Kommentar
13:48 Uhr, 06.02.2013

Angst-Faktor verliert zunehmend an Bedeutung

Mit den Anzeichen für eine Konjunkturerholung ist auch die Zuversicht bei Anlegern gestiegen, wie sich u. a. an der Belebung der Aktien- und Staatsanleihemärkte zeigt. Die freundlichere Marktstimmung scheint sich nun auch positiv auf die Realwirtschaft auszuwirken.

Deutlicher Anstieg der Anleiherenditen

Der auffälligste Trend an den Finanzmärkten war der deutliche Anstieg der Staatsanleiherenditen in der vergangenen Woche. Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit kletterten in den USA und in Deutschland auf ihren höchsten Stand seit April 2012. Insgesamt sind die aktuellen Niveaus von ca. 2 % in den USA bzw. 1,6 % in Deutschland zwar immer noch sehr niedrig, doch geht es jetzt erstmals seit zwei Jahren wieder kräftig aufwärts.

Wichtig sind dabei vor allem die Gründe für den Renditeanstieg. Der treibende Faktor scheinen insbesondere die optimistischeren Zukunftsaussichten in der Anlegerschaft zu sein. Wäre der gegenwärtige Renditeanstieg dagegen durch die Sorgen um die Solvenz staatlicher Kreditnehmer bedingt (wie manche Unkenrufe vermuten ließen), dann würden wegen der eingetrübten Wachstums- und Gewinnaussichten gleichzeitig die Aktienmärkte fallen. Tatsächlich geht der Trend aber in die andere Richtung: Zahlreiche Aktienindizes kletterten letzte Woche auf ihren höchsten Stand seit fünf Jahren und auch die übrigen Risikowerte entwickeln sich überwiegend positiv.

Wandel bei der Asset-Allokation

Bei risikoreicheren Werten fällt auf, dass sich der Fokus der Anleger auf Wachstumswerte verlagert. Unternehmensanleihen bleiben bereits hinter Aktien und Immobilien zurück, während der Nachzügler des Vorjahres – Rohstoffe – aufholt.

Hier zeichnet sich der allmähliche Wandel bei der Asset-Allokation von institutionellen Vermögensverwaltern und Privatanlegern ab. Der globale Aufschwung steht mittlerweile auf deutlich breiterer Basis. Gleichzeitig ist die Gefahr systemischer Erschütterungen durch Eurokrise, US-Fiskalklippe und harte Landung in China gesunken. Daher steht der Faktor Angst für Investoren nicht mehr im Vordergrund.

Positive Rückkopplungen in die Realwirtschaft

Wichtig ist jetzt vor allem, inwieweit die jüngsten Marktbewegungen zu positiven Rückkopplungen in die Realwirtschaft führen werden. Im Ergebnis könnte das Weltwirtschaftswachstum 2013 die Konsenserwartungen deutlich übertreffen.

Unser Optimismus in dieser Hinsicht gründet sich vor allem auf drei Faktoren: Erstens hat die freundlichere Anlegerstimmung in den letzten Monaten für neue Dynamik und Kurserholung an den Finanzmärkten gesorgt, während die Energiepreise insgesamt unter Kontrolle blieben. Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Kräften hat sich erstmals seit Anfang 2009 wieder deutlich verbessert.

Zweitens findet derzeit ein hochinteressantes wirtschaftspolitisches Experiment in Japan statt: Die neue Regierung fährt eine weitaus expansivere Fiskal- und Geldpolitik und hat damit positive Vermögenseffekte ausgelöst. Der Yen hat deutlich an Boden verloren, die Aktienmärkte ziehen an und Inflationserwartungen (an den Anleihemärkten) sind gestiegen, ohne die Staatsanleiherenditen in die Höhe zu treiben. Real sind diese sogar gesunken. Das dürfte kräftige Impulse für die japanische Volkswirtschaft bedeuten, immer noch die drittgrößte der Welt.

Drittens haben sich die Leitindikatoren weltweit überwiegend gefestigt (China, USA) oder die Talsohle erreicht (Europa, Japan, einige Länder der aufstrebenden Welt). Damit macht sich der erneute Schwung an den Finanzmärkten nun auch in der Realwirtschaft bemerkbar und ebnet den Weg für die erste weltweit synchron verlaufende Erholung seit 2009.

Weltkonjunktur weiter für Erschütterungen anfällig Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass sowohl die Weltwirtschaft als auch ihr Finanzsystem immer noch von starken Verzerrungen geprägt sind. Der jetzt einsetzende positive Kreislauf könnte ohne Weiteres durch politische oder finanzielle Erschütterungen unterbrochen werden. Andererseits ist das die Lebensrealität unserer modernen Welt. Vorerst zeichnet sich jedoch ein konstruktiver Wandel sowohl weltwirtschaftlich als auch bei risikoreicheren Assets ab. Dabei sind wir durchaus nicht blind für potenzielle Gefahren, bleiben aber zunächst bei unserer positiven Haltung zu Aktien und Immobilientiteln (übergewichtet) und gewichten Staatsanleihen unter.

Ertragsprognose für Japan angepasst

Die Berichtssaison an den Aktienmärkten läuft auf vollen Touren. In den USA hat ca. ein Drittel der S&P500-Unternehmen bereits seine Q4-Ergebnisse veröffentlicht. Über zwei Drittel dieser Unternehmen übertrafen die Prognosen; die Umsatzzahlen überraschten positiv. In Japan haben sich der Sturzflug des Yen sowie die angekündigten Konjunkturmaßnahmen positiv auf Wachstums- und Gewinnerwartungen ausgewirkt. Die Gewinnentwicklung in Japan reagiert wegen des hohen Exportanteils und der hohen Operational Leverage sehr sensibel auf Wechselkursschwankungen. Entsprechend haben wir unsere Prognose für das Ertragswachstum 2013 von 12 % auf 25 % erhöht. Damit weist Japan von allen entwickelten Märkten das beste Verhältnis zwischen Wachstum und Bewertungen auf und ist unsere Präferenz unter den entwickelten Märkten.

Bewertungen steigen, sind aber nicht überzogen

Der jüngste Kursanstieg an den globalen Aktienmärkten wurde weniger von höheren Gewinnen, als vielmehr von Neubewertungen angetrieben. In den vergangenen 16 Monaten ist das globale KGV von 11,6 auf 14,4 gestiegen. Bedenkt man, dass der Langfristdurchschnitt bei 16 liegt, sind Aktien nicht überteuert. Solange die Makrorisiken nicht sinken, werden die Bewertungen diesen Wert kaum übersteigen. Auch die Kursentwicklung kann sich nur bei einer Belebung der Gewinnentwicklung beschleunigen. Unsere Prognosen sehen indes nur Zuwächse im niedrigen einstelligen Bereich vor (Europa und USA).

Quelle: ING Investment Management

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