Kommentar
14:15 Uhr, 17.08.2023

Angst vor dem Inflations-Rebound

Obwohl der jüngste Anstieg der Inflationsrate erwartet wurde, reagiert die Börse verunsichert. Anleger haben Angst vor einem Rebound der Inflation, der zweiten Inflationswelle. Ist die Angst berechtigt?

Zunächst ist die Angst unberechtigt. Ein moderater Inflationsanstieg in einem einzelnen Monat macht keine Trendwende, zumal ein Anstieg für der US-Inflationsrate für Juli und auch für August erwartet ist. Nachdem die Inflationsrate allerdings in zwölf aufeinanderfolgenden Monaten rückläufig war, ist ein Anstieg ungewohnt. Dabei ist es mehr die Ausnahme als die Regel, dass die Inflationsrate so konsequent zurückgeht.

Seit Beginn der offiziellen Datenreihe im Jahr 1913 gab es nur zwei Serien, in denen die Inflationsrate ein Jahr lang jeden Monat zurückging. Das war Ende der 1910er Jahre und im zurückliegenden Jahr bis Juni 2023 (Grafik 1). Inflationsrückgänge sind keine Einbahnstraße. Das ist der Normalfall.

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Dennoch kommt Angst auf. Diese Angst wird durch zwei Datenpunkte unterstützt. Zum einen steigen die Erzeugerpreise wieder schneller an. Sie steigen schneller als erwartet und steigen die Erzeugerpreise heute, steigt die allgemeine Inflationsrate morgen. Hohe Inflation wurde zudem mit dem hohen Anstieg der Wohnkosten erklärt. Dieser Preisanstieg erfolgt nun immer langsamer.

Inflation ohne die Berücksichtigung von Mieten ist kein Problem mehr, so die Argumentation. Nun steigt aber gerade diese Inflationsrate an. Fallender Preisauftrieb bei Mieten kann durch einen Anstieg im übrigen Warenkorb ausgeglichen werden. Der Preisauftrieb bei Gütern schwächt sich derweil weiter ab (Grafik 2).

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Was Anlegern besonderes Kopfzerbrechen bereitet, ist der Anstieg der Benzinpreise. Diese korrelieren sehr stark mit den Inflationserwartungen der Verbraucher und bestimmen die marktbasierten Inflationserwartungen, die sich aus Anleiherenditen herleiten (Grafik 3). Ob die Inflation besiegt ist, hängt am Preis von Ölprodukten.

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Energiepreise fließen nicht direkt in den von der Fed favorisierten Preisindex ein, da dieser Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht berücksichtigt. Hohe Energiepreise arbeiten sich jedoch durch die Lieferketten. Wird der Transport von Gütern wegen hoher Benzinpreise teurer, wird dieser Preisanstieg früher oder später an Verbraucher weitergegeben.

Steigt der Benzinpreis heute an, steigt die Kerninflation mit einigen Monaten Verzögerung ebenfalls an. Die Kernrate ist mit 4,1% immer noch hoch. Bevor sich die Kernrate ausreichend abgekühlt hat, können höhere Energiepreise für eine zweite Welle sorgen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Möglichkeit, den Preisverlauf von Energie zuverlässig zu prognostizieren. Die Unsicherheit und Angst bleibt der Börse daher erhalten.

Die derzeitigen Inflationsprognosen gehen von einem volatilen Rückgang aus. Die Prognose deutet bisher keine zweite Inflationswelle wie in den 70er Jahren an (Grafik 4). Durch einen Anstieg der Energiepreise kann sich das ändern. Nach aktuellen Vorhersagen kommt es zu keiner zweiten Inflationswelle. Ab März 2024 unterscheidet sich der prognostizierte Inflationsverlauf von damals. Ob sich dies bewahrheitet oder sich in den kommenden Monaten doch eine zweite Welle herauskristallisiert, wird die Stimmung am Aktienmarkt regelmäßig beeinflussen. Die Angst ist aus dieser Perspektive nicht vollkommen unberechtigt. Es gibt allerdings keine klaren Hinweise darauf, dass sich der Inflationsanstieg, der die Angst auslöst, materialisieren könnte.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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