Kommentar
13:07 Uhr, 28.02.2017

Armes Amerika!

Die Steuern sind zu hoch, die Regulation zu strikt und überbordend. Es scheint, als durchleidet Corporate America unendliche Qualen.

Spätestens seit der US-Wahl wissen wir: alles ist schlecht. Die Republikaner haben von Obama ein großes Durcheinander geerbt (einer von Trumps Lieblingssprüchen: It's a mess). Die Wirtschaft läuft nicht mehr, die Regulation verhindert Kreditvergabe und die Steuern für Unternehmen sind zu hoch. Es scheint, dass Corporate America ums Überleben kämpft.

Das muss sich ändern. Nur ein Land mit starken Unternehmen kann gewinnen. Unternehmen stellen nur Menschen ein, wenn es ihnen gut geht und ihnen geht es gut, wenn die Steuern niedrig und die Regulation lax sind. Beides soll geliefert werden.

Die Logik ist bestechend. Allein, sie ist falsch. Grafik 1 zeigt die Gewinne der US-Unternehmen nach Steuern in Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit ca. 9 % sind die Gewinne so hoch wie selten zuvor. Vor wenigen Jahren sah es noch besser aus, doch damals waren auch die Rohstoffpreise noch höher. Insgesamt zeigt die Trendlinie immer noch nach oben.

Die überbordenden und erdrückenden Steuern sind seit 35 Jahren unter konjunkturellen Schwankungen ähnlich hoch. Sie bewegten sich ungefähr zwischen 2-3 % der Wirtschaftsleistung. Im gleichen Zeitraum sind die Gewinne jedoch von 4 % auf knapp 10 % gestiegen. Die Gewinne haben sich mehr als verdoppelt, die Steuern blieben unverändert hoch bzw. niedrig. Das sieht eigentlich nach einer Zumutung aus.

Wie Stephen Roach, Professor an der Universität Yale, feststellt (Originalartikel hier) sind nicht die Unternehmenssteuern das Problem. Die Steuern sind niedrig genug. Die Gesetzgebung könnte einfacher sein, aber die Höhe der Steuern sind nicht das Problem. Das Problem sind die Löhne und Gehälter.

Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Löhne und Gehälter relativ zur Wirtschaftsleistung und den Konsum. Gehälter sinken seit 40 Jahren, der Konsum hingegen steigt. Das geht auf Dauer nicht gut. Es ist überhaupt bemerkenswert, dass die Gehälter weniger ausmachen als der Konsum. Das wirkt zunächst absolut unverständlich. Man auf Dauer als Privatperson ja schlecht mehr ausgeben als man einnimmt.


Lösen lässt sich das Rätsel, indem man die Einkommen betrachtet. Die Einkommen bestehen nicht nur aus Löhnen und Gehältern, sondern auch aus anderen Einkünften, z.B. aus Kapitalanlagen oder der Vermietung von Immobilien. Auch in Bezug zum Einkommen sind die Konsumausgaben überdurchschnittlich gestiegen. Noch scheint es aber einen komfortablen Vorsprung der Einkommen zu geben.

Der Eindruck täuscht. Der Durchschnittsbürger lebt vom Lohn und nicht von Mieteinnahmen oder horrenden Boni und Aktienoptionen. Für die meisten ist der Lohn ausschlaggebend. Dieser sinkt relativ zur Wirtschaftsleistung. Wer hingegen Immobilien, Unternehmen (z.B. über Aktien) usw. besitzt, verdient immer mehr. Der Besitz von Unternehmen usw. ist das Kapital. Steigen die Einkommen und sinken die Löhne, geht immer mehr Einkommen zu denjenigen, die das Kapital besitzen. Wer "einfach nur" arbeitet, bekommt immer weniger.

