Auf Investment-Weltreise mit Philipp Vorndran
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Investment-Regionen sowie die Zwickmühle der Notenbanken zwischen Wirtschaftsstimulation und Inflationsdruck sprach Vorndran mit unserem Redakteur Nico Popp.
Wenn man in den letzten Wochen und Monaten die Berichterstattung über die Lage der Wirtschaft in Deutschland gelesen hat, hing der Himmel voller Geigen. Am Dienstag jetzt erstmals deutlich schwächere ZEW-Daten. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Die Lage in Deutschland ist weitgehend eine Sondersituation. Das ist keine weltweite Entwicklung. Auch innerhalb der Eurozone gibt es viele Beispiele wo die Wirtschaft schrumpft oder zumindest stagniert. Ich denke dabei vor allem an die klassischen PIGS-Staaten wie Portugal, Irland, Griechenland und Spanien. Den jüngsten Dämpfer beim deutschen Wachstum kann man vor allem durch zwei Faktoren erklären: Einerseits steigt der Euro, was Exporte erschwert. Bisher profitierte Deutschland sehr stark vom schwachen Euro, der eigentlich für den europäischen Durchschnitt gemacht war und nicht für Deutschland. Mittlerweile hat die Zinserhebung der Zentralbank sowie die Diskussion um die Bonität der USA und auch die Probleme in Japan den Euro deutlich steigen lassen. Trotzdem bleibt Deutschland für uns im Jahr 2011 ein positiver Ausreißer, die Wachstumsdynamik dürfte im Verlauf des Jahres allerdings ein wenig zurückgehen.
Bleiben wir innerhalb der Euro-Zone. Ich habe von Ihnen schon einige Statements gelesen, in denen Sie sich sehr kritisch zur Schuldenproblematik innerhalb der Währungsunion äußern. Zuletzt sind die Risikoaufschläge bei spanischen Staatsanleihen deutlich gesunken, inzwischen sogar auf ein Mehr-Monats-Tief. Ist die Euro-Krise jetzt vorbei? Bleibt es bei Portugal, Irland und Griechenland?
Kurzfristig wird es bei diesen Ländern bleiben. Es sind ja nicht nur die Risikospreads gefallen, auch die Banken in Spanien können sich wieder verstärkt am Kapitalmarkt refinanzieren. Das war vor vier bis fünf Monaten noch anders. Da war das spanische Bankensystem vom Kapitalmarkt fast abgeschnitten und musste sich bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren. Sie haben Recht, dass sich die Situation während der letzten Wochen einigermaßen beruhigt hat. Verantwortlich dafür sind einerseits der europäische Rettungsschirm und andererseits die Schätzungen über den Finanzbedarf spanischer Banken. Der Markt geht davon aus, dass die spanischen Banken wegen faulen Immobilienkrediten Bilanzlöcher mit einem Umfang von 60 Milliarden Euro haben.
Wir sind da weniger optimistisch und erwarten bei spanischen Banken einen Kapitalbedarf zwischen 90 und 100 Milliarden Euro. Trotz der jüngsten Beruhigung am Markt gehen wir davon aus, dass Spanien eine „kleinere Version“ von Irland ist. Während der nächsten zwölf Monate mag das gutgehen. Es gibt aber auch einige Unsicherheitsfaktoren, die die Situation in Spanien verschärfen könnten. Da ist einerseits Portugal. Die spanischen Banken sind sehr stark in Portugal engagiert. Hinzu kommt, dass der Rettungsschirm unter den europäischen Staatschefs zwar beschlossene Sache, aber von nationalen Parlamenten noch nicht ratifiziert wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob alle Parlamente in den Mitgliedstaaten den Rettungsschirm in seiner jetzigen Gestalt einfach so durchwinken. Ich denke dabei nicht unbedingt an Deutschland sondern auch an Länder wie Finnland oder die Slowakei, die dem Euro gegenüber zunehmend kritischer eingestellt sind. Wir gehen davon aus, dass die Haushaltsprobleme Spaniens aber auch Belgiens oder Italiens mittelfristig wieder ein Thema werden. Wenn man nur mal auf die Fakten blickt: Die Arbeitslosigkeit in Spanien liegt bei über 20 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bei über 40 Prozent, dann gibt es die Staatskrise im stark verschuldeten Belgien und auch Probleme in Italien. Die Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zur implizierten Verschuldung zeigen ebenfalls, dass die Eurozone keinesfalls über dem Berg ist.
