Kommentar
15:30 Uhr, 08.08.2022

Anleihemarkt auf der Kippe

Seit Beginn der Zinswende nimmt der Stress im Anleihemarkt zu. Viel fehlt nicht und der Markt trocknet aus. Das hat auch Folgen für den Aktienmarkt.

Die Straffung der Geldpolitik soll Kredit nicht nur verteuern, sondern die Nachfrage insgesamt dämpfen. Das gelingt auch, wenn sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtern. Genau das ist in den letzten Monaten geschehen. Unternehmen nehmen deutlich weniger Kredit auf. Die Gratwanderung zwischen freiwillig geringerem Kreditwachstum (es wird weniger aufgenommen, weil die Zinsen höher sind) und dem Austrocknen des Marktes (Unternehmen wollen Geld aufnehmen, bekommen es aber nicht) ist eine schwierige. Besonders Unternehmen mit geringer Bonität nehmen in diesem Jahr nur wenig Geld über die Ausgabe von Anleihen auf. Unter normalen Bedingungen werden pro Monat zwischen 20 und 30 Mrd. an Hochzinsanleihen ausgegeben. In Stresszeiten, wie z.B. im März 2020 im Pandemiecrash, waren es nur 4 Mrd. Seit Beginn der Zinswende liegt der monatliche Durchschnitt bei 9 Mrd. (Grafik 1). Der Markt beginnt auszutrocknen.


Das Wachstum des Anleihemarktes für Unternehmensschulden liegt im Durchschnitt seit der Finanzkrise bei etwas mehr als 4 %. In Krisenjahren wie 2011 ist das Wachstum deutlich niedriger. Nach derzeitigem Stand, wenn sich die Bedingungen im zweiten Halbjahr nicht verbessern, liegt das Wachstum in diesem Jahr bei 1,1 % (Grafik 2). Das ist rekordverdächtig niedrig.

Die Wachstumsrate hat auch Bedeutung für den Aktienmarkt. Geringes Wachstum deutet auf Stress im Finanzsystem hin und dieser Stress belastet auch Aktien. Es ist daher kein Zufall, dass der Aktienmarkt in Jahren, in denen das Wachstum niedrig ist, Korrekturen oder Bärenmärkte zeigt (Grafik 3).

Bis zu einem gewissen Grad ist die Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen gewollt. Die Wirtschaft soll gebremst werden. Damit aus einer Verschlechterung keine Krise wird, müsste die Notenbank bald gegensteuern. Der von der New York Fed entwickelte Stressindex für Unternehmensanleihen zeigt hohen Stress an (Grafik 4). Bisher zeigt sich keine Trendwende. Setzt sich der bisherige Trend fort, drohen Unternehmen ernsthafte Refinanzierungsprobleme.

Schulden müssen refinanziert werden. Das gilt nicht nur für Unternehmen, sondern für alle Schulden. An Schulden mangelt es in den USA nicht. Unternehmen und der Staat haben sich über Anleihen 54 Billionen Dollar geliehen (Grafik 5). Auf Unternehmen entfallen etwas mehr als 10 Billionen.

Trocknet der Markt aus und können fällig werdende Schulden nicht refinanziert werden, kommt es schnell zu einer Panik. Diese gab es zuletzt Ende 2018. Die Panik zwang damals die Fed zu einer Kehrtwende in der Geldpolitik. Noch ist der Markt für Unternehmensanleihen nicht komplett ausgetrocknet. Die Lage für Unternehmen mit geringer Bonität spitzt sich aber zu. Trocknet der Markt plötzlich aus, haben wir einen geldpolitischen Unfall. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt.

Clemens Schmale


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  • Zukunft21
    Zukunft21

    den Geldpolitischen Unfall haben wir schon seit Jahren !

    16:54 Uhr, 08.08.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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