Kommentar
10:11 Uhr, 11.11.2016

Aktien: Funktioniert einfach halten und liegen lassen?

Jeder weiß: Aktien sind langfristig immer ein Gewinn. Das gilt praktisch als Gesetz. Die Sache hat aber einen Haken – es stimmt einfach nicht.

Jeder kennt die Zahlenspiele, die die Eurozeichen in den Augen erscheinen lassen. Dabei geht es immer nur um Eines: den Zinseszinseffekt. So haben sich Aktien in den vergangenen 50 Jahren vervielfacht. Sie haben sich dabei nicht nur ein bisschen vervielfacht, sondern um den Faktor 27,5 . Das entspricht einer jährlichen Durchschnittsrendite von 6,8 %.

Geht man davon aus, dass die Vergangenheit ein Maßstab für die Zukunft ist, dann würden aus heute 10.000 Euro bis zum Jahr 2066 stattliche 275.000 Euro werden. Geht man von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1 % aus, dann sind es am Ende real immer noch 172.000 Euro, die man einfach durchs Abwarten verdienen kann.

Geht man in der Geschichte des Aktienmarktes weiter zurück, dann ändert sich das Bild kaum. Die Renditen bleiben sensationell. Geht man bis 1900 zurück, dann sinkt die Durchschnittsrendite auf 5,1 % pro Jahr. Bedenkt man, dass der Aktienmarkt im 20. Jahrhundert im Rahmen der großen Depression lange Zeit gar nicht vom Fleck kam, nachdem der Markt 86 % verloren hatte, ist das immer noch ein exzellentes Ergebnis.

Je weiter man nun aber zurückgeht, desto geringer wird die jährliche Rendite. Seit kurzem gibt es den wohl bisher umfassendsten Chart der Aktiengeschichte. Der abgebildete Index geht bis in das Jahr 1509 zurück. Die Grafik wurde erstellt, indem unterschiedliche Aktienmärkte zusammengesetzt wurden. US-Aktien haben keine so lange Historie. Das Jahr 1509 ist ziemlich nah an der „Entdeckung“ Nordamerikas. Da gab es schlichtweg noch keinen Aktienmarkt.

In Europa gab es bereits Handelsplätze, sodass sich die Historie bis in das Jahr 1509 zurückverfolgen lässt. Obwohl Aktien in diesem langen Zeitraum um den Faktor 110.000 stiegen, ist die Jahresrendite mit 2,3 % nicht wirklich beeindruckend. Adjustiert man die durchschnittliche Jahresrendite noch um die Inflation, bleibt am Ende noch 1 % Jahresperformance übrig.

1 % ist immerhin besser als nichts. Es ändert auch wenig daran, dass Aktien langfristig immer ein Gewinn zu sein scheinen, doch es kommt ganz darauf an, was man nun als langfristig betrachtet und wann man in den Aktienmarkt eingestiegen ist. Die großen Trendbewegungen sind in Grafik 2 dargestellt. Wer sein Vermögen gerade im Jahr 1509 in den Markt steckte, der hatte Pech. Es folgte ein Bärenmarkt von 46 Jahren. In dieser Zeit schrumpfte das Vermögen um 40 %. Unter Berücksichtigung der Inflation fiel es um 80 %.

50 Jahre sind eine lange Zeit und übersteigen das aktive Anlegerleben der meisten Menschen. Wer im falschen Moment in den Markt einstieg, verlor sein ganzes Leben lang Geld. Das war nicht nur ab 1509 so, sondern auch von 1649 bis 1695. Auch dieser Bärenmarkt dauerte 46 Jahre und brachte Verluste von 55 %.

Der drittlängste Bärenmarkt im 18. Jahrhundert bringt es auf 32 Jahre, der darauffolgende auf 22 Jahre, dann 16 und 13 Jahre. Bei diesen Bärenmärkten handelt es sich nicht um die klassische Kategorisierung. So wird auch die Zeit von 2000 bis 2009 als Bärenmarkt kategorisiert, da der Markt keine nachhaltigen neuen Hochs ausbildete bevor die Kurse wieder fielen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit Aktien einen Gewinn machen kann, ist hoch. Aus insgesamt 507 Jahren waren 188 Jahre schlechte Jahre dabei. Die Bullenmärkte haben eine längere Lebensdauer als die Bärenmärkte und die negative Performance der Bärenmärkte wird für gewöhnlich mehr als wettgemacht.

Im großen Ganzen kann man sagen, dass mit Aktien über die Jahrhunderte viel Geld zu verdienen ist, doch wer hat schon Jahrhunderte? Innerhalb eines aktiven Investorenlebens von großzügigen 50 Jahren kann man sich ganz schön die Finger verbrennen und praktisch all sein Vermögen verlieren. Aktien kaufen und jahrelang bzw. jahrzehntelang nicht hinsehen, ist keine Erfolgsstrategie.