„In Griechenland wird es definitiv zu einer Umschuldung kommen“
Was wären denn konkrete Warnsignale einer neu aufkeimenden Schuldenkrise in Europa, auf die Anleger achten können? Sollten Anleger auf die Spreads gucken oder gilt es, den politischen Prozess zu beobachten?
Die Spreads sind für uns völlig irrelevant. Wir schauen darauf, ob Länder wie Griechenland ihre Sparpläne auch wirklich umsetzen. Es gibt einen Unterschied zwischen Reden und Handeln. Die Griechen versprechen uns ständig ihren Haushalt ausgeglichen zu gestalten. Dann kommen wie am Dienstag geschehen Zahlen rein, dass die Griechen Zahlungsversprechen nicht einhalten können. Die jüngsten Daten zum griechischen Haushalt im ersten Quartal zeigen, dass die Einnahmen um eine Milliarde Euro gefallen sind. Aufs Fiskaljahr gesehen strebt man aber einen Anstieg um 8,5 Milliarden Euro an. Da muss man sich schon fragen, wie dieses Ziel noch erreicht werden soll. Auch die Primärausgaben sind im ersten Quartal nur um 300 Millionen Euro gesunken. Wir sehen bei unserer fiskalpolitischen Analyse Griechenlands, dass das Land pleite ist und es definitiv zu einer Umschuldung kommen wird.
Ein anderer Fall ist Portugal: Während man von Griechenland immer denkt, die schlechte Zahlungsmoral und die laxe Einstellung der Griechen wären für die Misere verantwortlich, zahlen die Portugiesen brav ihre Steuern und gehen arbeiten. Hier liegt das Problem eher in der geringen Wettbewerbsfähigkeit. Portugal ist einfach weit davon entfernt, international mit ihren Produkten mithalten zu können. Hier sind Lösungen schwierig. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Portugiesen oder andere Staaten eines Tages sagen „Wir haben keine Lust mehr auf die Sparmaßnahmen und den Euro!“. Wenn das passiert kommt Unruhe ins gesamte Euro- und auch ins Finanzsystem.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Um die Probleme Europas zu analysieren, recherchieren wir sehr viel vor Ort. Wir fahren bald wieder nach Spanien und sprechen dort mit Volkswirten, Wirtschafts-vertretern und auch mit den Menschen auf der Straße. Mir sagte erst kürzlich ein Bekannter aus Spanien, der in der Immobilienbranche arbeitet, dass viele Ausländer aus Lateinamerika Spanien inzwischen wieder verlassen. Die setzen sich beispielsweise nach Ecuador ab und legen ihrer spanischen Bank vor ihrer Abreise noch die Schlüssel zu Ihrem Häuschen auf den Tresen und sagen „Seht zu, was ihr damit macht! Wegen der Hypothek könnt ihr mich in Quito erreichen...“ Dies ist kein Einzelfall und dürfte für weiteren Druck auf den spanischen Immobilienmarkt sorgen.
Wenn wir gerade beim Immobilienmarkt sind. Kürzlich sah ich eine Dokumentation über Geisterstädte in China. Dort werden scheinbar auch große Überkapazitäten am Immobilienmarkt geschaffen. Wie stehen Sie zu China? Ist die Wachstumsstory noch intakt?
Für uns sind die nächsten 18 Monate in China eine Sondersituation. Im Spätsommer des nächsten Jahres werden in China die wichtigsten Gremien der kommunistischen Partei gewählt. Das ist in China immer eine Phase der Ruhe. Die Regierung will sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Derzeit haben in der Partei die Technokraten das Sagen. Es gibt aber auch noch andere Strömungen innerhalb der Kommunistischen Partei. Daher will die Regierung derzeit nicht so sehr auffallen – weder negativ noch positiv. Zweiter Punkt ist die Inflation. Da sehen wir ganz klar, dass die Regierung ihre Priorität von Wachstum hin zu Preisstabilität verschoben hat. Aus diesem Grund sehen wir in China eher Wachstumsraten zwischen 6,5 und 7 Prozent. Das ist von den reinen Zahlen her zwar weniger als früher, doch muss man eines bedenken: Die chinesische Wirtschaft hat inzwischen eine Größenordnung erreicht, die ein Wachstum von 6 bis 7 Prozent mindestens so wertvoll macht wie ein Wachstum von 8 oder 9 Prozent vor zwei oder drei Jahren. Wenn China wirklich zwischen 6,5 und 7 Prozent wächst, würde ich mir über die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft keine Sorgen machen.
