Anleihemarkt am Ende?
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München (GodmodeTrader.de) - Seit Jahren hält sich die Erzählung hartnäckig, dass der Anleihemarkt am Ende sei. Schließlich bieten die Märkte nicht mehr dasselbe laufende Renditeniveau wie noch zu Beginn der 2000er mit Kupons von im Schnitt 4,5 Prozent bei Bundesanleihen. Viele Anleger schichten daher zugunsten risikobehafteter Anleihen um, wie David Wehner, Senior Portfoliomanager bei der Do Investment AG, in einer aktuellen Marktanalyse schreibt.
Der BBB-Anteil im Investmentgradebereich mache beispielsweise bei Unternehmensanleihen mittlerweile mehr als 50 Prozent aus. Da sich der konjunkturelle Ausblick weiter eintrübe, stelle sich die Frage, wie es in diesem Segment weitergehe. „Wir vertreten die Ansicht, dass riskantere Anleihen weder Allheilmittel noch Zockerei sind. Der Anleihemarkt ist längt kein buy-and-hold Markt mehr, sondern erfordert stattdessen eine aktive Steuerung der Risiken“, so Wehner.
Die globalen Anleihemärkte hätten seit Januar eine enorme Erholungsrallye hingelegt. Nahezu alle Bereiche hätten seit Jahresbeginn positiv performen und die Erwartungen übererfüllen können. Dabei sei es beachtlich, dass sowohl risikobehaftete Anlageklassen wie Unternehmensanleihen und Hochzinsanleihen als auch sichere Assets wie Staatsanleihen und Pfandbriefe eine positive Performance aufwiesen, heißt es weiter.
„Dabei hat sich die makroökonomische Lage nicht verbessert. Wir gehen zwar nicht von einer Rezession in den nächsten 12 Monaten aus, allerdings von einer Abkühlung der Konjunktur. Der Mix aus schwächeren Konjunkturdaten und geopolitischen Risiken (Brexit, Handelskonflikt) wird unseres Erachtens für mehr Volatilität sorgen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass die weltweite Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre dazu geführt hat, dass Unternehmen sich stärker verschuldet haben und die Ratings erheblich schwächer sind, als noch vor zehn Jahren“, so Wehner.
Nach dem Ausverkauf risikobehafteter Anlageklassen gegen Ende des letzten Jahres sei man der Überzeugung, dass die negativen Entwicklungen übertrieben gewesen seien und man im Verlauf des ersten Quartals 2019 eine Erholung sehen werde. Das habe bedeutet, dass man damals rentenseitig in Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen und Anleihen aus den Schwellenländern investiert habe. Man sehe hier auch weiterhin Chancen, vor allem bei Schwellenländeranleihen, die noch einiges Aufholpotential nach dem letztjährigen Ausverkauf hätten, heißt es weiter.
„Das skizzierte makroökonomische Umfeld birgt allerdings Gefahren. Eine Konsequenz hiervon könnten schwächere Erträge auf Unternehmensseite sein, was wiederum deren Anleiheratings weiter drücken würde. Bei Do Investment haben wir deswegen gehandelt und in den vergangenen Wochen auf der Rentenseite das Risiko zurückgefahren. Das betraf Unternehmensanleihen mit schwachen Investmentgrade-Ratings und Hochzinsanleihen. Wir gehen davon aus, dass riskantere Anleihen tendenziell im Verlauf des Jahres wieder interessanter werden. Aktuell bevorzugen wir aber eher gute Bonitäten mit einer geringen Restlaufzeit. Langlaufende Staatsanleihen stellen für uns nach der letzten EZB-Entscheidung strategisch kein sicheren Hafen mehr dar, das Risiko eines marktinduzierten Zinsanstiegs ist zu groß“, so Wehner.
Für Investoren, die ausschließlich in Europa investierten, seien südeuropäische Anleihen aus Italien, Spanien und Portugal eine der wenigen zinstragenden Anlagemöglichkeiten geworden. Es sei aber wichtig, zwischen spekulativen und strategischen Positionen zu unterscheiden. Nur wenn Investoren vom Zusammenhalt in der Eurozone und den jeweiligen Einzelländern überzeugt seien, investierten sie strategisch und somit langfristig in die jeweilige Region. Spanien beispielsweise sei ein gefestigtes Land – trotz anstehender Neuwahlen. Eine Auseinandersetzung mit der EU, wie es die italienische Regierung inszeniert habe, sei im Umfeld der bevorstehenden Europawahl nicht zu erwarten. Sowohl Spanien als auch Portugal hätten sich seit der 2012er „Whatever it takes“-Rede von Mario Draghi konjunkturell erholt und seien als strategische Anleiheposition nach wie vor interessant, heißt es weiter.
„Neben dem konjunkturellen Umfeld und der Zentralbankpolitik ist der Populismus allerdings ein entscheidender Faktor und hier sticht Italien ins Auge. Italien ist zwar konjunkturell in den letzten Jahren mitgeschwommen, konnte aber mangels struktureller Reformen nicht mithalten. Seitdem verhalten sich dessen Staatspapiere ziemlich volatil. Wir sind der Auffassung, dass der Populismus keine Eintagsfliege ist, sondern in den nächsten Jahren zunehmen wird. Die Europawahl im Mai wird diese Tendenz höchstwahrscheinlich bestätigen und macht italienische Staatsanleihen somit zu einem eher spekulativen Investment“, so Wehner.
Unterm Strich seien aus reinen Renditegesichtspunkten südeuropäische Anleihen insofern weiterhin interessant, was auch ihre Entwicklung seit Anfang 2019 zeige. Die skizzierten Unterschiede innerhalb der Anlageklasse verdeutlichten aber, dass auch in diesem Bereich aktives Management zur Steuerung der Risiken ratsam sei, heißt es abschließend.
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