Kommentar
06:51 Uhr, 23.02.2017

Aktien sind deutlich überbewertet - oder?

Überbewertung? – Von wegen! Aktien sind geradezu ein Schnäppchen, wenn man nur die richtige Perspektive wählt.

Eigentlich kann man es drehen und wenden wie man will. Aktien erscheinen in fast jeglicher Hinsicht hoch bewertet. Das gilt nun sogar ganz besonders, denn global wurde das Zinstief gesehen. Die Zinsen steigen nicht gleich auf 4 % oder 5 %, doch langsam kriechen sie nach oben. Das große Argument für Aktien (Dividenden sind die neuen Zinsen) fällt nach und nach weg.

Der S&P 500 wirft derzeit noch ca. 1,9 % Dividendenrendite ab. Mit sicheren zehnjährigen Staatsanleihen kann man 2,4 % erwirtschaften. Das ist etwa ein Viertel mehr. Noch im vergangenen Jahr war das Verhältnis umgekehrt. Kurz gesagt: wegen der Dividendenrendite kauft man heute keine Aktien mehr.

Die Zinsen sind insgesamt noch immer niedrig. Das allein ist schon ein Grund für Aktien, sagen viele. Man darf aber auch nicht vergessen, dass das Gewinnwachstum heute sehr viel niedriger ist als in den meisten vorhergegangenen Jahrzehnten. So ganz stimmt das Argument also auch nicht – je nach Perspektive.

Analysten sind derzeit hochgradig optimistisch. Sie trauen den S&P 500 Unternehmen in den kommenden Jahren einen ordentlichen Gewinnsprung zu. Die Grafik zeigt dazu den Index und die Entwicklung des Gewinns je Aktie. Letztlich bestimmt der Gewinn den Kurs. Beide Linien verlaufen daher parallel.

Über viele Jahrzehnte hinweg lag der Gewinn je Aktie mal über dem Indexwert, mal darunter. Liegt der Gewinn je Aktie darunter, sind Aktien schneller gestiegen als die Gewinne. Das war vor allem in den letzten Jahren der Fall. Inzwischen wirken Aktien deshalb als hoch bewertet bzw. überbewertet.

Ob man nun das langjährige, inflationsbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (Shiller KGV, CAPE) heranzieht oder das normale KGV: beide sind hoch. Das Shiller KGV liegt in etwa wieder dort, wo es auch am Schwarzen Dienstag 1929 stand. Das waren keine guten Voraussetzungen. Bisher stand es nur zur Zeit der Jahrtausendwende höher. Auch das ging nicht gut aus.

Auch das herkömmliche KGV ist so hoch wie selten zuvor. Die Dividendenrendite ist dafür ebenfalls historisch niedrig. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis reiht sich im oberen Bereich der historischen Bandbreite ein, genauso wie das Kurs-Umsatz-Verhältnis.

Soweit, so schlecht. Gut, dass die Börse die Zukunft handelt. Die Zukunft sieht nach Ansicht der Analysten rosig aus. Bis 2020 sollen die Gewinne je Aktie um 50 % steigen. Das ist ein großer Sprung nach vorne und rechtfertigt heute höhere Bewertungen, wenn man an das Szenario glaubt.

Der Gewinnsprung hat wenig mit überdurchschnittlichem Wachstum zu tun. Dieses wird sich zwar beschleunigen, weil sich die Rohstoffpreise wieder stabilisieren (die zurückliegende Gewinnrezession war vor allem von wegbrechenden Gewinnen bei Öl- und Minenunternehmen getrieben), doch ein Großteil des Anstiegs kommt aus anderen Quellen.

Unternehmen kaufen nach wie vor große Mengen eigener Aktien zurück. 20-25 % des Gewinnwachstums (Gewinn je Aktie) ist auf eine Reduktion der Aktienanzahl zurückzuführen. Weitere 20 % könnten durch eine Senkung der Unternehmenssteuern beigetragen werden. Lässt man diese Sonderfaktoren außen vor, liegt das tatsächliche Gewinnwachstum bei 6-7 % pro Jahr. Das ist nicht ungewöhnlich hoch.

Ob letztlich alles so kommt wie derzeit erwartet, sei dahingestellt. Viel Fantasie ist in den Kursen drin, vermutlich zu viel. Anleger haben so viel Positives eingepreist, dass man schon fast von Blindäugigkeit sprechen muss.

Clemens Schmale

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  • Hupfdohle
    Hupfdohle
    14:14 Uhr, 23.02. 2017
  • Hupfdohle
    Hupfdohle


    14:13 Uhr, 23.02. 2017
  • Flumi
    Flumi

    Lieber Herr Schmale,

    Sie vergessen in Ihrer Würdigung mE (zumindest partiell) die Opportunitäten / Entwicklung der Kapitalkosten und die schier unfassbare Liquidität. Wir werden uns wohl allgemein mit einem höheren KGV Niveau anfreunden müssen. Bin offen für einen sachlichen Austausch hierzu!

    BG

    08:57 Uhr, 23.02. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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