Kommentar
08:01 Uhr, 04.06.2009

Aktienanleihen – vom „Hinterbänkler“ zur echten Anlage-Alternative

Auch wenn sich die vor Jahresfrist noch steuerlich benachteiligten Zertifikate seit 2009 aufgrund der neuen „Gleichmacherei“ im Zeitalter der Abgeltungssteuer insgesamt als Gewinner fühlen dürfen, gibt es darunter zwei echte Profiteure, die wegen ihrer bisherigen Einstufung als sogenannte „Finanzinnovation“ schon seit längerem der uneingeschränkten Steuerpflicht unterliegen: Garantie-Produkte und sogenannte Reverse-Convertibles (RCB). Doch während erstere wegen des Sicherheits-Aspekts quasi über ein Alleinstellungsmerkmal verfügten, hatten es gerade RCBs aufgrund ihrer wirtschaftlichen Nähe zu Discountern besonders schwer und wurden schon allein aus Steuergründen bislang weitestgehend durch diese substituiert.

Discount-Zertifikate kennt inzwischen fast jeder, Reverse Convertibles, im Deutschen in Anlehnung an den jeweiligen Underlyingtyp besser bekannt unter der Bezeichnung Aktien- bzw. Indexanleihen, dürften so manchem Investor durchaus weniger geläufig sein, obwohl sie ebenfalls zu den klassischen Strukturen gehören. Wie der Name bereits andeutet, handelt es sich dabei um „umgedrehte“ Wandelanleihen, was de facto bedeutet, dass das ansonsten beim Anleger angesiedelte Wandlungsrecht in Aktien hier auf den Emittenten mit der Folge übergeht, dass als Entschädigung für das damit einhergehende Aktienrisiko ein deutlich über dem allgemeinen Marktzins liegender Kupon erstattet wird. Investoren sollten sich von dessen Höhe nicht blenden lassen und beachten, dass die durch den Zusatz „Anleihe“ suggerierte Sicherheit de facto nicht gegeben ist, da zwar der attraktive Kupon in jedem Fall gezahlt wird, bei starken Kursverlusten allerdings statt des Nominalbetrages der Anleihe im „Worst-Case“ nahezu wertlose Aktien ins Depot gebucht werden. Der Zins stellt dann keinen adäquaten Ausgleich mehr her. Insofern handelt es sich bei RCBs ebenso um Vollrisikopapiere wie bei Discountern, die noch dazu über die finanzmathematische Beziehung der „Put-Call-Parität“ (Aktie–Call = Festgeld–Put) das gleiche Endergebnis liefern. Denn was der Aktienanleihe ihr Kupon, stellt für den Discounter der Rabatt dar. So dürfte nach dem Wegfall der steuerlichen Unterschiede die Wahl eigentlich reine Geschmacksache sein. Jedoch sind bei Aktienanleihen einige kleine Unterschiede zu beachten. So findet die Preisstellung nicht wie bei Discount-Produkten in Euro, sondern in Prozent statt. Außerdem setzt sich der Preis beim Erwerb aus zwei Komponenten zusammen: Den bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Stückzinsen und dem aktuellen Wert der Anleihe. In diesem Zusammenhang ist auch auf die unterschiedliche Quotierungsweise der Produkte im Sekundärmarkt hinzuweisen, je nachdem ob das Papier dort mit („dirty“) oder ohne eingerechneten Stückzinsen („clean“) ausgewiesen wird.

Die neu gewonnene Freiheit hat mit einer Vielzahl an frisch emittierten Produkten schon deutlich ihren Niederschlag am Zertifikatemarkt gefunden und Aktienanleihen damit zu einer echten Alternative werden lassen. Dies zeigte sich auch anlässlich der jüngsten Befragung von 19 Emissions-Häusern durch den Deutschen Derivate Verband (DDV), bei der es unter anderem auch um die besondere Vorliebe von Privatinvestoren hinsichtlich einer bestimmten Produktstruktur im laufenden Jahr ging. Das Ergebnis sorgte mit Aktienanleihen (10,53%) zwar noch in gehörigem Abstand hinter Garantie-Papieren (47,37%) und Discountern (42,11%) auf dem dritten Platz durchaus für eine kleine Überraschung, blieben doch andere einstige „Lieblinge“ wie z.B. Bonus- oder Express-Zertifikate dabei außen vor. Dies könnte neben dem steuerlichen Argument auch an der gerade in Zeiten niedriger Zinsen aufkommenden Vorliebe für „Hochprozentiges“ liegen, das im Übrigen nicht nur „optisch“ überzeugen kann, sondern auch das angestrebte Renditeziel zumindest bei Laufzeitbeginn ganz ohne Taschenrechner oder Rechenschieber sichtbar werden lässt.

