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16:15 Uhr, 13.01.2021

Alles steigt: Ist das schon die "Katastrophenhausse"?

Viele versuchen die ungebremste Rally zu erklären. So richtig überzeugend ist keines der Argumente. Was als Erklärung noch bleibt, ist eine Katastrophenhausse.

Bullen legen sich Argumente zurecht, weshalb der Markt weiter steigen kann und nicht überbewertet ist. Zu den Argumenten zählt der altbekannte Verweis auf das niedrige Zinsniveau. Bewertung und Zinsen sind keine geheimnisvolle Korrelation. Tiefe Zinsen rechtfertigen eine höhere Bewertung von Aktien. Man kann auch berechnen, wie viel höher die Bewertung je nach Zinsniveau sein darf. Um es abzukürzen: selbst das aktuelle Zinsniveau rechtfertigt die Bewertung in den USA und vielen anderen Märkten nicht mehr. Zinsen werden nur noch als Reflex argumentativ genannt. Fundiert ist das nicht mehr. Dann gibt es noch das Argument, dass Regierungen der Bevölkerung Geld schenken. Das trifft zumindest in den USA treffend zu. Es wird daher einen großen Boom geben. Das sehe ich ähnlich. Der Boom repariert aber das, was zuvor kaputtgegangen ist. Der Markt steht wesentlich höher. Regierungen müssten also noch jahrelang Konjunkturprogramme auflegen, um das Niveau zu rechtfertigen. Wie man es dreht und wendet, das Marktgeschehen und die Bewertung lassen sich nicht ernsthaft rechtfertigen. Unter all den möglichen Erklärungen, bleiben zwei. Eine ist durchaus auf rationales Verhalten zurückzuführen, die andere nicht. Zuerst zu der Variante, die rational ist.

Die Geldmenge hat sich 2020 massiv erhöht und wird sich 2021 weiter erhöhen. Das Wachstum, egal welcher Geldmenge (Grafik 1), ist historisch hoch. Das Geld muss irgendwohin und viele vermuten, dass es unter anderem in den Aktienmarkt fließt. So einfach ist die Sache natürlich nicht.


Notenbanken kaufen Anleihen. Diese kaufen sie von Banken. Banken erhalten im Gegenzug Reserven. Sofern Banken diese nicht für Kreditvergabe nutzen oder selbst Assets kaufen, landen diese Reserven wieder bei der Notenbank als Überschussreserven. Genau das ist größtenteils geschehen. Es ist also nicht so, dass die Notenbank Anleihen kauft und das Geld fließt direkt in den Aktienmarkt.

Was dennoch bleibt, ist eine deutlich erhöhte Geldmenge. Diese war zweifellos notwendig. Man stelle sich vor, Notenbanken hätten im März nicht reagiert. Der Finanzmarkt wäre zusammengebrochen. Das hätte bedeutet, dass Regierungen nicht die Mittel gehabt hätten, um Konjunkturprogramme aufzulegen, Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld zu zahlen. Die Wirtschaft wäre schlichtweg komplett zusammengebrochen. Ein Reset.

Das kennen wir aus 2008. Ein Reset, also der Bankrott von Staaten und der Privatwirtschaft, muss vermieden werden. Kommt diese Kettenreaktion erst einmal in Gang, liegt die Arbeitslosenrate schnell bei 30 % und mindestens die Hälfte der Bevölkerung versinkt in Armut. Einen Zusammenbruch unter allen Umständen zu vermeiden ist richtig.

Unter normalen Umständen können Schieflagen in der Wirtschaft in einem Abschwung korrigiert werden. Schwache Unternehmen gehen in die Insolvenz, ein einzelner Staat bekommt einen Schuldenschnitt usw. Wenn die Schieflage so groß ist wie 2008, kann man eine Korrektur nicht mehr zulassen, weil sie das ganze System gefährden würde.

Die Schieflage wird nicht korrigiert. Sie wird verschleppt. Sie wird mit Geld zugedeckt. Das löst das Problem nicht. Stattdessen sind die Probleme bei der nächsten Schieflage noch viel größer. Entsprechend mehr Geld muss geschaffen werden. Das zeigt das Geldmengenwachstum, das selbst jenes aus 2008/09 in den Schatten stellt.

Wenn Geld vom Himmel fällt oder in Form von Schecks ins Haus flattert, geht irgendwann der Glaube an die Werthaltigkeit von Geld verloren. Da derzeit tatsächlich Helikoptergeld eingesetzt wird, kann man sich vorstellen, dass es soweit kommt.


Geht jeder davon aus, dass Geld seinen Wert verlieren wird, weil z.B. so schnell so viel gedruckt wird, ist es rational, das Geld möglichst schnell wieder loszuwerden. Man kauft Güter, Aktien, Gold, einfach alles möglich, nur damit das Geld nicht auf dem Konto liegt und der Wert gefährdet ist.

Inzwischen zahlen Investoren sogar Griechenland Zinsen dafür, dass es sich Geld leiht. Wenn man noch einen Hinweis dafür brauchte, dass der Wert von Geld Schaden genommen hat, dann findet man ihn hier. Investoren zahlen dafür, dass ihnen Griechenland Geld abnimmt und nehmen dafür ein hohes Risiko in Kauf Teile des Geldes nicht wiederzusehen.

In einer Katastrophenhausse werden jedoch vor allem Assets gekauft, die werterhaltend sein sollen. Dazu gehören Aktien. Dazu gehört auch Gold und Gold befindet sich nicht mehr im Rallyemodus. Das ist ein klarer Hinweis, dass die Katastrophenhausse noch nicht stattfindet.

Es bleibt nur noch die zweite Erklärungsoption übrig. Wenn sich Bewertungen nicht mehr rechtfertigen lassen und keine Katastrophenhausse stattfindet, bleibt nur noch ein Schluss übrig: Übermäßige Spekulation.

Clemens Schmale


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4 Kommentare

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  • my shorts are too short
    my shorts are too short

    Hallo Herr Schmale, wieder ein klasse Artikel von Ihnen!

    Ich mache mir zur Thematik auch täglich Gedanken: Es hat sich wohl ein Pump- and Dump-Verhalten eingeschlichen, zuerst nach 2008 - extreme "Fear" Gold steigt massiv + Dump Aktien, dann extrem "Greed" Aktien steigen massiv + Dump Gold. - Seit März 2020 spielt sich dies nun im zeitlich sehr engem Rahmen ab, jedoch im Vorteil für Aktien - Gold fällt (Fear nimmt ab) und Aktien steigen jetzt massiv - das schnelle monetary easing fiel klar zu Gunsten von Aktien aus und zum Nachteil von Gold (Greed setzte sich gegenüber Fear durch) - das geschilderte Szenario sollte sich nun so fortentwickeln, d.h. Bullrun bei Aktien der dann wieder durch eine Krise zerstört wird (ich erwarte einen extremen Bullrun) doch egal was die nächste Krise auslöst, sie wird kommen - vielleicht sind es die drohenden Insolvenzen, die dann schon zum Ende des Jahres einen neuen Aktien-Bärenmarkt einleiten (?) - als Investor braucht man hier Nerfen wie ein Daytrader ....

    Danke für jedes Kommentar hierzu!

    20:15 Uhr, 13.01. 2021
  • Dr. Bull
    Dr. Bull

    Die letzten beiden Absätze teile ich.

    19:46 Uhr, 13.01. 2021
  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Diese Einschätzung ist m.E. dramatischer als Ihre gestrige. Im Ergebnis sind sie aber identisch.

    16:44 Uhr, 13.01. 2021

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Über den Experten

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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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