Kommentar
08:31 Uhr, 17.03.2017

Aktien-Rally: krankhafte Euphorie?

Der Aktienmarkt verliert immer mehr den Bezug zur Realität, doch wer glaubt, dass das sofort böse enden muss, liegt falsch.

Ein Rekord jagt den nächsten. Das ist schon etwas suspekt. Viele meinen, hier bereits den letzten Atemzug der Rallye zu erkennen, schließlich weiß jeder: wenn die Euphorie erst einmal da ist, ist das Top nicht mehr fern.

Euphorie markiert tatsächlich das Ende eines so ziemlich jeden Bullenmarktes. Derzeit sind Anleger gut gelaunt, aber noch nicht hoffnungslos überschwänglich. Das wird ihnen von Analysten abgenommen. Sie sind die Chefeuphoriker der Stunde. Wer sich als Anleger darauf verlässt, hat sogar guten Grund, weiter Aktien zu kaufen.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Gewinne je Aktie nach Sektor des S&P 500. Man sieht sehr schön die Gewinnrezession von Ende 2014 bis Ende 2015. Auf Jahressicht haben Unternehmen erst in Q3 2016 aus der Rezession herausgefunden. Nun ist alles wieder gut und die Gewinne sollen bis Ende 2018 sprudeln.

Ganz vorne mit dabei sind Energie- und Rohstoffunternehmen. Viele halten den aktuellen Punktestand des S&P 500 schon deshalb gerechtfertigt, weil sich die Gewinne des Sektors wieder normalisieren sollten. Das ist ein Trugschluss, dem Anleger aufsitzen. Rohstoffpreise werden sehr viel länger brauchen, bis sie Rekordgewinne wie in den Jahren 2011 bis 2014 wieder ermöglichen. Das sehen sogar die meisten Analysten.

Es ist also nicht so sehr der Rohstoffsektor, der die Fantasie weckt. Bis Ende 2018 werden die Gewinne zwar wieder steigen, aber vermutlich immer noch niedriger sein als in Q3 2014. Dies gilt insbesondere für den Energiesektor (Grafik 2). Der übrige Rohstoffsektor soll seine Gewinne um 15 % gegenüber Q3 2014 steigern. Persönlich halte ich das für etwas ambitioniert, aber lassen wird das einmal gelten.

S&P 500 Unternehmen insgesamt sollen ein Gewinnwachstum von 33 % bis Ende 2018 ausweisen. Dieses Wachstum kommt nicht aus dem Rohstoffsektor, sondern etwa aus den Bereichen Konsum und Technologie. Hier werden atemberaubende Wachstumsraten von 72 % und 90 % vorhergesagt. Das ist Euphorie pur. Woher, bitte, soll dieses Wachstum kommen?

Man kann mit Fug und Recht davon ausgehen, dass die Gewinne steigen werden. Verdoppeln werden sie sich jedoch wohl kaum. Wie hoch die Erwartung der Analysten ist, bringt Grafik 3 auf den Punkt. Das Gewinnwachstum je Aktie soll bis Ende 2018 (gemessen vom Tief der Gewinnrezession) bei 20 % pro Jahr liegen. Das ist mehr als im letzten Aufschwung und mehr als zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten 30 Jahren.

Um diese Ziele zu erreichen muss alles, aber auch wirklich alles gutgehen. Das tut es für gewöhnlich nicht. Doch selbst wenn alles gutgeht, ist der Markt noch immer hoch bewertet. Das KGV würde bei konstanten S&P 500 Kursen von knapp 25 auf gut 18 sinken. Das ist immer noch sportlich. Steigen die Kurse weiter, wovon auszugehen ist, bleibt das KGV nicht nur hoch, sondern dürfte sich ähnlich verhalten wie zur Jahrtausendwende.

Der Markt hat durchaus noch Luft nach oben. Das gilt solange bis Anleger begreifen, dass die Vorhersagen viel zu optimistisch waren. Dann kommt die Korrektur, vermutlich sogar ein Bärenmarkt. Dieser könnte ausnahmsweise vollkommen ohne Rezession stattfinden. Die Wirtschaft ist solide und dürfte es bleiben. Es ist der Aktienmarkt, der vollkommen durchdreht.

Noch bleibe ich bei meiner positiven Einschätzung: Gewinne laufen lassen und die Party genießen, aber trotzdem nüchtern bleiben, also nicht von der Euphorie anstecken lassen. Ansonsten fällt es schwer den Trendwechsel zu erkennen.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    Gute Analyse und durchaus stimmig in den Schlussfolgerungen. Bin gespannt wann der breite Aktienmarkt reagieren wird.

    11:32 Uhr, 17.03.2017
  • whynot
    whynot

    Ist halt die Frage, ob man bei einer Korrektur zum jetzigen Zeitpunkt noch von sofort reden kann - das kommt darauf an, ab wann man glaubt, eine Euphorie ausgemacht zu haben. Man könnte durchaus auch die Ansicht vertreten, dass im Hinblick auf die Versorgung der Geldmärkte mit billigstem Geld und dem Glauben an die Allmacht der Zentralbanken schon viel länger Euphorie vorherrscht als nur ein paar Wochen.

    11:07 Uhr, 17.03.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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