Was ich aus China auch immer wieder höre, sind Berichte über soziale Unruhen. Stichwort: Jasmin-Revolution. Vertreter sind Menschen aus der chinesischen Mittelschicht, denen es weniger um demokratische Teilhabe, als um ökonomische Freiheit geht. Fragen wie „Kann ich mir auch ein zweites oder ein drittes Haus kaufen oder verhindert das der Staat?“ oder „Welche Anlageklassen darf ich mir überhaupt kaufen?“ sind bei der Mittelschicht in China eher ein Thema. Und jetzt kommen wir auch zum Immobilienmarkt: Natürlich ist die Situation in den vier bis fünf größten Städten in China momentan überhitzt. Zu nennen wären Hangzou, Guangzhou, Schanghai oder Peking. Da braucht der Immobilienmarkt eine Abkühlung. Bezogen auf das gesamte Land sehe ich aber noch keine Immobilienblase.
Sie haben gerade die Wachstumsstatistiken der Chinesen angesprochen. Für wie verlässlich halten Sie denn diese Daten?
Die Statistiken von der chinesischen Regierung sind natürlich reine Planwirtschaft. Wenn Sie am ersten Tag nach Ende des Quartals schon Zahlen haben, kann das nicht exakt der Realität entsprechen. Es gibt aber auch Handelsstatistiken, die Aufschluss über die tatsächliche Entwicklung in China geben. Zum Beispiel die Ein- und Ausfuhren von Rohstoffen. Anhand dieser Daten lässt sich abschätzen, wie dynamisch sich eine Volkswirtschaft entwickelt oder auch nicht. Der Vergleich dieser Daten mit den offiziellen Daten Chinas zeigt uns, dass China in etwa so wächst, wie es von der Regierung gemeldet wird. Die offiziellen Zahlen sind lediglich etwas geglättet.
„Russland ist für Investoren völlig unberechenbar“
Lassen Sie uns von China zu anderen Emerging Markets kommen. Gibt es auch Schwellenländer, wo es keine oder nur sehr geringe Risiken wie beispielsweise Inflationsgefahr gibt?
Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass der diversifizierte Blick auf die Schwellenländer sinnvoll ist. Wir investieren derzeit relativ wenig in Schwellenländern. Sie sind uns schlichtweg zu teuer. Die Risikoprämie ist zu klein. Sie haben ja sicher die Underperformance des MSCI Emerging Markets gegenüber dem klassischen Weltindex bemerkt. Diese Underperformance ist gerechtfertigt und dürfte auch noch etwas andauern.
Es gibt aber dennoch einige Volkswirtschaften, die breit aufgestellt sind. Nehmen Sie Brasilien. Brasilien verfügt über Rohstoffe, ein verhältnismäßig hohes Bildungsniveau, ein ziemlich offenes politisches System sowie Unternehmen, die privatwirtschaftlich geführt werden. Hinzu kommt, dass viele dieser Unternehmen auch noch in Zukunftsbranchen aktiv sind. Brasilien ist eine Volkswirtschaft, die uns mittelfristig sehr gut gefällt.
Auch Chile wird von vielen Marktteilnehmern als Schwellenland genannt. Wir halten die Ökonomie für weiter entwickelt. Auch hier haben wir Rohstoffexporte, beispielsweise von Kupfer, sowie eine solide Ausbildung der Bevölkerung.
Nicht ganz so überzeugt sind wir von Indien. Dort spielt Korruption noch immer eine sehr große Rolle. Die jüngsten Schlagzeilen um den indischen Telekommunikationssektor oder die Commonwealthspiele haben gezeigt, dass eine gewisse Risikoprämie in Indien angebracht ist.
Russland ist von der Basisstruktur her ausgezeichnet aufgestellt. Sie haben praktisch alle Bodenschätze und keine Staatsschulden. Großes Manko ist allerdings das politische System. Die Politik in Russland ist völlig unberechenbar und es gibt keinerlei juristischen Schutz. Gibt es einmal Unternehmen mit hohen Cashflows, so werden diese bald von staatlicher Seite her dazu gebracht, Investitionen zu tätigen. In Russland sind sehr hohe Risikoaufschläge nötig, damit sich dort ein Investment lohnt.
Zum Schluss noch ein kurzes Statement zu Japan. Vor der Katastrophe hieß es oft, Japan wäre wieder im Kommen. Jetzt notiert der Nikkei niedriger. Ist das Risiko eines Japan-Investments jetzt nicht geringer?