Man mag es sich heute vielleicht nicht vorstellen können, dass es wieder einen Bärenmarkt von mehreren Jahrzehnten geben kann. Davon sollte man sich jedoch nicht beirren lassen. Man stelle sich nur vor, die EU und die Eurozone würden zerfallen. Nach Staatspleiten und der Renationalisierung, die allein vermutlich schon 10 Jahre in Anspruch nehmen würden, braucht es vermutlich weitere 10 bis 20 Jahre, bis die Krise vollkommen ausgestanden ist und der Lebensstandard wieder auf dem aktuellen Niveau ist.

Persönlich sehe ich keine akute Gefahr. Blind Aktien kaufen und liegenlassen ist allerdings keine Erfolgsgarantie, selbst wenn Investmentgurus wie Warren Buffett genau das immer wieder predigen.

Clemens Schmale

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26 Kommentare

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  • GeBa96
    GeBa96

    Wenn man noch so lange lebt lohn sich das. Ich bin 66 da wird es schon knapp. Na ja, dann muß man es eben weiter vererben.

    14:52 Uhr, 11.11. 2016
  • Ridicule
    Ridicule

    Ah, zwei Trolle haben sich schon wieder hier eingefunden.

    @Moneymaker ... die Quartalsdividenden sind ein wichtiger Punkt, und zusätzlich aber auch noch die Behandlung von Dividenden seitens der Administration. Da gibt es in USA kaum etwas zu kritisieren (ganz im Gegenteil), andere Länder (insbesonder in Europa, Deutschland da aber mal nicht) sind da echte No-Go-Areas für den Anleger.

    12:01 Uhr, 11.11. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • MonsterLutz
    MonsterLutz

    Also jetzt glaub ich echt langsam dass der Clemens nur des schreibens wegen schreibt. Wie kann man 500 Jahre Markt auf einer Seite abhandeln und quasi alle Faktoren ignorieren, die den Markt beeinflussen?

    ... 500 Jahre Zeitraum... Wovon nichtmal 10% nicht Rechnern gehandelt wurden und nichtmal 5% mit Hochgeschwindigkeitstransaktionen, die den Markt jetzt BESTIMMEN.

    99% der high Value Unternehmen nicht existent waren und die die existent waren nicht so gehyped wurden, weil die Medien noch nicht so globalisiert waren und und und...

    11:27 Uhr, 11.11. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • moneymaker22
    moneymaker22

    Ausgewogener Artikel, insbesondere die letzten beiden Absätze nicht aus den Augen verlieren, grade eine nicht unerhebliche Anzahl von aktuellen und ehemaligen Dax-Aktien sind ein gutes Beispiel dafür

    11:17 Uhr, 11.11. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • tschak
    tschak

    absolut richtig. Ich beschäftige mich auch mit der Materie seit mind. 15 Jahren. Ich schaue mir die Finanzhistore seit 1896 an. Ca. seit dem Jahr beschäftigt man sich HALBWEGS seriös mit der Finanztheorie (meiner Meinung nach). Die Krisen VOR 1945 waren extremst heftig, tlw. ganz normal, WEIL es keinen GLÄTTENDE Instituationen gab (bzw. nicht richtig etabliert, Erfahrungsschatz, etc.) - die in die Märkt etwas eingreifen konnten.

    Somit kann eine Coca Cola noch immer nicht (mehr) um mehr als 150% im Jahr steigen, etc. so wie es viell. VOR 1920 theoretisch möglich gewesen wäre. Man muss Alles im Hinblick auf aktuelle Verschiebungen betrachten. Ich verweise hier auf die klassischen Analysen des S&P 500 bzgl. HALTEDAUER und mgl. Verlustwahrscheinlichkeit. AB 15 Jahre Haltedauer - you know the answer - ansonsten bitte bei vielen Research-Häusern, Quants beschweren, dass die einen Fehler in ihren Auswertungen haben. ABER ICH BIN UND BLEIB DABEI: 20 Jahre ist die genialste Anlagedauer (auch) für den modernen Langfrist-Anleger.

    Ich beziehe mich hier auf den S&P 500 (und dessen components), nicht auf Nebenwerte-Aktien, Ex-Neuer-Markt und sonstigen High-Risk-High Schrott, etc...

    10:55 Uhr, 11.11. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • Ridicule
    Ridicule

    Bin mal gespannt, was an Reflexen und Beleidigungen unserer Untergangsprognostiker hier geschrieben werden.

    Aktienbesitz sollte Teil einer lebenslangen Finanzplanung und aktivem Vermögensmanagement sein. Für mich stehen da nicht primär Gewinne aus Kauf und Verkauf im Vordergrund sondern den Aufbau eines Bestandes, der über Dividenden etc. finanzielle Freiheit bringt. Die Aktien bleiben dabei als Grundstock weiterhin im Portfolio. Damit erklärt sich dann auch eine evtl. sehr lange Haltedauer und die Möglichkeit Bärenmärkte auszusitzen.

    10:52 Uhr, 11.11. 2016
  • Jogi Löw
    Jogi Löw

    Ich weiß nicht, ob es wirklich sinnvoll ist, fünfhundert Jahre alte Beispiele heranzunehmen, um diese mit unserer heutigen schnelllebigen Zeit zu vergleichen.

    10:47 Uhr, 11.11. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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