Kommentar
13:11 Uhr, 23.01.2014

Aktien aus Industrienationen noch fair bewertet

Die Experten von J.P. Morgan Asset Management sind überzeugt, dass die Märkte trotz der Höchststände an vielen Börsen derzeit nicht überteuert sind. Laut Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, verhalten sich die Märkte oft wie ein Gummiball: Mit je mehr Wucht es nach unten gehe, desto höher sei der anschließende Anstieg. Genau das ließ sich in den vergangenen Jahren beobachten. Seit 2009 habe beispielsweise der S&P 500 rund 200 Prozent zugelegt – allein im Jahr 2013 waren es 26 Prozent. "Dieser starke Anstieg lässt manch einen Anleger fürchten, dass dies keine Erholung sein könnte, sondern sich vielmehr eine Blase bilde. Zumal die Aktien durch die ultralockere Geldpolitik der USNotenbank Federal Reserve (FED) künstlich gestützt werden. Die Sorge ist, dass die Aktienkurse einbrechen, wenn die Stützung wegfällt. Aber auch wenn Aktien nicht mehr preiswert sind, ist es in jedem Fall zu früh, von einer Blase zu sprechen", so Galler.

Steigende Aktienkurse aufgrund besserer Fundamentaldaten

Dass die aktuelle Rallye beeindruckend ist, daran besteht kein Zweifel. So waren die Erträge von US-Aktien zuletzt höher als in sechs von neun früheren Phasen nach dem 2. Weltkrieg, trotz einer relativ typischen Dauer von fast 60 Monaten. Aber es lässt sich auch ein wesentlicher Unterschied beispielsweise zur Technologieblase Ende der 1990er-Jahre erkennen: Der Aktienkursanstieg geht aktuell mit einem fast ebenso hohen und beeindruckenden Anstieg der Unternehmensgewinne einher, wie Abbildung 1 aus dem aktuellen "Guide to the Markets – Europe", Seite 44, zeigt. "Dass auch bei den Gewinnen neue Höchststände erreicht werden belegt, dass sich der Markt noch nicht vollständig von den Fundamentaldaten abgekoppelt hat. Dies wäre jedoch bei einer echten Blase zu erwarten", betont der Stratege.

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Viele Anleger fragen sich dennoch, ob der Markt überteuert ist. Dazu lohnt ein Blick auf verschiedene Bewertungsmodelle. Das Forward-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der zukünftigen Gewinne) legt nahe, dass Aktien in etwa ihrem fairen Wert entsprechen. Der Vergleich der Anleihenrenditen mit den Gewinnrenditen von Aktien - oft auch als "Fed-Modell" bezeichnet - zeigt: Aktien sind unter Bewertungsaspekten weiterhin attraktiver als Festzinspapiere, wenngleich sich der Abstand inzwischen verringert hat. Allein das um zyklische Ausschläge bereinigte Shiller-KGV, des 2013 zum Nobelpreisträger gekürten Prof. Robert Shiller, kommt zu einem anderen Ergebnis: Mit diesem Modell wird versucht, die Zyklizität der Gewinne zu glätten, indem der aktuelle Indexpreis mit den durchschnittlichen Gewinnen der vergangenen zehn Jahren verglichen wird. Demnach erreichen US-Aktien derzeit den 25,4-fachen Wert des zyklisch angepassten Gewinns. Das ist deutlich weniger als der Spitzenwert von 43, der Ende der 1990er-Jahre erzielt wurde. Er zeigt aber auch, dass Aktien jetzt über ihrem langfristigen Durchschnitt von 16,4 liegen. Insgesamt belegen die Bewertungen laut Galler, dass Aktien weiterhin fair bewertet sind.

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Produktionslücke lässt weiteres Wirtschaftswachstum vermuten

Aktienblasen der Vergangenheit sind oft geplatzt, als die Konjunktur auf dem Höchststand war. Die derzeitige Erholung geht aber ungewöhnlich langsam vonstatten. Nach vier Jahren liegt die Arbeitslosigkeit immer noch über dem historischen Mittelwert und das Verbrauchervertrauen bleibt weiter verhalten, auch wenn sich durchweg ein Aufwärtstrend abzeichnet. Dies belegt auch die Betrachtung der "Produktionslücke", einer verbreitet genutzten Messgröße für die Reservekapazität. Der Vergleich der Produktionslücke in den Industrieländern mit den jüngsten Entwicklungen der Aktienmärkte zeigt, dass sich der Finanzmarkt und die Realwirtschaft in den letzten Jahren entkoppelt haben. Die Aktienkurse zeigen bereits ein Niveau wie es normalerweise erst in einer viel weiter fortgeschrittenen Phase des Konjunkturaufschwungs erreicht wird. "Erweisen sich diese Messgrößen für Reservekapazitäten als richtig, hat der Aufschwung noch einen langen Weg vor sich. Ob das in den kommenden zwölf Monaten aber deutlich höhere Marktkurse rechtfertigen wird, bleibt abzuwarten", unterstreicht Galler.

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So ist das Fazit des Strategen, dass man derzeit beim US-amerikanischen Aktienmarkt noch nicht von einer Blase sprechen kann, auch wenn dieser Markt nicht mehr preiswert ist. Ohne einen signifikanten Gewinnanstieg scheint eine Wiederholung der Erträge des Jahres 2013 unwahrscheinlich. Doch die lockere Geldpolitik, der voranschreitende Konjunkturzyklus, die höheren Zuflüsse in Aktienfonds in der letzten Zeit und das Fehlen typischer Baisse-Warnsignale wie beispielsweise ein starker Anstieg der Zinsen oder Rohstoffpreise deuten darauf hin, dass die Rallye noch anhalten könnte.

Laut Tilmann Galler bietet das neue Jahr zudem Chancen bei europäischen und bei Schwellenländeraktien: Europa sollte nach mageren Jahren 2014 auf den Wachstumspfad zurückfinden. Dafür spreche auch die Bewertung europäischer Aktien, die historisch immer unter denen der US-Werte liegt. Und nach einem durchwachsenen Jahr für die Schwellenländer sollte das Wachstum dort mit 4,8 Prozent 2014 deutlich höher als in den Industrienationen ausfallen, die um 2,1 Prozent zulegen sollten. "Nachdem die Aktienmärkte der Schwellenländer im vergangenen Jahr hinter denen der Wirtschaftsnationen zurückblieben, sind viele Märkte nun gemessen an Gewinnen, Buchwert und Dividenden attraktiv bewertet und bieten langfristig orientierten Anlegern attraktive Einstiegsmöglichkeiten", schließt der Stratege.

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