbaren Rohstoffe benötigt würden, wenn die Automobildichte in China das Niveau der USA erreichen sollte. Lassen Sie es mich wiederholen, denn der Punkt ist wirklich wichtig: Die dreifache Menge!

Die Rohstoffhausse ist dabei nicht nur eine Rallye, in die man investieren kann, und wo man ein paar Euro verdienen kann, sondern sie verändert unsere grundlegendsten Konsum- und Produktionsgewohnheiten. Wenn Sie heute bei Saturn oder Media Markt einen Speicherchip kaufen, dann haben Sie das Produkt – das ungefähr 1 cm auf 1 cm groß ist – und Sie haben eine riesige Plastikverpackung und Pappkarton mit bunt bedruckten Beschreibungen. Plastik wird aus Erdöl hergestellt. Preise bis 100 Dollar wurden allgemeinhin erwartet. Die Vorliebe der Märkte für runde Marken ist bekannt.

Wenn die Preise aber nun weiter steigen und einmal 110 oder 120 Dollar erreicht haben, wird es kritisch, denn das ist das, was nicht erwartet wurde. Die chemische Industrie, die Düngerhersteller und alle, die Erdöl für ihr Geschäft oder tägliches Leben benötigen, werden Probleme bekommen. In den USA wurden im Jahr 2007 10 Milliarden Fahrten im öffentlichen Verkehr verkauft, das ist der höchste Stand seit 50 Jahren. Das interessante daran ist: Der Wachstumstrend im öffentlichen Verkehr ist nachhaltig. Denn die rückläufigen Benzinpreise in der zweiten Jahreshälfte 2007 haben nicht mehr dazu geführt, dass die Zahl der verkauften Fahrten wieder zurückgegangen sind. Viele Bürger merken wohl, dass man nicht unbedingt 1,5 Tonnen Stahl braucht, um sich selbst von Punkt A nach Punkt B zu bewegen, besonders in Großstädten.

Machen Sie sich gefasst für einen weiteren Anstieg der Volatilität und Schwankungsbreite an den Rohstoffmärkten, denn das ist was wahrscheinlich passieren wird. Wir werden Rückschläge erleben, die wieder Unkenrufe laut werden lassen, die das Ende der Rohstoffhausse herauf beschwören werden, die die „Blase“ als geplatzt bezeichnen wollen. Aber ich sage es deutlich: Wir brauchen hohe Preise, um hohe Preise zu beheben. Der gesamte Erneuerbare Energien-Bereich ist politisch motiviert und ein hoher Ölpreis daher nicht unwillkommen. Wir brauchen Alternativen und diese Alternativen kosten enorme Mengen Geld. Und dieses Geld kann nur zur Verfügung gestellt werden, wenn der Ölpreis hoch bleibt. Ein Rückgang des Ölpreises auf 40 Dollar oder weniger würde so gut wie alle Solar-, Wind-, Ölsand-, Tiefseeexplorations- und Wasserkraftprojekte abwürgen. Ölsand kostet heute 40-50 Dollar pro Barrel daraus gewonnenen Rohöls – die Zeiten, wo 7-8 Dollar bezahlt werden mussten, wie im Nahen Osten in den 70er und 80er Jahren, sind vorbei. Rohöl ist vorhanden, und auch jeder andere Rohstoff ist im Grunde vorhanden und abbaubar, aber nur zu einem höheren Preis. Wir stehen vor einem gigantischen Inflationszyklus, der uns noch Jahre beschäftigen wird.

Schauen Sie sich einmal Ben Bernanke an. Selbst Alan Greenspan hat öffentlich gesagt, dass ihm Bernanke in seiner Rolle als US-Notenbankchef aktuell leid tut. Bernanke dürfte eigentlich im aktuellen inflationären Umfeld keine Zinsen senken. Er muss es aber tun, da der gigantische Derivatebereich und damit das weltweite Finanzsystem bedroht wären, wenn er nicht für zusätzliche Liquidität sorgen würde. Die Notenbank tut daher, was sie niemals getan hätte: Sie senkt zwangsweise die Zinsen, und sie tut das in atemberaubenden Tempo. Darüber hinaus werden alle anderen möglichen Wege ausgenutzt, um dem Markt möglichst viel Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Die Notenbanken rund um den Globus tun es Bernanke gleich. Die Geldmenge M3, also die aggregierte Geldmenge in einer Volkswirtschaft, vermehrt sich in Indien derzeit mit einem Tempo von +19,5% pro Jahr, China +18%, UK +14% und Brasilien +18,2%.