Die Masse der Menschen bekommt immer weniger. Dadurch sinkt die Möglichkeit zu konsumieren. Es fehlt schlichtweg an Nachfrage. Das Nachfragewachstum ist seit über einem Jahrzehnt unterdurchschnittlich. Steigt die Nachfrage langsam, dann haben Unternehmen auch wenig Anreiz zu expandieren und zu investieren.

Wollen die USA wieder so richtig in Fahrt kommen, dann nützen Steuersenkungen für Unternehmen nichts. Die Nachfrage muss gesteigert werden. Reformen, die diesen Aspekt anpacken, helfen dem Durchschnittsbürger am meisten. Niedrigere Unternehmenssteuern begünstigen nur das Kapital und verschlimmern den Trend. Das derzeitige Vorhaben der Republikaner ist also kontraproduktiv.

Sinn macht eine Steuerreform trotzdem, aber aus anderen Gründen. Dazu an anderer Stelle mehr.

Clemens Schmale

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6 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    Der Grund für die geringen Einkommen aus wertschöpfender Arbeit ist das staatliche Papiergeldsystem. Mit der Geldschöpfung, die in diesem System möglich ist, und insbesondere in den USA exzessive über Jahrzehnte betrieben wurde, war eine Enteignung der Güter produzierenden Arbeitskräfte verbunden, denn die Produktivitätssteigerung, die zu niedrigeren Preisen bei bestehenden Produkten führt, wird durch die Geldschöpfung aus dem Nichts zunichte gemacht und ins Gegenteil verkehrt. Somit wird eine Umverteilung von unten nach oben betrieben, die genau das Ergebnis zur Folge hat, was Clemens Schmale aufzeigt. Staatliche Konjunkturprogramme über deficit spending nach Keynes, wie sie auch Trump auf der Agenda hat, werden also nur sehr bedingt dieses Ungleichgewicht von Einkommen aus Unternehmen und Einkommen aus Arbeitnehmertätigkeit beheben, denn es wird wieder durch Geldschöpfung über Schuldenaufnahme finanziert und enteignet somit die Arbeitnehmer weiterhin.

    19:43 Uhr, 01.03.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Chronos
    Chronos

    Hat ja wirklich gedauert, diese Erkenntnis.

    Verstehe nur nicht ganz was das mit Trump in Realität zu tun haben wird.

    Auch in den Alliierten Staaten, gerade auch Deutschland, sinken seit Ewigkeiten die

    Löhne und die reale Inflation ist weit aus größer als die publizierte mit hedonistischem Zahlenbild.

    Alleine Rente gesetzlich festgeschrieben mit 2 Prozent.

    Dazu die UsSt und Gebühren. (GEZ, Müll, Wasser)

    Der Konsum auf Kredit wurde importiert, sicher auch nicht der richtige Weg, dabei denke ich das Bürokratie in Amerika nicht so überbordert ist wie in Deutschland. Schlimmer ist nur Japan.

    Probleme werden die USA erst richtig bekommen, wenn in der breiten Masse die Stimmung gegen Kriege und finanzierte NATO-Standorte aufkommt.

    15:51 Uhr, 01.03.2017
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Dieser Rec**sack

    will nur Eines: Die Reichen und Superreichen noch reicher machen. Zudem ist in der Rede ganz klar von einer 2 Klassen Welt die Rede: Amerikaner und Nichtamerikaner. Widerlich dieser Typ.

    09:12 Uhr, 01.03.2017
  • jan_
    jan_

    "Das Problem sind die Löhne und Gehälter."

    Soweit ich mich erinnern kann, hat Trump genau das in seiner Rede in Florida angesprochen:

    20:28 Uhr, 28.02.2017
  • netzadler
    netzadler

    sieht bernie sanders genau so. das er nicht Präsident geworden ist, dürfte sich im Rückblick als große Tragödie herausstellen.

    bei uns dürfte das auch nicht viel anders aussehen, dank der Lichtgestalten in der EZB und der Politik. in diesem Kontext ist eigentlich nur noch frau Wagenknecht wählbar.

    13:38 Uhr, 28.02.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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