Kommentar
07:44 Uhr, 03.05.2016

Am Öl hängt doch alles

Wer nach einer Erklärung für das überschaubare US-Wachstum im ersten Quartal sucht, findet diese im Rohstoffsektor. Es ist jedoch nicht nur die Ölbranche, die höhere Wachstumszahlen verhindert hat.

Das US Wachstum sank im ersten Quartal auf 0,5 %. Grafik 1 zeigt die Wachstumsraten der letzten Jahre und die wichtigsten Komponenten. Anfang 2016 gab es vor allem zwei Komponenten, die das Wachstum drückten. Die erste Komponente ist der Handel. Die Exporte ginge deutlich zurück. Auch die Importe schrumpften leicht, doch die Exporte gaben sehr viel stärker nach. Unterm Strich drückte die Handelsbilanz das Wachstum um 0,3 Prozentpunkte.

Der zweite Faktor, der das Wachstum belastete, war die Investitionstätigkeit. Die Investitionen gingen deutlich zurück, so deutlich wie seit 5 Jahren nicht mehr. Damals drohte die Wirtschaft noch einer kurzen Erholung nach der Finanzkrise wieder in die Rezession zu schlittern.

Handel und Investitionen drückten das Wachstum um ein knappes Prozent. Dass es insgesamt im ersten Quartal dennoch ein Plus gab, ist dem Konsum und dem Staat zu verdanken. Der Staat trug 0,2 Prozentpunkte zum Wachstum bei, die Konsumenten 1,3 Punkte. Besonders hoch war das Wachstum im Dienstleistungsbereich. Konsumenten gingen unter anderem mehr essen. Materielle Güter, wie Elektronik, wurden in etwa gleich viele gekauft wie zuvor.

Für die US-Wirtschaft ist der wachsende Konsum im Dienstleistungsbereich einerseits eine gute Nachricht, andererseits würden sich einige Sektoren mehr Wachstum bei den Konsumgütern wünschen. Der Konsum von Dienstleistungen ist eine gute Nachricht, weil diese schwieriger durch Importe ersetzt werden können. Wer essen gehen will, muss dies vor Ort tun und kann das nicht aus China importieren. Bei Waren ist das anders, hier konkurrieren heimische Produzenten mit ausländischen.

Je mehr die Bevölkerung an Dienstleistungen konsumiert und je weniger Güter aus dem Ausland gekauft werden, desto weniger drückt der Außenhandelsbeitrag auf das Wachstum. Die Industrie und das Gewerbe dürfte der Trend dennoch nicht freuen. Werden mehr Waren nachgefragt, dann hilft das nicht nur ausländischen Anbietern, sondern auch den heimischen.

Die Industrieproduktion schrumpft derzeit. Grafik 2 zeigt eine lange Zeitreihe. Sie zeigt nicht nur, dass die Industrieproduktion schrumpft, sondern auch, dass eine Rezession in der Industrie selten ohne eine gesamtwirtschaftliche Rezession stattgefunden hat. Zuletzt ging die Produktion ohne eine Rezession in den 30er Jahren so stark zurück.

Oftmals wird argumentiert, dass nur noch 10 % der Arbeitnehmer in der Industrie arbeiten und der Sektor nur noch 20 % zur Wirtschaftsleistung beiträgt und daher eine Industrierezession kein Problem für die USA darstellt. So einfach ist die Sache allerdings nicht, denn es ist vor allem die Industrie, die investiert. Schrumpft der Sektor, dann wirkt sich das nicht nur über die Beschäftigung aus, sondern auch über die Investitionen.

Die Investitionen drückten das Wachstum in Q1 um 0,6 Prozentpunkte. Zu vernachlässigen ist das nicht, insbesondere dann nicht, wenn sich das Konsumwachstum zurückhaltend zeigt. Es gibt trotz allem auch eine gute Nachricht, denn die Misere der Industrie ist vor allem dem Rohstoffsektor zuzuschreiben.

Die Rohstoffpreise werden nicht ewig niedrig bleiben und der Sektor wird seine Investitionen nicht immer und immer weiter senken können. Irgendwann ist der Boden erreicht. Vermutlich wird es Ende 2016 soweit sein. Dann könnte die Industrie, zu der der Rohstoffsektor gehört, wieder zum Wachstum beitragen.

Natürlich hat man sofort die Ölindustrie im Sinn, wenn es um den Rohstoffsektor geht. Grafik 3 zeigt wie sich die Produktion in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Seit August 2015 schrumpft der Sektor. Die Industrieproduktion begann jedoch schon früher zu fallen. Das lag ausnahmsweise nicht am Öl, sondern an anderen Branchen innerhalb des Rohstoffsektors (Mining).
Die Förderung von Industriemetallen kommt seit Anfang 2015 nicht mehr vom Fleck und zeigt eine leichte Abwärtstendenz. Ganz besonders negativ trägt jedoch die Kohleindustrie zum Wachstum bei. Schon die Erholung nach der Finanzkrise war zaghaft. Bereits 2012 begann ein neuerlicher Abwärtstrend. Mitte 2014 begann dann ein beispielloser Absturz.

Inzwischen sind die zwei größten Kohleproduzenten der USA insolvent und haben Gläubigerschutz beantragt. Gläubiger müssen auf viele Milliarden an Forderungen verzichten, Arbeitsplätze fallen weg und die Produktion geht deutlich zurück. Trotz des Rebounds der Öl- und Gaspreise sind Öl und Gas nach wie vor so billig, dass Kohle nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Solange das so bleibt wird die Produktion weiterhin schwach bleiben. Schon jetzt ist das Produktionsniveau niedriger als 1972 und es wird vermutlich weiter fallen.

Die Misere auf dem Rohstoffmarkt mag ein vorübergehender Effekt sein. Das Wachstum war in den USA zuletzt jedoch immer unausgeglichener. Immer weniger Komponenten tragen zum Wachstum bei. Der Konsum ist nicht stark genug, um die Rezession aller anderen Sektoren auf Dauer auszugleichen. So ist es gut möglich, dass das Wachstum im Gesamtjahr 2016 nur mit Mühe konstant bleiben wird. Zinserhöhungen würden der Industrie zusätzlich das Leben schwer machen und Investitionen weiter drücken. Die Industrie ist letztlich doch zu wichtig für die Wirtschaft. Selbst wenige Zinsschritte könnten die Gesamtwirtschaft kippen, da das Wachstum nur noch vom Konsum getragen wird und dadurch bereits jetzt extrem einseitig ist.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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