Der Ölpreis kletterte in der letzten Woche nach einer anfänglichen Konsolidierung bis in den Bereich von 99 Dollar deutlich an und notiert um 13:00 Uhr am Dienstag bei 108,88 Dollar pro Barrel. Eisige Temperaturen in den USA, Spekulationen über eine weitere Abwertung des US-Dollars sowie anhaltendes Interesse der Fonds und Investmentgemeinde an Rohstoffinvestments werden als Verursacher des deutlichen Preisanstiegs angesehen. Außerdem überraschten die Lagerdaten in den USA, die für die Woche vom 26. Februar bis 4. März einen Rückgang der Vorräte an Rohöl und Heizöl zeigten.

Im Rohstoff-Report haben wir die Entwicklung der Ölproduktion außerhalb der OPEC-Staaten wiederholt als Grund für die starken Preissteigerungen beim Öl verantwortlich gemacht. Dass die OPEC ihre Produktionsquoten nicht angehoben hat, mach das non-OPEC-Ölangebot umso wichtiger. Seit Jahresbeginn entwickelt sich dieses – wie soll es auch anders sein – deutlich schlechter als erwartet. Auch in den letzten Jahren war das Wachstum der non-OPEC-Ölproduktion schon viel schwächer als erwartet und erhofft, und dieses Jahr scheint keine Ausnahme darzustellen.

Goldman Sachs haben diesen Grund nun auch zum Anlass genommen, für 2008 ihre Prognose zum Ölpreis der Sorte Brent von 80 auf 95 Dollar je Barrel anzuheben. Gemeint ist dabei der Jahresdurchschnittspreis. Zu 2009 erfolgt eine Anpassung von ursprünglich 90 auf 105 Dollar je Barrel. Für 2010 und 2011 sei mit durchschnittlichen Niveaus von jeweils 110 Dollar je Barrel zu rechnen. Wir wissen aber, dass Analysten dazu neigen, Kursziele eher zu niedrig anzusetzen, und diese nachträglich nach oben anzupassen, denn als „marktschreierisch“ zu gelten und sich allzu sehr von der Masse der Prognosen abzuheben. Goldman Sachs hat aber auch eine Warnung: Bis 2012 werde die Nachfrage aus den Ländern der OECD nach unten umschlagen. In diesem Fall dürfte der Preis für Brent auf rund 60 Dollar je Barrel sinken.

Der Euro hat zum US-Dollar weiter aufgewertet und notiert um 13:00 Uhr am Dienstag bei 1,5480 US-Dollar. Der US-Dollar-Index, der die Kaufkraft des Dollars gegenüber allen anderen Weltwährungen misst, bricht seine Zwischenerholung nach dem Ausverkauf vom 26. Februar bis zum Freitag letzter Woche ab und beginnt wieder zu fallen. Gerüchte über eine mögliche baldige Zinssenkung in den USA machen die Runde. An den Terminmärkten in den USA, an denen mit speziellen Kontrakten auf die nächste Zinssenkung gewettet werden kann, wird bereits eine weitere Zinssenkung um 100 Basispunkte (!) eingepreist.

Schon vor der offiziellen Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed am 18. März könnte eine überraschende Zinssenkung durchgeführt werden, so die Einschätzung von Goldman Sachs. Dadurch würde der US-Dollar vermutlich weiter geschwächt und der Euro dürfte weiter steigen. In Folge dessen dürften auch die Edelmetallpreise, die in den letzten sieben Tagen stark volatil seitwärts tendierten, wieder ansteigen.