Kurz vor dem Erdbeben mit all den Anschlussfolgen wollten Bernd Flossbach und ich nach Japan fahren, um genau diese Frage zu analysieren. Wir wollten auf die Suche nach Unternehmen gehen, die im Weltmarkt gut aufgestellt sind. Wir dachten dabei an Klassiker wie Toyota, Canon, Nintendo oder Kao. Unsere Grundüberlegung war, dass alle genannten Unternehmen selbst bei einem starken Yen noch sehr wettbewerbsfähig waren. Da wir für das Jahr 2011 einen Einbruch des Yen erwartet haben, sahen wir bei den Unternehmen Potential, sich noch besser am Markt behaupten zu können. Mit der Katastrophe in Japan ist der Yen deutlich gefallen. Das wären eigentlich Einstiegschancen im Sinne unseres ursprünglichen Szenarios von vor der Katastrophe. Doch gibt es große Risiken: Erstens die Gefahr von Produktionsausfällen wie bei Toyota geschehen. Zweitens die mögliche Strahlenbelastung von Produkten. Dies kann zu Einbußen beim Absatz führen. Hinzu kommen noch die Risiken bei der Handelskette: Sollte es zu größeren Verstrahlungen kommen, ist es möglich, dass Schiffe japanische Häfen meiden. Wir gehen davon aus, dass die Katastrophe massive langfristige Folgen für Japan haben wird. Ich glaube nicht daran, dass es noch Unternehmen gibt, die langfristig Kapazitäten in Japan aufbauen. Jeder hat inzwischen verstanden, welche Risiken die pazifische Platte, die für das Erdbeben vom 11. März gesorgt hat, mit sich bringt.
Diese von uns erwartete negative Entwicklung in Japan wird dazu führen, dass die positive Leistungsbilanz Japans in den negativen Bereich dreht und Japan als Käufer von US-Staatsanleihen ausfallen wird. Tendenziell wird Japan bei US-Treasuries wohl eher auf die Seite der Verkäufer wechseln. Das führt uns in die USA und zu der Frage, wann die US-Notenbank mit QE 3.0 das nächste Aufkaufprogramm für eigene Staatsanleihen auflegen wird. Das ist für uns das ganz große Thema dieser Tage.
„Könnte mir vorstellen, dass QE 3.0 auch erst nach einer Pause kommt.“
Sie glauben also, dass QE 3.0 kommen wird? Bis wann müsste eine Entscheidung fallen?
Für uns ist klar, dass am Markt die Frage aufkommen wird, wer denn künftig die US-Staatsanleihen kauft. Die Japaner fallen aus und die Chinesen haben ebenfalls bereits ihre Ablehnung signalisiert. Der größte private Anleiheinvestor Pimco hat gesagt, man werde keine Staatsanleihen mehr kaufen, so lange es keine adäquate Risikoprämie gibt. Da bleibt außer der US-Notenbank eigentlich niemand mehr übrig. Die Fed ist bislang schon der größte Investor bei Staatsanleihen und mich erinnert das Ganze immer so ein wenig an ein Pyramidensystem. Es spricht nichts dagegen, dass die Pyramide noch ein wenig größer wird.
Es würde uns aber trotzdem nicht wundern, wenn die US-Notenbank das Aufkaufprogramm für Staatsanleihen zunächst einmal auslaufen lässt, um es dann später wieder aufzulegen. So könnte man Zeit gewinnen und könnte abwarten, wo der Markt die Zinsen sieht. Auch könnte man sehen, wie es auf dem Arbeitsmarkt der USA weiter geht. Für einen solchen Schritt des Abwartens könnte auch das politische Gezeter innerhalb der USA zwischen der Regierung und der Tea-Party-Bewegung sprechen.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Falken innerhalb der Notenbank jetzt erst einmal dafür votieren, abzuwarten und dann nach einem halben Jahr und bei Zinsen jenseits von vier Prozent ein neues Aufkaufprogramm für Staatsanleihen auflegen, um die Wirtschaft zu schützen. In diesem Zusammenhang ist es für uns übrigens ausgeschlossen, dass die Fed auch noch die Zinsen anhebt. Eine zweifache Verschärfung der Situation wird die Notenbank der Wirtschaft nicht zumuten.
Übrigens glauben wir auch nicht, dass die Bank of England die Zinsen anhebt. Aus globaler Sicht bedeutet das, dass die Europäische Zentralbank wohl die einzige große Notenbank sein wird, die die Zinsen hinauf schraubt. Die Schweiz lasse ich hier einmal außen vor. Das wird für einen steigenden Euro sorgen und damit sind wir wieder am Anfang unseres Interviews: Den Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Wenn der Euro bei 1,50 US-Dollar steht, glaube ich nicht daran, dass die EZB den Leitzins bis Ende des Jahres auf 2 Prozent anheben wird. Ein Zinssatz von 1,5 Prozent erscheint uns in dieser Gemengelage als ausreichend hoch.
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