Kommentar
07:48 Uhr, 11.04.2017

Aktienmarkt: Ist Deutschland ein Schnäppchen?

Der DAX arbeitet an einem neuen Allzeithoch. Trotzdem sind deutsche Aktien nach wie vor spottbillig.

Seit über 17 Jahren haben Anleger mit deutschen Aktien kaum noch Geld verdient – zumindest, wenn es um reine Kurssteigerungen geht. Die Grafik zeigt den Dax Kurs- und Performanceindex. Der Kursindex zeigt die Entwicklung der Aktienkurse. Der Performanceindex berücksichtigt die Dividenden und nimmt an, dass die Dividenden weiter veranlagt werden.

Man sieht auf den ersten Blick, dass sich beim Kursindex noch lange keine Rekorde einstellen. Das Rekordhoch von Anfang 2000 ist noch immer nicht überwunden. Das wirft schon ein paar Fragen auf. Wie kann es sein, dass die Kurse in einer der stärksten Wirtschaften Europas und sogar einer der stärksten der Welt seit fast 20 Jahren nicht vom Fleck kommen?

Zweifellos wurde das bisherige Verlaufshoch des Dax-Kursindex unter besonderen Bedingungen erreicht. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis lag zur Zeit der Jahrtausendwende bei über 30. Das war sicherlich zu optimistisch – wie in den meisten anderen Ländern auch. Seitdem hat sich allerdings viel getan. Die Gewinne deutscher Unternehmen sind im Durchschnitt seit der Internetblase um 100 % gestiegen.

Da die Kurse überhaupt nicht gestiegen sind und sogar noch unterhalb des Rekordhochs oszillieren, ist die Bewertung der Aktien entsprechend gesunken. Sie liegt heute bei weniger als der Hälfte des damaligen KGV. Das wiederum erscheint doch ein bisschen sehr billig. Zum Vergleich: In den USA lag das KGV damals ebenfalls bei gut 30, heute steht es nur 10 % darunter, in Deutschland steht es 50 % tiefer. Entsprechend überbewertet sind US-Aktien im Vergleich zu deutschen Aktien.

Die Bewertung deutscher Aktien scheint nicht ganz fair zu sein. Das gilt im weltweiten Vergleich ebenso wie im europäischen. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung steht der US-Markt bei 130 %. Die Marktkapitalisierung liegt also beim 1,3-fachen der Wirtschaftsleistung. In Deutschland liegt dieser Wert bei 53 %. In Frankreich sind es 90 %, in Japan 137 %, in den Niederlanden 106 % und in Belgien 110 %.

Man muss fairerweise anmerken, dass die Gewinne deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich nicht am schnellsten wachsen. US-Unternehmen weisen ein deutlich höheres Wachstum aus. Es rechtfertigt allerdings nicht die extreme Bewertungsdifferenz.

Man kann die Schuld noch nicht einmal auf die Misere der Europäischen Union schieben, wo in vielen Ländern das Wachstum nach wie vor moderat ist. Deutschland exportiert viele Güter in die Nachbarländer. Stockt dort das Wachstum, wirkt sich das auch auf die Gewinne deutscher Unternehmen aus.

Eine Erklärung der Schwäche aufgrund der Nachbarländer macht nur Sinn, wenn deren Aktienmärkte ebenfalls besonders niedrig bewertet wären. Das sind sie aber nicht, wenn man von Extremen wie Griechenland und Italien absieht.

Man kann die niedrige Bewertung auch nicht allein auf den demographischen Wandel schieben. Aller Voraussicht nach wird die Bevölkerung in Deutschland schrumpfen. Weniger Menschen bedeutet weniger Nachfrage und letztlich auch weniger Gewinn. Da Deutschland allerdings schon seit vielen Jahren sein Wachstum durch den Export generiert, ist das kein stichhaltiges Argument. Die Weltbevölkerung wächst nach wie vor in solidem Tempo. Solange die globale Nachfrage robust wächst, sollten auch deutsche Unternehmen ihre Gewinne weiter steigern können.

Persönlich würde ich vielleicht nicht gerade jetzt eine Longposition aufbauen. Der deutsche Aktienmarkt scheint im internationalen Vergleich jedoch attraktiv bewertet zu sein, obwohl sich der Dax-Performanceindex nahe seines Allzeithochs bewegt.

Clemens Schmale

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1 Kommentar

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  • Master Robin
    Master Robin

    Hallo Herr Schmale, der Artikel endet doch recht abrupt. Warum ist also der dt. Aktienmarkt niedriger bewertet als er sollte? Und wieso würden Sie keine Long-Position aufbauen - "nur" weil man am ATH ist? Wenn die Wortzahl erreicht war, kann man das Thema ja auf zwei Artikel strecken... ;-)
    Viele Grüße

    08:56 Uhr, 11.04. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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