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11:01 Uhr, 23.07.2008

Auch an der rumänischen Börse toben die Bären

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Das Tempo, mit der die rumänische Wirtschaft wächst, ist nach wie vor hoch. Im ersten Quartal betrug die Zuwachsrate beim Bruttoinlandsprodukt immerhin 8,2 Prozent. Doch was schon lange nicht mehr hoch notiert, sind die Kurse am Bukarester Aktienmarkt. Der BET-Index, der die zehn liquidesten Titel enthält, hat in diesem Jahr schon rund 45 Prozent an Wert verloren. Damit setzt sich die schon im zweiten Halbjahr 2007 schwache Bilanz bisher nahtlos fort. Ausgehend von einem am 24. Juli markierten Rekordhoch von 10.814 Punkten ist der BET plötzlich in einen Abwärtstrend übergewechselt. Insgesamt summiert sich das Minus bei einem aktuellen Stand von 5.442 Punkten schon auf sage und schreibe fast 50 Prozent.

Dieser hohe Verlust wirft kein gutes Licht auf die rumänische Börse. Doch die Wertentwicklung relativiert sich beim Blick auf die Ergebnisse der Nachbarbörsen. In Südosteuropa sind praktisch alle Aktienmärkte ähnlich drastisch unter die Räder gekommen. Teilweise fallen die Minuszeichen in diesem Jahr sogar noch stärker aus, wie etwa an den Nachbarbörsen in Bulgarien und der Ukraine. Investierte Anleger tröstet das zwar vermutlich wenig. Der Vergleich zeigt aber, dass es sich nicht nur um hausgemachte Probleme handelt. Vielmehr haben die Verluste auch mit den indirekten Effekten der weltweiten Kreditkrise zu tun. Diese hat die Investoren weitaus risikoaverser werden lassen und diese neue Zurückhaltung machte sich insbesondere an aufstrebenden Märkten wie denen in Südosteuropa negativ bemerkbar.

Wachsende volkswirtschaftliche Risiken

Rückblickend muss außerdem konstatiert werden, dass die rumänische Börse wie ihre Pendants in der Region zur Mitte des Vorjahres nach einem langen Gipfelsturm ganz einfach überhitzt und etwas überbewertet war. Zumindest in diesem Punkt hat die jüngste Korrektur Besserung bewirkt. Laut den Analysten bei Raiffeisen Research hat sich das Markt-KGV auf Basis der für 2008 erwarteten Gewinne auf rund 13 und für 2009 sogar auf rund elf ermäßigt. Das klingt nach einer relativ vernünftigen Bewertung. Allerdings basieren die Schätzungen auf deutlichen Gewinnsteigerungen. So wird für dieses Jahr von Raiffeisen Research ein Gewinnplus von 98,1 Prozent vorhergesagt und für nächstes Jahr ein Gewinnanstieg von 16,3 Prozent. Angesichts des schwieriger gewordenen volkswirtschaftlichen Umfelds wird sich erst noch zeigen müssen, ob diese Erwartungshaltung nicht zu optimistisch ist.

Wie der Kursverfall zeigt, ist die Mehrheit der Anleger offenbar eher noch skeptisch. Die gesunkenen Bewertungen lösen bisher noch keinen Ansturm von Käufern aus. Das Denken und Handeln der Investoren wird momentan vielmehr von den bestehenden Risiken bestimmt. Wie fast überall sonst hat Rumänien derzeit vor allem mit einer steigenden Inflation zu kämpfen. Die Teuerungsrate betrug im Mai 8,4 Prozent, was deutlich über dem angestrebten Zielband liegt. Die Zentralbank hat im Kampf gegen die Inflation erst in der Vorwoche zum sechsten Mal in Folge die Leitzinsen auf nunmehr 10 Prozent erhöht. Steigende Zinsen sind aber bekanntlich kein guter Nährboden für steigende Aktienkurse.

Kritik geübt wird außerdem auch immer wieder am wachsenden Leistungsbilanzdefizit. In den ersten vier Monaten hat sich das Minus um 7,6 Prozent auf 4,84 Milliarden Euro erhöht. Auch mit Verweis auf diesen wunden Punkt haben die Ratingagenturen Standard & Poor´s und Fitch Rating erst unlängst die Ausblicke für die Kreditwürdigkeit des Landes gesenkt. Dank der ausländischen Direktinvestitionen (diese stiegen von Januar bis April um 100 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro) und der Überweisungen der im Ausland arbeitenden Rumänen ist die Finanzierung derzeit zwar noch machbar, aber in risikoaversen Zeiten wird ein wachsendes Leistungsbilanzdefizit eben einfach nicht gerne gesehen.

Gefahren birgt auch die wachsende Verschuldung der Privathaushalte. Im Mai ist diese um 61,3 Prozent gestiegen. Das hat Notenbankgouverneur Mugur Isarescu bereits dazu veranlasst, von einer riskant hohen Zuwachsrate zu sprechen. Die aufgezeigten Probleme haben auch dem Leu zugesetzt. Trotz der in den vergangenen Monaten gezeigten Stabilisierungsansätze hat die rumänische Landeswährung gegenüber dem Euro seit der Mitte des Vorjahres rund 16 Prozent an Wert verloren.

Ohne Hilfe der Weltbörsen keine Besserung in Sicht

Wer als Anleger glaubt, das Schlimmste sei bereits überstanden, der muss bei Einzelinvestments direkt vor Ort agieren. An deutschen Börsen wird bisher nur der Pharmahändler A&D Pharma gehandelt. Eine Alternative sind Zertifikate auf den von der Wiener Börse geschaffenen ROTX-Index. Dieser beinhaltet derzeit die 15 liquidesten rumänischen Aktien. Ein entsprechendes Open-End Zertikat (ISIN: AT0000A034N4) hat beispielsweise die Erste Bank emittiert. Seit der Auflage stehen hier aber deutliche Verluste zu Buche. Und der bestehende Abwärtstrend kann vermutlich nur gebrochen werden, wenn sich auch weltweit das Börsenklima wieder aufhellt.

Hoffnung auf Besserung knüpfen Experten wie Nicolae Albu von BCR Asset Management außerdem an die geplante Privatisierungswelle. Mit dem Nationalen Immobilienfonds, drei Versorgern und dem Flughafen könnten 2009 einige interessante Unternehmen an die Börse kommen. Ebenfalls kommendes Jahr sinkt zudem die Dividendenbesteuerung für Ausländer von derzeit 16 Prozent auf das bereits für Inländer geltende Niveau von 10 Prozent. Und vermutlich noch in diesem Jahr werden 400 Unternehmen von der Freiverkehrsbörse Rasdaq an die strenger regulierte Bucharest Stock Exchange (da sind bisher 65 Aktien gelistet) wechseln. Es tut sich also durchaus etwas an der rumänischen Börse. Aber ohne ein allgemein aufgehelltes Börsenklima werden diese Aktivitäten vermutlich nicht viel bewirken.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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