Allerdings muss der Anleger hier längst nicht mehr nur auf die klassische Variante zurückgreifen, sondern kann stattdessen auch zu einer Aktien- bzw. Indexanleihe „Protect“ oder „Plus“ greifen, die eine zusätzliche Absicherungsschwelle deutlich unter dem Referenzpreis bei Auflage besitzt. Der Vorteil zeigt sich in einem besseren Rendite-Risiko-Profil für den Anleger. Denn während er bei der Standardversion nur dann den Nennbetrag am Laufzeitende in voller Höhe zurückerhält, wenn der Kurs des Basiswertes bei Fälligkeit mindestens auf Höhe des Basispreises notiert, der meist dem Emissionsniveau entspricht, reicht es bei der Weiterentwicklung bereits aus, wenn die Barriere bis dahin zu keinem Zeitpunkt unterschritten wurde. Insofern ist der Investor also auch schon bei moderaten Kursrückgängen „aus dem Schneider“. Dieser Komfort muss allerdings wegen der etwas höheren Kosten mit einer kleinen Einschränkung bei der Ausstattung bezahlt werden, da der Wert der zugrundeliegenden verkauften Barriere-Option etwas geringer ausfällt.

Auch wenn Aktienanleihen Protect durch ihr „Sicherheits-Feature“ einen deutlichen Mehrwert bieten, hat sich seit dem Beginn der Finanzmarktkrise analog zu klassischen Bonus-Papieren gezeigt, dass selbst viele ursprünglich wohl dimensionierte Barrieren den starken Kursrückgängen irgendwann Tribut zollen mussten. Aus diesem Grund haben sich zahlreiche Emittenten wieder an eine in den letzten Jahren leider viel zu selten eingesetzte kleine aber feine Fortentwicklung erinnert, den sogenannten „Protect-Pro“-Mechanismus, über den die Absicherungsschwelle im Sinne einer „europäischen“ Ausübung erst bei Fälligkeit aktiviert wird. Dies bringt den großen Vorteil mit sich, dass „Schlechtwetterperioden“ an der Börse während der Laufzeit des Produkts keine Rolle spielen, solange die Barriere zumindest am Ende ihren Zweck erfüllt. Wegen des Stichtagsbezugs muss natürlich auch hier gegenüber der normalen Aktienanleihe Protect wieder ein kleiner Performance-Nachteil vom Anleger hingenommen werden. Das Emissionsgeschäft der vergangenen Monate signalisiert aber mittlerweile eine immer stärkere Tendenz gerade zu dieser noch sichereren Variante. Dabei ist wie bei vielen anderen Produkttypen auch hier der ganz klare Trend zu unterjährigen Papieren erkennbar.

Die Landesbank Baden-Württemberg offeriert seit einigen Wochen mit den Zins-Duo-Zertifikaten quasi eine Sonderform des Protect-Pro-Prinzips. Die zweijährigen Papiere auf Einzelaktien und den DAX verbinden dabei einen jährlichen Mindestkupon von drei Prozent mit der Chance auf einen weiteren attraktiven Zinszuschlag, sollte der Basiswert an den beiden Bewertungstagen jeweils auf oder über der Barriere von 50 Prozent des Ausgangsniveaus bei Emission notieren. Diese Hürde wird auch zum Schlüssel für die tatsächliche Rückzahlungshöhe am zweiten Stichtag bei Fälligkeit, denn sollte das Underlying die 50-Prozentmarke dann verfehlen, wäre ein der tatsächlichen Wertentwicklung seit Emission entsprechender Verlust vom Investor zu verkraften, wobei wie bei RCBs üblich, beim Index-Produkt ein Barausgleich, bei den Einzelwerten die Andienung eines entsprechend des Nennbetrags zu Emission festgelegten Aktienpakets erfolgen würde. Der Verlust wäre dabei aber der gleiche.

Neben dem Griff zu der einen oder anderen Protect-Variante, kann der sicherheitsorientierte Anleger aber auch beim Klassiker das Risiko dadurch etwas entschärfen, indem er Produkte wählt, bei denen der Basispreis deutlich unter dem aktuellen Kurs des Basiswertes liegt. Natürlich wird sich bei einem solchen Deep-Papier analog zu entsprechend ausgestatteten Discountern die Rendite im unteren Bereich bewegen.

WKN Name Emittent Fälligkeit Briefkurs
SL19U9 10% p.a. Allianz Aktienanl. Classic OPP 23.04.2010 100,50 % (in Zeich.)
UB61D3 5,00% p.a. DAX Indexanleihe Plus UBS 12.08.2009 100 % (in Zeich.)
VFP361 6,00% p.a. ES50 Indexanl. Protect Pro VON 18.12.2009 100,50 % (in Zeich.)
HV5AL4 10,00% p.a. Allianz Indexanl. Protect Pro HVB 16.10.2009 101,33 %
LBW248 3%/10% Siemens Zins-Duo LBBW 06.05.2011 1012,76 €

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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