Kommentar
08:45 Uhr, 16.09.2015

Asienkrise wiederholt sich nicht

Viele Beobachter sind sich einig: die derzeitigen Turbulenzen in Asien, vor allem China, werden zu keiner Neuauflage der Asienkrise der 90er Jahre führen.

Der derzeitige Konsens ist eindeutig: Krise ja, aber nicht wie 1997 und 1998. Die aktuelle Krise wird nach Meinung vieler nicht so schlimm werden wie damals. Damit haben sie Recht. Die Krise könnte viel schlimmer werden.

Die Meinung, dass die aktuelle Krise in China und vielen anderen Schwellenländern nicht mit den 90er Jahren vergleichbar ist, ist korrekt. Die Ausgangslage ist eine andere und vieles spricht für einen glimpflichen Ausgang - noch.

Im Vergleich zu damals sind viele Staaten heute deutlich robuster. Sie haben hohe Devisenreserven, eine solide Geldpolitik und freie Wechselkurse. Die Asienkrise war unter anderem deswegen so dramatisch, weil viele Währungen eng an den Dollar gekoppelt waren. Als dann die US Notenbank 1994 ihren letzten großen Zinsanhebungszyklus begann, wurde viel Kapital aus asiatischen Ländern abgezogen. Das übte einen enormen Abwertungsdruck auf die Währungen aus. Notenbanken stellten sich mit Interventionen dagegen und mussten wegen mangelnder Devisenreserven an einem bestimmten Punkt aufgeben. Viele Währungen wurden schlagartig freigegeben und werteten innerhalb kurzer Zeit 30 bis 50% ab.

Heute meinen viele, dass sich die Geschichte nicht wiederholen kann, weil die Wechselkurse bereits frei sind. Es kann also keine so plötzliche Schockwelle durch eine Abwertung entstehen wie damals. Der Eindruck täuscht.

Grafik 1 zeigt die Abwertung der thailändischen und südkoreanischen Währung zur Zeit der Asienkrise. Lange Zeit bleiben die Währungen stabil und fielen dann plötzlich wie ein Stein. So ähnlich ging es Russland vergangenes Jahr und erneut in diesem Jahr. Brasilien machte diesen Prozess auch schon einmal im Jahr 2000 durch.

Die Krise der 90er hieß zwar Asienkrise, doch der Name täuscht darüber hinweg wie groß die Auswirkungen weltweit waren. Am schlimmsten erwischte es Russland. Die Währung verlor innerhalb kurzer Zeit 80% an Wert.

Das aktuelle Bild (Grafik 3) ist ganz anders. Seit Jahren werten Schwellenländerwährungen ab. Der Prozess ist langsamer, zieht sich dafür allerdings sehr viel mehr in die Länge. Zum Vergleich zeigt die Grafik auch Malaysia mit seiner Währung zur Zeit der Asienkrise. Die Währung hielt sich einige Zeit stabil und wertete dann schnell ab. Heute ist das anders. Der offensichtliche, plötzliche Schock bleibt aus.

Nur weil es heute keinen plötzlichen Schock gibt heißt das nicht, dass alles besser und weniger gefährlich ist. Brasilien ist bereits in eine Rezession gefallen. Andere Schwellenländer werden folgen. Die Abwertung der Währung lässt die Inflation in vielen Ländern deutlich über 10% steigen. In einigen Nationen sind mehr als 20% zu erwarten. Notenbanken halten die Zinsen hoch, um eine zu schnelle Abwertung zu verhindern. Das würgt die Wirtschaft weiter ab.

Der Verlauf der aktuellen Krise ist anders als damals. So gesehen wiederholt sich die Asienkrise nicht 1 zu 1. Die Krise ist nicht auf einmal von einem auf den nächsten Tag da. Sie hat vor Jahren begonnen und wird sich noch in die Länge ziehen. Wirtschaftlich ist das für viele Länder gefährlicher als die Asienkrise. Es droht vielen Staaten vielleicht nicht gleich ein verlorenes Jahrzehnt, aber ein verlorenes halbes Jahrzehnt.

Die aktuelle Krise der Schwellenländer fühlt sich wegen des fehlenden Schockmoments weniger dramatisch an als die Asienkrise. Wirtschaftlich ist die aktuelle Krise nicht weniger schlimm. Sie hat sogar das Potential schlimmer zu werden als die Asienkrise - nur halt über einen längeren Zeitraum gestreckt. Für Europa und die USA gibt es immerhin eine gute Nachricht. Auch wenn der Krisenverlauf für die Schwellenländer ein anderer ist wird sie für uns ähnlich verlaufen wie damals, sprich: die Auswirkungen sind gering.

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2 Kommentare

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Sauber! Mal sehen. Thailand steckt dieses Jahr bereits merklich in einer Deflation. Riesige Leerstaende und schnell sinkende Preise fuer Immobilien sprechen eine deutliche Sprache.Man hat den Eindruck das Land steht. Dazu kommt die praktisch nicht mehr existierende Wirtschaftspolitik mangels Wissens der derzeitigen Regierung. Ein Land in politischen Vakuum, dessen Ueberschuldung der Bevielkerung laengst Rekordwerte erreicht hat. Ich halte eine schnelle und brutale Abwertung des weit ueberbewerteten Bhat um 20% ueber Nacht durchaus fuer moeglich. Thailand ist immer fuer eine Ueberraschung gut. Wie es wirklich aussieht im Land , darueber kann man nur spekulieren. Den oeffentlichen Zahlen kann man null vertrauen.

    09:12 Uhr, 16.09. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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