Kommentar
14:00 Uhr, 06.03.2017

Aktien- und Anleihemärkte: Wichtige Divergenz?

Es ist schon auffällig: Aktien rennen von einem Rekord zum nächsten. Die Zinsen bleiben währenddessen überraschend niedrig. Das kann doch nicht sein.

Es regt sich ein gewisses Unwohlsein. Aktien werden gekauft als gäbe es bald keine mehr. Das gilt seit Wochen. Seit letzter Woche gilt das auch wieder für heiße Tech-Börsengänge. Die Aktie von Snap Inc. durch die Decke. Der erste Kurs lag deutlich oberhalb des Ausgabepreises. Am Folgetag ging die Rally gleich weiter. Das Unternehmen, welches 500 Mio. pro Jahr Verlust schreibt, ist bereits über 30 Mrd. Dollar wert.

Das ist natürlich eine Ausnahmeerscheinung, zeigt jedoch die Euphorie. Solche Bewertungen kommen nur zustande, wenn Anleger an hohes Wachstum glauben. Das gilt für Unternehmen wie Snap genauso wie für den gesamten Aktienmarkt. Dieser ist ebenfalls sportlich bewertet, gerade in den USA. Das macht nur Sinn, wenn das Wachstum von lethargischen 1,9 % wieder deutlich steigt.

Letztlich sind die Aktien von Unternehmen das wert, was sie an Gewinn ausweisen können. Gewinne steigen nur, wenn die Wirtschaft wächst. Die Börse eilt der Realität dabei voraus. In Erwartung eines höheren Gewinnwachstums wird jetzt gekauft und nicht erst dann, wenn die Gewinne tatsächlich in den Bilanzen stehen.

Inzwischen ist der Markt in so luftigen Höhen, dass die Wirtschaft schon mit 3 % oder mehr wachsen müsste, um das auch nur ansatzweise zu rechtfertigen. Natürlich weiß niemand, ob das gelingt. Im Zweifelsfall lohnt jedoch ein Blick auf den Anleihemarkt. Anleihen sind häufig zuverlässigere Indikatoren für Wachstum als der Aktienmarkt.

Wachstum, Inflation und Zinsen korrelieren stark. Das gilt seit jeher. Nun sind die Zinsen allerdings rund um den Globus noch immer niedrig. Zehnjährige US-Anleihen notieren bei 2,5 %. Die Inflation liegt bei ungefähr 2 %. Die Realzinsen stehen derzeit bei 0,4 %. Das ist so mickrig, dass der Anleihemarkt alles andere als hohes Wachstum ankündigt.

Der Bondmarkt signalisiert lediglich höhere Inflation, nicht höheres reales Wachstum. Das ist eine vollkommen andere Einschätzung als die von Aktienanlegern. Meist haben Bondanleger den besseren Riecher und behalten Recht. Als Aktienanleger muss man deswegen allerdings nicht gleich die Flinte ins Korn werfen und auf die große Korrektur warten. Diese kommt vermutlich so rasch nicht.

Auf dem Anleihemarkt tut sich nämlich gerade eine Chance auf. Die erste Grafik zeigt die T-Notes (10-jährige Anleihen) seit 2011. Nach dem Taper Tantrum (panikartige Verkäufe von Anleihen in Erwartung höherer Leitzinsen) im Jahr 2013 relativiert sich alles wieder. Seit Trump gewählt ist, gibt es einen ähnlichen Verlauf. Der Markt bewegt sich durchaus, wenn auch vor allem aus der Überlegung, dass die Inflation steigt und nicht das Wachstum.

Grafik 2 zeigt die T-Note Future Preise seit 1982. Hier erkennt man besser, dass sich gerade ein großes Top zu bilden scheint. In wenigen Wochen könnte der ganz große Umschwung auf dem Bondmarkt bevorstehen. Zinsen von über 3 % kompensieren dann nicht mehr nur höhere Inflation, sondern zeigen auch vorsichtig die Chance auf höheres Wachstum.

Persönlich habe ich daran noch so meine Zweifel. Mir fehlt die Fantasie, woher wirklich real höheres Wachstum kommen soll. Die Chancen, dass Aktien korrigieren, weil die Erwartungen enttäuscht werden, ist meiner Einschätzung nach höher. Die Enttäuschung kommt jedoch nicht heute und nicht morgen. Der Markt hat wahrscheinlich noch mehrere Monate Gnadenfrist.

Clemens Schmale

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6 Kommentare

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  • Fuzzi
    Fuzzi

    Gewinne steigen nicht nur, wenn die Wirtschaft wächst, Gewinne steigen auch bei steigender Inflation, da die Preise steigen.
    Es wäre eine genauere Betrachtung sinnvoll, wie die Inflation in den Bereichen steigt, in denen die betrachteten Unternehmen tätig sind.

    Es ist ja auch bekannt, daß die Inflation durch diverse Buchhaltertricks schöngerechnet werden kann.

    14:11 Uhr, 06.03. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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