Aktien: Umschichtung von zyklisch zu defensiv
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Zyklische Sektoren haben defensive Sektoren über lange Zeit in den Schatten gestellt. Mit der jüngsten Korrektur an den Aktienmärkten endete dieser Trend allerdings. Im Mai und im Juni übertrafen defensive Branchen wie Telekommunikation, Health Care und Basiskonsumgüter erstmals wieder zyklische Sektoren. Dabei schnitten vor allem rohstoffabhängige Aktien unterdurchschnittlich ab, zum Teil bedingt durch den anhaltenden Kursverfall des Ölmultis BP und enttäuschende (aber dennoch solide) Konjunkturdaten aus China.
Ein wichtiger Grund für das schwächere Abschneiden der zyklischen Sektoren ist die Tatsache, dass Investoren die abkühlende Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft zunehmend Sorge bereitet. Diese Sorgen werden von den enttäuschenden Daten aus den USA und China noch geschürt. Zyklische Sektoren sind außerordentlich anfällig für Erschütterungen im Konjunkturzyklus und reagieren daher empfindlich auf eine Verlangsamung der Wachstumsentwicklung. Ferner bedeuten die Kursanstiege seit 2009, dass Bewertungen und folglich auch die Anlegererwartungen ein hohes Niveau erreicht haben.
Auffallend war auch, dass die Schwellenländeraktien während der Marktkorrektur besser als Aktien aus Industrieländern abschnitten. Das mag ein Zeichen dafür sein, dass sich die Haltung der Anleger zu dieser Region geändert hat. In der Vergangenheit ging es an den Emerging Markets bei Korrekturen meistens abwärts.
Gewinndynamik geht zurück
Ein weiterer hervorstechender Trend ist die nachlassende Gewinndynamik, wie sich am Verhältnis der Aufwärtskorrekturen von Gewinnerwartungen zur Gesamtzahl der Gewinnkorrekturen ablesen lässt. Eine Zahl über 50 deutet darauf hin, dass die Aufwärts- die Abwärtskorrekturen übersteigen. Nachdem diese Kennziffer im Mai ihren Höchststand erreichte, ist sie stetig gefallen, in den USA im Juni sogar unter 50. Das mag u. a. daran liegen, dass die Unternehmen versucht haben, die Analysten-Prognosen bereits vor der neuen Berichtssaison entsprechend zu steuern. Ein weiterer Grund sind die wohl zu optimistischen Gewinnprognosen für 2011. Analysten sagen einen Anstieg der Gewinne um 20 % für das nächste Jahr voraus, während unsere eigenen Prognosen mit rund 10 % weitaus bescheidener ausfallen. Weitere Abwärtskorrekturen könnten durchaus die Marktstimmung trüben.
Übermäßig pessimistisches Szenario eingepreist
Die aktuellen Kurse deuten darauf hin, dass die Aktienmärkte derzeit eine sogar noch pessimistischere Einschätzung der Gewinnentwicklung einpreisen: ein Nullwachstum für die nächsten 18 Monate. Damit ist nach unserer Einschätzung nur dann zu rechnen, falls die Wirtschaft in eine Rezession zurückfällt – ein wenig wahrscheinliches Szenario. Die Wirtschaft ist jetzt weitaus rezessionsfester als in 2007, da Kostenbasis und Personaldecke noch vergleichsweise niedrig sind. Auch die Unternehmensbilanzen sind gesund und damit weniger anfällig für Stress an den Kreditmärkten. Theoretisch sind die Unternehmen durchaus imstande, ihre Dividenden und ihre Investitionstätigkeit zu erhöhen. Inzwischen ist auch wieder mit Fusionen und Übernahmen zu rechnen, da die Wirtschaft nach Möglichkeiten Ausschau hält, in Wachstumsbereiche zu expandieren bzw. Kostensynergien zu nutzen.
Defensivere Sektor-Allokation
Angesichts der rückläufigen globalen Wachstumsentwicklung haben wir uns bei den einzelnen Sektoren defensiver positioniert. Im Bereich Grundstoffe sind wir von einer positiven zu einer neutralen Einschätzung übergegangen. Dieser Sektor hängt stark von der Konjunkturentwicklung ab und vor allem den Trends in China, wo die jüngsten Indikatoren auf schwächeres Wachstum hindeuten. Den Telco-Sektor sehen wir dagegen in einem günstigeren Licht. Die Aktien dieses Sektors sind attraktiv bewertet und weisen mit durchschnittlich 6-8 % ansehnliche Dividendenrenditen auf. Überdies schätzen wir den Finanzsektor jetzt positiver ein und haben unsere Position auf neutral angepasst. Inzwischen herrscht größere Klarheit, was die strengere Regulierung dieses Sektors betrifft, und auch die Stresstests für europäische Banken sollen Unsicherheiten ausräumen. Auch Finanzaktien sind derzeit attraktiv bewertet.
Präferenz für Emerging Markets
Wir bleiben bei unserer positiven Einschätzung der Emerging Markets, und innerhalb bestimmter Sektoren setzen wir auf europäische bzw. US-amerikanische Werte mit hoher Präsenz an diesen Wachstumsmärkten. Die schwächeren Wachstumsprognosen für die Industrieländer sowie Sorgen um die Staatsfinanzen allgemein unterstreichen das positive Bild, das die aufstrebenden Volkswirtschaften bieten. Zudem sind auch die Gewinnprognosen für diese Region ermutigender.
Was die Industrieländer betrifft, setzen wir auf europäische Märkte, d. h. vor allem Aktien aus Deutschland und Großbritannien. Als Exportnation (vor allem nach Asien) profitiert Deutschland erheblich von der Euro-Schwäche. Wegen der geringen Renditen auf zehnjährige Bundesanleihen und der niedrigen EZB-Zinsen sind auch die Finanzierungskosten deutscher Unternehmen niedrig. Der britische Aktienmarkt wiederum ist einer der preiswertesten im Westen und bietet attraktive Dividendenrenditen. Überdies haben die Märkte begeistert auf die Wahl der Regierung Cameron und den von ihr vorgelegten straffen Haushalt reagiert. Nicht zuletzt wirtschaften britische Unternehmen durchweg profitabler als Unternehmen in der Eurozone.
Quelle: ING Investment Management
ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.
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