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10:57 Uhr, 23.07.2008

Auch in Japan ist noch keine Eile beim Aktienkauf angesagt

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Im Vergleich mit den anderen großen Weltbörsen steht der japanische Aktienmarkt in diesem Jahr bisher gar nicht so schlecht da. Denn während der richtungsweisende Nikkei 225 Index seit dem Jahreswechsel 16,6 Prozent verloren hat, büßte der Dax in diesem Zeitraum fast 24 Prozent ein. Noch besser zugunsten Japans fällt die Bilanz sogar in den meisten Fällen im innerasiatischen Vergleich aus.

Wie das Jahresminus aber schon zeigt, lässt die relative Performance zu wünschen übrig. Und das übrigens nicht erst seit gestern. Vielmehr notiert der Index mit aktuell 12.761 Punkten noch immer deutlich unter seinem Höchststand aus dem Jahr 1989, den er bei 38.916 Punkten markierte.

Wie sehr auch die japanische Börse derzeit unter den allgemein Wirren leidet, zeigt sich an der kurzfristigen Performance. Unlängst hat der Nikkei 225 Index gleich elf Handelstag in Folge im Minus notiert. Das ist gleichbedeutend mit der längsten Talfahrt seit mehr als einem halben Jahrhundert. Eine derart lange Verluststrecke hatte der Index zuletzt im Mai 1954 verzeichnet, als der Nikkei 15 Handelstage in Folge sank.

Etliche Beobachter lassen sich davon aber nicht beirren und rühren neuerdings die Werbetrommel für die japanische Börse. Zu den Fürsprechern zählen unter anderem Goldman Sachs und das Bankhaus Sarasin. Auch Börsen-Guru Marc Faber prognostiziert eine Rally am japanischen Aktienmarkt.
Inflation weniger ein Problem als in vielen anderen Ländern

Als ein Pluspunkt wird in der Argumentation auch immer wieder auf die Inflation verwiesen. Diese kletterte im Mai zwar den achten Monat in Folge. Mit 1,5 Prozent ist die Teuerungsrate aber im weltweiten Vergleich noch immer sehr niedrig. Doch für die von einer Deflation geplagten Japaner ist dies der höchste Wert seit zehn Jahren. Und nach dem langen Kampf gegen die Deflation wird ein bisschen Inflation in Japan sogar gutgeheißen. Denn die Anleger gehen davon aus, dass die Aussicht auf eine steigende Inflation die Kauflaune der Verbraucher anregen und die Nachfrage an der Börse beleben wird. „Eine höhere Inflation wäre gut", sagt Faber. „Privatanleger und institutionelle Investoren, die momentan stark auf den Geldmarkt und Anleihen setzen, würden vermehrt wieder bei Aktien und Immobilieninvestments einsteigen."

Beim Bankhaus Sarasin weisen die Analysten diesbezüglich auch noch auf folgenden Zusammenhang hin: Aufgrund der Deflationsspirale senkte der Unternehmenssektor in den vergangenen Jahren den Verschuldungsgrad massiv. Dies führte zu einer im internationalen
Vergleich relativ niedrigen Eigenkapitalrendite. Bei Inflation steigt der Anreiz, den Verschuldungsgrad zu erhöhen und somit dürfte auch die Profitabilität steigen. Weiter profitiert insbesondere der Bankensektor von einer steileren Zinskurve. Die japanischen Banken sind von der Immobilien- und Kreditkrise kaum betroffen und dürften daher in einem Umfeld von steigenden Zinsmargen Marktanteile gewinnen.

Vielleicht auch wegen der Suche nach einer inflationsgeschützten Anlage war zuletzt ein vermehrtes Interesse globaler Investoren am japanischen Aktienmarkt zu registrieren. Ausländische Investoren halten rund 30 Prozent des Aktienmarktes und sind daher hauptverantwortlich für die großen Kursbewegungen, wie die Analysten von Sarasin in einer Studie erläutern. Dies bedeutet, dass das positive Momentum des Aktienmarktes bei höherem Geldfluss in japanische Aktien noch zunehmen dürfte.

Energieeffiziente Wirtschaft kann dem hohen Ölpreis standhalten

Selbst die hohen Rohstoff- und Energiepreise können zugunsten Japans ausgelegt werden. Denn laut den Analysten bei der japanischen Investmentbank Nomura wird die japanische Wirtschaft mittelfristig davon sogar profitieren. Japan gehört nämlich – verglichen mit allen anderen großen Volkswirtschaften – zu den energieeffizientesten Wirtschaften weltweit. Laut Weltbank lag der Energieverbrauch pro Kopf in Japan im Jahr 2005 um 95 Prozent unter dem russsischen Wert, um 88 Prozent unter dem chinesischen, 50 Prozent unter dem amerikanischen und 40 Prozent unter dem deutschen. Diese spezielle Eigenschaft bietet dem Land angesichts steigender Ölpreise und knapper werdender Energieressourcen einen großen Wettbewerbsvorteil. Folglich kann die Volkswirtschaft dem hohen Ölpreis besser standhalten.