Goldpreis: Satter Aufwärtstrend (Klicken Sie auf den Chart, um den Profichart zu laden)
Der
Goldpreis konsolidiert unterhalb der Marke von 1000 Dollar. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Goldpreis nach Erreichen der 1000-Dollar-Marke direkt weiter nach oben durchläuft, signifikant. Von spekulativen Short-Positionen nach Erreichen der 1000-Dollar-Marke würde ich daher eher absehen.

Auf Seiten der Nachrichten gab es ebenfalls interessantes zu berichten. Die Goldproduktion Südafrikas fiel im Jahr 2007 um 7,4% auf 254,685 Kilogramm. Wie das südafrikanische Minenministerium weiter mitteilt, habe ein Anstieg der Kapitalausgaben um 37% auf 8,1 Milliarden Rand zu einem Zuwachs der Produktionsmenge der Minen von 5,8% geführt, jedoch sei die Ertragsrate der Minenproduktion auf 4,12 Gramm pro Tonne gefördertem Material gefallen.

Das Handelsvolumen der Gold-Futures an der Dubai Gold and Commodities Exchange (DGCX) stiegen im Februar um 11,6% auf ein neues Allzeithoch. Die DGCX, die erste Rohstoffbörse des Nahen Ostens, wickelte 96,100 Trades mit Gold-Terminkontrakten im Gesamtwert von 2,9 Milliarden Dollar ab. Im Vormonat waren es noch 86,140 Kontrakte.
"Die Handelsaktivität im Februar stellte sich als außergewöhnlich hoch heraus, überstieg alle Rekorde, als dem gesamten Rohstoffspektrum hohes Interesse entgegengebracht wurde”, sagt Börsenchef Malcolm Wall Morris.
Das World Gold Council will seinen in New York bereits gelisteten StreetTRACKS Gold Shares ETF bis September ebenfalls in Japan und Hong Kong listen lassen. “Ich bin ziemlich zuversichtlich dass wir unseren ETF in den nächsten zwei Quartalen auch in Japan und Hong Kong listen können werden”, so James Burton, CEO des World Gold Council.

Die Preise der Basismetalle wurden in der letzten Woche durch die steigende Risikoaversion und durch die Angst vor einer Rezession in den USA belastet. Die einzige Ausnahme bildete dabei Aluminium. Der Preis tendierte relativ zu den anderen Basismetallen fester. Der Grund hierfür wird von Händlern in der weiterhin fehlenden Produktion der chinesischen Schmelzereien gesehen. Im Januar und Februar importierte China 158,158 Tonnen Aluminium – was einem Anstieg um 6,3% gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Korrelation: Die Entwicklung der Basismetalle im 6-Monats-Vergleich (Klicken Sie auf den Chart, um andere Vergleichzeiträume einzusehen)

Ungeachtet der Entwicklung der kurzfristigen Fundamentaldaten sehe ich die Basismetalle im aktuellen Umfeld als sehr interessant an. Aus diesem Grund kann die jüngste Konsolidierung als Einstiegschance betrachtet werden. Besonders Kupfer dürfte sich im Jahresverlauf stark entwickeln und in die Richtung von 9500-10000 Dollar pro Tonne laufen. Das Interesse der Fonds an Basismetallen ist wieder geweckt – das ist deutlich an den starken Preissteigerungen zu spüren. Die Käufer sind wieder da.

Ein positives Signal kommt derweil auch aus dem Stahlsektor. Die chinesischen Eisenerzimporte stiegen im Februar zum Vormonat um 4% auf 38,2 Millionen Tonnen und erreichten damit einen neuen Rekordstand. Die Eisenerzhersteller haben sich zusammen mit dem weltgrößten Eisenerzhersteller CVRD gerade darauf geeinigt, dass die Preise für Eisenerz ab April um 65% angehoben werden können. Im Vorfeld dieser Preisanstiege decken sich viele chinesische Unternehmen, angeführt von der Baosteel Group, noch zu günstigeren Preisen am Weltmarkt ein.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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