Anleger werden wählerischer
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Boston (GodmodeTrader.de) - Obwohl die globalen Aktienmärkte in der ersten Jahreshälfte zweistellige Renditen verzeichneten, sind die Anleger so kritisch wie schon seit Jahren nicht mehr. Im Extremfall hat sich das Kapital von Unternehmen weg verlagert, die in hohem Maß von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktivitäten profitieren, wie Robert M. Almeida, Portfoliomanager und Global Investment Strategist bei MFS Investment Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Unternehmen täten zwar ihr Möglichstes, um die Renditen zu maximieren. Einige seien jedoch unverhältnismäßig stark von Faktoren abhängig, die nichts mit ihrer üblichen Geschäftstätigkeit zu tun hätten, wie etwa von der Finanzierung der Lieferkette, von Aktienrückkäufen, steigender Verschuldung und dergleichen. Außerdem sorge sich der Markt um Unternehmen, denen es schwer falle, höhere Faktorkosten an ihre Kunden weiterzugeben, die sich durch höheren Arbeitsaufwand, Zölle und Unterbrechungen der Lieferkette ergäben, heißt es weiter.
„Wir stellen fest, dass sich diese Sorgen in einer verstärkten Marktstreuung widerspiegeln. Nach einer fast zehnjährigen monolothischen Marktentwicklung, in der gut geführte Unternehmen mehr oder weniger die gleiche Performance erzielten wie die weniger gut geführten, konnten wir in diesem Jahr eine grundlegende Verlagerung beobachten. Gegen Ende des Konjunkturzyklus sind die Anleger deutlich wählerischer geworden, und aufgrund der Streuung ergaben sich für aktive Manager wesentlich mehr Alpha-Chancen“, so Almeida.
Seit Jahresbeginn mache er drei Bereiche mit Underperformance aus: 1. Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad 2. Unternehmen mit sinkenden Bruttomargen, die häufig auf fehlende Preissetzungsmacht zurückzuführen seien 3. Zyklische Unternehmen geringerer Qualität.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man für kritische Portfolios, die auf Qualität ausgerichtet sind, Wertschöpfung erreichen kann, indem man Unternehmen ohne langlebige Geschäftsmodelle vermeidet. Dies war auch im Vorfeld der globalen Finanzkrise der Fall“, so Almeida.
Zwischen dem aktuellen Marktzyklus und den beiden vorhergehenden Zyklen gebe es jedoch zwei wichtige Unterschiede. In den beiden vorhergehenden Zyklen habe es 1. Überinvestitionen in bestimmte Sektoren der Realwirtschaft und 2. übermäßiges Engagement in den überbauten Sektoren gegeben, heißt es weiter.
„Ende der 1990er Jahre beispielsweise übertrafen die Investitionen in Glasfaseroptik und andere Technologien die Nachfrage nach diesen Technologien drastisch. Anleger glaubten an das Narrativ, die Cashflows würden sich früher oder später ergeben, um einen massiven Ausbau der Infrastruktur zu rechtfertigen. Diese Cashflows kamen nie zustande, und die Bewertungen fielen schließlich wieder auf ihren Mittelwert zurück“, so Almeida.
Ähnliches habe sich Mitte der 2000er Jahre im Wohnimmobilienbereich abgespielt. Anleger hätten Anleihen und strukturierte Produkte gekauft, die an Kredite für Wohnimmobilien gebunden gewesen seien, in der Annahme, 1) die Häuserpreise würden niemals fallen, und 2) Hausbesitzer würden ihre Hypotheken weiterhin zahlen. Beide Annahmen hätten sich als falsch erwiesen, heißt es weiter.
Ob es diesmal anders sei? Teilweise. Heute komme es in der Realwirtschaft zu weniger Exzessen. Das sei auch ein Grund dafür, dass der momentane Konjunkturzyklus schon lange andauere, aber unterdurchschnittlich stark sei. Heute seien die Anleger weniger euphorisch als 1999 und 2007, und anders als in den letzten beiden Zyklen gebe es keine offensichtlichen Blasen, die kurz vor dem Platzen stünden und so ein Ende des Zyklus herbeiführten, heißt es weiter.
„Meiner Meinung nach sind sich die Anleger jedoch nicht bewusst, dass die heutzutage von vielen Unternehmen verzeichneten hohen Margen nicht nachhaltig sind. Nur wenige erkennen, welches Spiel die Finanzvorstände mit Bilanzen und Erfolgsrechnungen treiben, um diese Margen aufrechtzuerhalten. Aber die CFOs können nur eine begrenzte Anzahl von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Hebeln in Bewegung setzen, um das Unvermeidliche zu vermeiden. Und schrumpfende Margen werden meiner Ansicht nach diejenigen nicht vermeiden, denen ein tragfähiges Wertversprechen fehlt“, so Almeida.
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