Mangelnde eigene Energieressourcen haben in Japan seit Jahrzehnten zur Entwicklung energiesparender Technologien und zum Ausbau energieeffizienter Infrastruktur – wie öffentlicher Nah- und Fernverkehr – geführt. Gleichzeitig profitiert Japan nach Einschätzung von Nomura auch von dem Wachstum der Emerging Markets. In den nächsten 20 Jahren werden die Ausgaben für Infrastruktur wie Straßenbau, Schienenverkehr und Elektrizität in den Emerging Markets steigen. Zugleich wird der Anteil der Mittelschicht in diesen Ländern zunehmen, was zu einer größeren Nachfrage nach Konsumgütern wie Autos führen wird. Von diesen beiden Trends wird Japan nach Ansicht der Research-Experten von Nomura profitieren.

Bewertungen so günstig wie seit 25 Jahren nicht mehr ...

Sehr positiv wäre es für die japanische Börse sicherlich auch, wenn sich der Konjunkturzyklus in den G7-Staaten wieder zum Besseren wenden sollte. Laut Sarasin war genau das in einigen Vorauslaufenden Indikatoren bereits zu beobachten. Historisch betrachtet lohnte es sich aber immer dann auf japanische Aktien zu setzen, wenn die Wachstumsrate wieder anstieg. Auch im Falle einer temporären wirtschaftlichen Erholung, wie etwa im Jahr 2002, konnte eine relative Outperformance von mehr als 20 Prozent erzielt werden.

Selbst die für japanische Firmen seit Jahresbeginn um zehn Prozent nach unten korrigierten Gewinnschätzungen werde bei Sarasin positiv interpretiert. Denn nach der Korrektur, das bereits eine bevorstehende Rezession widerspiegelt, dürfte das meiste bereits eskomptiert sein, so die Lesart. Bei einem Anstieg des Exportwachstums gegen Ende Jahr könnte es bei einem leicht schwächeren Yen sogar zu positiven Überraschungen kommen.

Als attraktiv wird zudem von Befürwortern die Bewertung bezeichnet. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 17 auf Basis der für 2008 erwarteten Gewinne ist der MSCI Japan Index so niedrig bewertet wie seit 25 Jahren nicht mehr. Und die Dividendenrenditen liegen inzwischen über dem Zins für zehnjährige Staatsanleihen, was in der Vergangenheit ein zuverlässiges Signal für eine positive Wertentwicklung japanischer Titel war. Gemessen an den tiefen Anleiherenditen (zehnjährige Staatsanleihen rentieren nur mit 1,53 Prozent) weist der Markt zudem eine der weltweit höchsten Risikoprämien auf. Auch deshalb, so die Sarasin-Analysten, sollten sich leicht höhere Zinsen im Unterschied zu anderen Märkten weniger negativ auswirken. Im Gegenteil: steigende Zinsen könnten bei japanischen Investoren sogar zu der lange erhofften Verschiebung von Obligationen- und Geldmarktpositionen in Aktien führen.
... im internationalen Vergleich sind die KGV-Bewertungen aber höchstens neutral

Das klingt zwar alles irgendwie plausibel. Dennoch erscheint es unrealistisch, der japanischen Börse Kursgewinne zuzutrauen, solange es allgemein holprig an den Weltbörsen zugeht. Ohne Wende zum Besseren an den Märkten weltweit dürfte auch in Japan am Gesamtmarkt nicht allzu viel zu verdienen sein. Bei den gesunkenen Bewertungen ist zu berücksichtigen, dass sie auf KGV-Basis noch immer über dem Niveau anderer großer Börsen liegen. Ähnliches gilt auch für die Dividendenrenditen, die niedriger sind als anderswo. Außerdem wird nach den jüngsten Revisionen nur noch mit einem Gewinnanstieg von 3,5 Prozent gerechnet. Und ob sich das weltweite Konjunkturklima tatsächlich bald wieder aufhellt, bleibt auch noch abzuwarten. Schließlich befindet sich Japan schon seit Februar 2002 im Aufwind und erlebt damit die längste Aufschwungperiode seit dem Zweiten Weltkrieg. Der jüngst veröffentlichte Tankan-Bericht, der die Stimmung in den japanischen Unternehmen wider gibt, hat bereits eine deutliche Abkühlung signalisiert.

Wer unbedingt etwas machen will, für den kommen vor diesem Hintergrund höchstens kapitalgeschützte Produkte in Frage. Nomura ist derzeit gerade dabei, entsprechende Nikkei Protect Zertifikat (ISIN: DE000NM0NKY0, Emissionspreis: 103 Euro, einschließlich einer Provisionszahlung von drei Euro) aufzulegen. Damit partizipieren Anleger bei einem Anstieg des Nikkei 225 zu 100 Prozent und sind gleichzeitig vor Verlusten geschützt. Am Ende der Laufzeit erhalten sie das eingesetzte Kapital plus den Betrag, um den der Index seit Auflegung gestiegen ist, zurück. Außerdem besteht eine Währungssicherung durch den eingebauten Quanto-Mechanismus. Die Zeichnungsfrist läuft seit dem 1. Juli und endet am 28. Juli 2008.

Wie bereits angedeutet, halten wir es aktuell aber nicht für nötig, unbedingt schon jetzt in Japan zu investieren. Dagegen spricht zumindest aktuell übrigens auch der Yen. Denn die japanische Landeswährung notiert zum Euro auf einem Rekordhoch. Und der Chart sieht er so aus, als ob der Kurs noch etwas weiter fallen sollte. Für Aktieninvestoren ohne Absicherung würde das dann aber Währungsverluste bedeuten.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets
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Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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