Kommentar
08:20 Uhr, 21.09.2015

Markt wieder in Korrekturmodus: Ob die Fed damit gerechnet hätte?

Nach dem Zinsentscheid war der Markt in richtiger Feierlaune.Nun ist davon keine Spur mehr und eine Korrekturfortsetzung wird immer wahrscheinlicher.

Wer hätte das gedacht? Die Fed gibt dem Markt, von dem jeder dachte, dass er es will - und dann das: es wird korrigiert. Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen. Auf den zweiten Blick kann es Sinn machen. Einige Beobachter gehen davon aus, dass der Markt die zögerliche Haltung jetzt negativ interpretiert. Wenn die US Notenbank trotz guter makroökonomischer Daten stillhält, dann weiß sie vielleicht mehr als wir. Sie weiß vielleicht von Problemen der US und der Weltwirtschaft, die wir so nicht wahrnehmen und hält daher die Zinsen niedrig.

Anstatt großer Freude sind aus der Fortsetzung der Nullzinspolitik Bedenken entstanden. Trotzdem, gestern feierte der Markt, heute wird verkauft. Und morgen? Morgen wird vermutlich wieder gekauft. Die Bewegungen der letzten 24 Stunden sind kein Gradmesser für die kommenden Wochen und Monate. Innerhalb von Tagen oder Stunden kann sich das Blatt wieder wenden.

Kurzfristig kann der Markt in jegliche Richtung tendieren. Mittelfristig drängt sich der Verdacht auf, dass die Korrektur noch nicht beendet ist. Eine Art technische Begründung lieferte vor einer Woche Joe Rosenberg, ein Wall Street Veteran mit 50 Jahren Erfahrung und großen Investmenterfolgen.

50 Jahre überlebt man an der Wall Street sicherlich nicht durch Misserfolg. Rosenbergs Erfolg begründet sich durch ein exzellentes, fundamentales Verständnis des Marktes und einer langfristig orientierten Strategie. Aus dieser Perspektive ist die Luft aus dem Markt noch lange nicht draußen.

Grafik 1 zeigt wie man zu diesem Schluss kommen kann. Die Grafik zeigt den 15-jährigen, gleitenden Durchschnitt der US Aktienmarktperformance. 15 Jahre sind für viele Anleger eine sehr lange Zeit. Die meisten Anleger haben deutlich kürzere Börsenkarrieren. Trotzdem macht es für alle Sinn diesen Chart genau anzuschauen.

Eine Periode von 15 Jahren ist lang genug, um kurzfristige Schwankungen komplett aus dem Bild zu nehmen. Trotz der langen Beobachtungsperiode ist die Zeitreihe volatil und gibt gewisse Hinweise auf gutes Market-Timing.

Wenn der US Aktienmarkt, hier gemessen am S&P (vor 1957 zurückgerechnet), auf Sicht von 15 Jahren eine Performance von nahe null oder eine negative Performance ausweist, dann ist Zeit zu kaufen. Der Markt bewegt sich momentan in diese Richtung, ist aber noch nicht dort angelangt, wo man einen großen Turnaround erwarten kann.

Extremwerte des gleitenden Durchschnitts zeigen nur einen Umkehrpunkt an, wenn auch der Markt sichtbar korrigiert hat. Derzeit ist das noch nicht der Fall. Langfristig gesehen hat der Markt noch viel zu wenig korrigiert, um wieder in einen langen Aufwärtstrend einzuschwenken.

Wer optimistisch ist, der ignoriert das fehlende, markante Tief des Marktes und kauft. Wer langfristig orientiert ist findet noch keinen Grund auf Schnäppchenjagd zu gehen.

Ein weiterer Grund den Markt skeptisch zu sehen ist die immer noch hohe relative Performance des US Marktes. Die Performance hat sich in den vergangenen 12 Monaten deutlich reduziert, doch auf Sicht mehrerer Jahre stehen US Aktien noch einigermaßen gut da.

Grafik 2 zeigt weitere Durchschnitte über verschiedene Perioden. Gezeigt werden Durchschnitt von einem Jahr bis zu 15 Jahren. Alle Durchschnitte haben noch Luft nach unten, bevor man von einem Extrem sprechen kann, das zum unbedingten Kauf einlädt.

Die Performance über die vergangenen 15 Jahre oder sogar längere Perioden (Grafik 3) zeigen vor allem eines: Bis zum Jahr 2000 sind Anleger zwei Jahrzehnte lang überdurchschnittlich belohnt worden. In der über 200 jährigen Geschichte gab es bisher keine Übertreibung an der US Börse, die an die Jahrtausendwende herangereicht hat. Selbst 1929 wirkt im Vergleich wie eine Lappalie.

Man kann es auch so ausdrückten: der Markt ist historisch gesehen noch immer sehr hoch bewertet. Die Übertreibung der letzten Jahre hat sich noch immer nicht komplett abgebaut. Vergleicht man die mehrjährigen Durchschnitte der letzten 20 Jahre mit den 200 Jahren zuvor, dann zeigt sich wie außergewöhnlich die Zeiten waren. Vielleicht kehrt der Markt nicht wieder in die Zeit vor 1980 zurück, doch eine weitere Relativierung der hohen Performance ist anzunehmen. Um auf den meisten Zeitebenen wieder als attraktiv zu gelten müsste der S&P 500 unter 1.200 Punkte fallen. Persönlich gehe ich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht davon aus, dass es soweit kommt.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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